Lässt sich eigentlich aus der Geschichte etwas lernen? Das ist eine interessante Frage in diesen Tagen. Mehr noch die Zuspitzung: Nützt es etwas, gelernt zu haben? Nachdem die neoliberalen NEOS die Regierungsverhandlungen mit Sozialdemokraten und Konservativen aufgekündigt hatten, durfte das Publikum konstatieren: Dem Kapital ist’s mit dem Kampf gegen den Faschismus so ernst dann auch wieder nicht. Ist das eine neue Erkenntnis? Eher nicht. Gerne ergehen sich die Liberalen in Warnungen vor der Gefahr von Rechts, nur um dann zu zeigen, dass am Ende längst nicht alles so wichtig ist wie eine geringere Unternehmungsbesteuerung. Nur gegen Kickl zu sein, reiche einfach nicht als gemeinsames Ziel, meint NEOS-Chefin Meinl-Reisinger. Aha, gut zu wissen. Merken wir uns bei der nächsten Sonntagsrede der NEOS zu den wichtigen Aufgaben der Gesellschaftspolitik und denken immer mit: Am Ende geht es den NEOS um die Unternehmensgewinne und aus. Die ÖVP legt noch einen drauf. Sie machte im Wahlkampf einen auf bürgerlichen Antifaschismus und warnte wortreich vor der öffentlichen Gefahr und dem Sicherheitsrisiko des (Zitat ÖVP) »Rechtsextremisten« Herbert Kickl. Der wiederum schwieg, ging die Feiertage über Eisklettern und wird nun von eben jener Volkspartei zum Volkskanzler 2.0 gekürt. Wenn’s um Geld geht, ist Faschismus einfach kein Ausschlussgrund. Das haben wir in der Geschichte Österreichs mehr als einmal gesehen.
Nun ließe sich einwenden: »Na geh, so schlimm ist das eh nicht.« Schließlich war die FPÖ in diesem Jahrhundert schon zweimal in Bundesregierungen, stellt den »Landesvater« der Steiermark und sitzt mit der ÖVP in weiteren vier Landesregierungen (OÖ, NÖ, Vorarlberg und Salzburg). »Und ist die Welt schon untergegangen? Was soll die Aufregung?«, fragt das betäubte Bewusstsein. Tja, die graduelle Änderung ist genau das Problem. Stellen wir uns einmal vor, im Jahr 1999 hätte eine niederösterreichische Landeshauptfrau den »Kampf gegen den Islam« zum Ziel ihrer Politik gemacht und der frischgebackene Bundeskanzler die Zwangsdeportation von Hundertausenden Mitmenschen (genannt »Remigration«) zu seinem politischen Ziel ausgerufen. Es wäre vermutlich zu einen Blauhelm-Einsatz in Österreich gekommen. Der politische Diskurs wurde in den letzten 25 Jahren ganz schön heruntergenudelt, seit der damalige ÖVP-Vorsitzende Wolfgang Schüssel die »FPÖ entzaubern« wollte, per Regierungsbeteiligung. Ist jemals ein Plan mehr schiefgegangen?
Umwelt und Medien in Gefahr
Nun ist alles noch viel schlimmer. Historisch schlimm. Österreich beweist, dass der Rechtsextremismus schamlos davon profitieren kann, dass sich die »Kräfte der Mitte« nicht mehr einigen können. Angeblich haben es die Sozialpartner in den Koalitionsverhandlungen ja geahnt und waren am ehesten zu Kompromissen bereit, die Parteiführungen aber offenkundig nicht. Dabei sind die Aufgaben gigantisch. Diese Generation hat eine historisch einmalige Verantwortung: Sie muss dafür sorgen, dass auch weiterhin Bedingungen für die Aufrechterhaltung einer menschlichen Zivilisation auf diesem Planeten bestehen. Das ist doch mal eine Aufgabe – oder? Ein (Zitat ÖVP) »Verschwörungstheoretiker« wie Herbert Kickl kann das nicht. Er glaubt, mit Naturgesetzen könne er in Verhandlung treten. Denn was wissen schon diese Wissenschaftler*innen, die wollen sich doch nur aufspielen mit ihren Kipppunkten. Diese Dummheit der FPÖ ist tödlich. Und das ist wirklich historisch einmalig. Es kommt der Punkt, an dem werden die Ozeane dieser Welt so warm sein, dass sie das in ihnen gespeicherte CO2 abgeben und nicht mehr wie bisher speichern. Es ist schwer zu sagen, wann dies genau sein wird, es ist aber eine naturgesetzlich unausweichliche Entwicklung. Ob man dann einen Platz neben Elon Musk und Mark Zuckerberg im Bunker bekommt, um die nächste eineinhalbtausend Jahre (?) abzuwarten, bis die Atmosphäre wieder abkühlt, kann jede*r für sich selbst ausrechnen. (skug-Tipp: Deine Chancen stehen sehr schlecht!) Noch ließe sich dieses Physikexperiment aufhalten, nur nicht mit Bundekanzler Kickl, denn der baut neue Autobahnen und schafft alle ökologisch verantwortungsvolle Politik ab.
Für skug und so ziemlich alle Medien in Österreich (mit Ausnahme von FPÖ-TV) besteht noch ein anderes, ganz unmittelbares Problem. Das lässt sich am besten erklären mit Hugo Chávez. Der hatte als Präsident von Venezuela eine eigenen Fernsehshow, genannt »Aló Presidente«, in der quasselte der mediale Avantgardist und sonstige Vorreiter Chávez stundenlang über eigene Befindlichkeiten und die Zukunft des Sozialismus. Die Sache mit dem Sozialismus hat Karl Nehammer bei seiner Neuauflage, genannt »Karl, wie geht’s?«, weggelassen, ansonsten funktioniert aber alles genauso. Karls Podcast war eine gute Gelegenheit für den Bundeskanzler, einfach mal so vor sich hinzuschwadronieren, den Blick stets auf den Bauchnabel gerichtet. Das ist wohl die Zukunft der österreichischen Medien. Nehammer selbst hat angekündigt, er wolle nie mehr Interviews geben. Warum auch, nervt doch nur. Der ORF wird jetzt wohl abserviert, indem die Abgabe gekürzt oder ganz gestrichen wird, die Medienförderung im Land weitgehend eingestellt und am Markt finanziert sich keine kritische Medienberichterstattung. (Wer soll dafür zahlen? Red Bull?) In wenigen Jahren gibt es dann ein Medienangebot mit dem heißen Podcast »Garteln mit Kickl«, Folge 271: »Wie bilde ich aus Gartenzwergen einen Schutzwall gegen die Islamisierung?« oder dem beliebten TikTok-Kanal »Omas beste Einbrennrezepte mit Christian Stocker«. Freie und kritische Medien, sofern in Austria noch vorhanden, werden kaum eine andere Möglichkeit haben, als über diese dünne Suppe ohne Hirn zu schreiben, die die Mächtigen fleißig auf den eigenen Kanälen teilen, den Followern zum Gaudium. Wohl bekomm’s!
Wir sehen uns am Do!
So schaut’s leider aus. Eines möchten wir versprechen, skug gibt den Kampf nicht auf. Wir bemühen uns um solidarische Organisation, kritische Reflexion und all das, was sich tun lässt, um der neuen Blau-Schwarzen Regierung das Leben zu erschweren. Einfach wird das nicht. Jetzt ist aber erstmal wieder Do! Die beliebte Donnerstagsdemo lädt am – erraten – Donnertag, dem 9. Jänner 2025 ab 18:00 Uhr zur Menschenkette ums Bundeskanzleramt. Wir sehen uns!