Die Tänzerin Elsa Krüger © OÖ Landes-Kultur-GmbH
Die Tänzerin Elsa Krüger © OÖ Landes-Kultur-GmbH

Ein Leben in Bildern

Noch bis 9. März 2025 ist im Francisco Carolinum Linz die Ausstellung »Madame d’Ora – Eleganz und Exzentrik« über Dora Kallmus zu sehen, die zu den bedeutendsten europäischen Fotograf*innen des 20. Jahrhunderts zählte.

Falls man in den nächsten zwei Monaten in Linz weilt, wie es bei OÖ-Expats zu den Feiertagen oft üblich ist, sei die folgende Fotoausstellung hiermit wärmstens empfohlen. Nämlich die von Werken der Madame d’Ora – mit bürgerlichem Namen Dora Kallmus genannt –, einer der bedeutendsten Fotografinnen ihrer Zeit, die noch bis 9. März 2025 im Francisco Carolinum Linz zu sehen ist.

Who-is-Who der Epoche

Wenn man sich z. B. eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Emilie Flöge vor Augen ruft, dann ist das Bild, welches einem einfallen wird, mit Sicherheit jenes, das Dora Kallmus von ihr geschossen hat. Selbiges gilt für Arthur Schnitzler, Alma Mahler-Werfel oder auch Josephine Baker. Madame d’Ora hatte bis zum Einmarsch der Nazis in Paris, wo sich Miss Baker bekanntlich aufhielt, eine gut geführte, und schließlich eigenständige Dependance ihres Wiener Studios. Damit deckte sie das damalige Who-is-Who der Epoche ab. Zwischenzeitlich gab es sogar ein Sommeratelier im mondänen Kurort Karlsbad. 

Dass K.u.K. im ersten Teil der Ausstellung dominiert, liegt auch am fürstlichen Klientel der fotografischen Pionierin. Was angesichts der Menge an Spitze, Pelzverbrämung und kostbaren Stoffen, in denen sich etwa ungarische Gräfinnen um 1917 ablichten ließen, zur Groteske gerät. Immerhin war da schon drei Jahre lang der Erste Weltkrieg ungehindert am Wüten. Und doch hat eine Dame extra ihre Füße porträtieren lassen, um die kostbaren Seidenschuhe zu zeigen. Für Fashion-Historikerinnen wie Karolina Żebrowska wäre das sicher auch fachlich interessant. Ich hingegen bin an diesem Vormittag nebst einer zweiten Person die alleinige Besucherin der Ausstellung. Auch, wie es scheint, die einzige Interessentin bei der vergeblichen Frage nach einem Katalog, um in Ruhe noch einmal nachzulesen, was z. B. die reichhaltige Korrespondenz der Fotografin beinhaltet – dazu wäre auch ein zweiter Rundgang empfehlenswert.

Schuhdetail der Gräfin Erdödy © OÖ Landes-Kultur-GmbH

Zeitlose Porträts

Apropos Alma Mahler-Werfel: Um die bildlichen Eindrücke aus jener Zeit mit Bezügen zu den abgebildeten Personen zu unterstützen, werden in einem Raum Schaukästen mit Korrespondenz ausgestellt. Ich wüsste gern, was sich die Verfasser*innen dieser Briefe denken würden, wenn sie erfahren könnten, dass sie hier gelesen werden. Manche – wie eben die von Alma Mahler-Werfel – sind erstaunlich eindrücklich und unterstreichen den kapriziösen Ruf der Verfasserin. Dass man dieser Dame von Welt nichts abschlagen konnte, lässt sich aus den großformatigen Briefen unschwer erkennen. Und wenn es nur die Bitte ist, so-und-so-viele Vorabdrucke gleich zu erhalten oder die Fältchen um die Mundwinkel zu retuschieren. Schade, denn wenn man dem Temperament, das aus den Zeilen spricht, trauen darf, waren das sicher Lachfalten.

Eindrücklich – das lässt sich auch über Dora Kallmus’ Bilder sagen. Zwar verstehe ich nicht so viel von fotografisch interessanten Entwicklungen und kann nicht erkennen, welche Hintergründe im Nachhinein bearbeitet wurden, sodass z. B. Schauspieler vor einer Theaterkulisse zu sehen sind, obgleich sie im Studio abgelichtet wurden. Bemerkenswert ist aber wohl, dass die Art und Weise, wie Madame d’Ora ihre Kunstfertigkeit einsetzte, recht modern war. Also ähnlich, wie wir unter heutigen Verhältnissen ein Foto konzipieren und inszenieren würden, was wir durch unseren ständigen Gebrauch von Fotografie am Smartphone und damit die allgegenwärtige Verfügbarkeit und Präsenz von Fotos ja gewohnt sind. Darum gibt es auch – außer der aus der Zeit gefallenen Kleidung, Frisur und Make-up – nichts in den Fotos, was die Betrachtung der eingefangenen Persönlichkeiten und Stimmungen hemmen würde. Ja, diese Offenbarung der porträtierten Personen, so sie das zugelassen haben, ist, was Kallmus’ Fotos so einzigartig macht, mit einer bis heute bestehenden Gültigkeit.

Schlachthaus in Paris © OÖ Landes-Kultur-GmbH

Die Spuren des Krieges

Mit den Jahren, vor allem aber seit Madame D’Ora ihr Studio nach Paris verlegt hatte, begann sie, auch Aufnahmen außerhalb des Ateliers zu machen. Das hatte zur Folge, dass die porträtierten Größen ihrer Zeit, der 1940er-Jahre in Paris vor der Besetzung durch die Nazis, noch lebensechter abgelichtet wurden als bisher. Dora Kallmus konnte sich vor den Faschisten glücklicherweise verstecken, unter anderem in einem Kloster, und wurde im Gegensatz zu ihrer Schwester nicht ausgelöscht. Doch hatte der Krieg sehr wohl seine Spuren auch in ihrem Werk hinterlassen. Zwar bildete sie das Schlachten, das auf den Feldern Europas und in den Konzentrationslagern vor sich ging, nicht in situ ab, wohl aber in den Fleischverarbeitungszentren von des Halles. Diese Bildserie wird gemeinhin als Versuch gewertet, das Erlebte sichtbar zu machen, und zu verarbeiten. Den Stolpersteinen in Frohnleiten, Nähe Graz, ist zu entnehmen, dass Kallmus’ Haus 1939 arisiert und das Atelier enteignet wurde, dass die gebürtige Jüdin 1919 evangelisch getauft wurde, half ihr zu dem Zeitpunkt natürlich nicht. 

Doch zurück zu den Fotos: Der Rundgang durch die Jahrhundertwende bis hin zur Fleischbeschau der Schlachthöfe belegt ein bewegtes Leben – von der Wiener Belle Époque bis zu den 1950er-Jahren – sowie ein professionelles Gespür für Esprit und Wesen der von Kallmus festgehaltenen Personen und Objekte. In diese Zeitleiste reiht sich auch ein Porträt von Max Liebermann ein, mit dem allseits bekannten Zitat, mit dem er den Aufmarsch der Nazis in Berlin kommentierte, und es scheint ein warnender Gruß an die heutige Zeit zu sein: »Ick kann jar nich so ville fressen, wie ick kotzen möchte.«

Link: https://www.ooekultur.at/exhibition-detail/madame-dora

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