© Anna Behne
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Ein Abgesang auf die Ignoranzgesellschaft

»A film paved with good intentions« heißt es im Untertitel des neuen Films von Johannes Grenzfurthner. Der monochrom-Gründer widmet sich in »Glossary of Broken Dreams« den großen politischen Begriffen – aus guten Gründen und nicht ohne ironischen Schwenk auf die affektgesteuerte Internetkultur.

Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Johanns Grenzfurthner hat wieder einen Film gemacht! Nachdem der selbsterkorene Lumpennerd vor zwei Jahren mit »Traceroute« einen grandiosen Abriss seines Lebens präsentierte, gibt es nun neuen Stoff aus dem Hause monochrom. »Glossary of Broken Dreams« heißt der eineinhalbstündige Film, der vor Kurzem auf der Diagonale in Graz Premiere feierte und ein wahrhaftiges Sammelsurium an zerbrochenen Träumen darbietet.

Leitkultur als Leidkultur
Ausschlaggebend für die Entstehung dieses Filmes war – neben der aufgeschobenen Förderung für ein anderes Filmprojekt – sicherlich die holistische Internetkultur der Gegenwart mit ihrem Hang zum totalitären Allmachtanspruch. Man kennt das natürlich. Die ausgekotzten Meinungen, so atavistisch und verschroben sie auch immer sein mögen, müssen nach außen getragen, verteidigt und notfalls mit postfaktischen Mitteln gewahrt werden, zumindest wenn es nach dem Credo der affektgesteuerten Ignoranzgesellschaft geht. Dass dabei nicht selten mit politischen Begriffen hantiert wird, die Meinungsmacht suggerieren, aber schlicht nicht verstanden und so als Treibstoff innert der Interpretationsgunst aller verheizt werden, stellt den scheinbar unvermeidlichen Kollateralschaden dieser Zeit dar. Grund genug also, um endlich einmal für klare Verhältnisse zu sorgen und den leitkulturellen Spieß ganz einfach umzudrehen. Nicht im Internet, klar! Sondern dort, wo die interpassive Kapitalismuskritik noch Früchte trägt: im Kino! Einen Film über verschiedene politische Begrifflichkeiten zu drehen, sie behutsam aufzudröseln und von vorne aufzubauen, ist wohl das entschleunigende Gegengift zu einer hyperbolischen Maschinerie aus Konspiration und verlogenem Hedonismus.

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Am Roulettetisch des Konsumkapitalismus
Man darf sich hier also ziemlich gut fühlen. Der Film macht Spaß, irgendwo ist das die grundeigene Bestätigung persönlicher Ansichten, die stille, aber so wundersam kostbare Genugtuung der Gewissheit. Man würde das so alles unterschreiben, denkt man, während sich die Träume im Vorbeischweben in kleine Bläschen auflösen. Schließlich war es Mark Fisher, der darauf hingewiesen hat, dass der kapitalistische Realismus einen bestimmten Antikapitalismus nicht im Vorhinein ausschließen müsse. »Glossary of Broken Dreams« versprüht in jeder einzelnen seiner 97 Minuten einen beglückenden Duft antikapitalistischer Ironie. Aber ist es doch gleichzeitig auch eine Ironie, die den Kapitalismus recht unbehelligt seine durchdringende Sorgfalt walten lässt. Der Film leistet den Antikapitalismus für uns, während er die moralische Freiheit gewährt, weiterhin selbst am rotierenden Roulettetisch des Konsumkapitalimus teilzunehmen. Man klatscht nach dem Ende euphorisch in beide Hände, um im nächsten Moment der ganzen Welt auf Twitter davon mitzuteilen. In gewisser Weise stellt sich dadurch der Drang ein, sich in der eigenen Meinung bestätigt zu fühlen – und das funktioniert bisweilen außerordentlich gut!

Ästhetisches Potpourri
Die rechten Recken wird dieser Film folglich nicht wirklich beglücken – auch wenn sie gut daran täten, ihre ideologischen Verranntheiten genauer daran zu messen. Der Film bietet jedenfalls ein ästhetisches Potpourri aus wunderbar detailverliebten Nerdereien. So dient ein selbstgebasteltes Puppentheater (»I want an art scandal!«) ebenso als kritische Plattform für die Erzählung wie animierte Pixelgrafiken und Anime-Szenen. Großartig übrigens auch die musikalischen Beiträge der beiden FM4-Monos Roland Gratzer und Hannes Duscher. Die Stimmen sind also vielfältig, breit gestreut und – in manchen Momenten – ein wenig ausufernd. Fast scheint es, als wolle man in zu kurzer Zeit zu viel an Information vermitteln – aber das sind wohl nur die funktionalen Begleiterscheinungen der neoliberalen Verwirrungen.

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Was zählt
»Glossary of Broken Dreams« ist ohne Frage ein dichter Film. Dabei macht ihn aber gerade diese Eigenschaft zu einem beispielhaften Gewicht gegenüber der spätkapitalistischen Auffassung, dass einzig das Funktionieren und der Outcome der Performance relevante Faktoren darstellen. Denn anstatt sich mit allen Mitteln darauf zu konzentrieren, einfach nur plumpes Wissen zu vermitteln, schafft es das Team um Grenzfurther einmal mehr, die Möglichkeiten der eigenen Reflexion zu entdecken, sich kritisch mit Themen auseinanderzusetzen, deren Bedeutung in den unendlichen Tiefen der meinungsverklärenden Internetschluchten oft verkannt und noch öfter verbannt werden. Und das ist es doch, was am Ende wirklich zählt. Es ist spürbar, dass da Leute am Werk sind, die sich nicht mit bewährten Konventionen auseinandersetzen wollen. Alternativen ausloten, etwas Neues probieren, ausbrechen aus vorgefertigten Gedanken – selbst, wenn die Experimentierfreudigkeit nur den begrenzten finanziellen Mitteln geschuldet sein sollte. »Glossary of Broken Dreams« bewegt sich dementsprechend zwischen der dystopischen Filmsprache eines Adam Curtis und den absonderlich-satirischen Momenten, die man von Daniel Hoesl kennt. Unbedingt öfter anschauen!

Link: http://www.monochrom.at/glossary/

Home / Kultur / Film

Text
Christoph Benkeser

Veröffentlichung
29.03.2018

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