Sein Studium bei Karlheinz Stockhausen und sein Mitwirken in Ensembles von Terry Riley und La Monte Young legten die Fährte. Jon Hassell hat mit »Forth World« einen Musikstil begründet, der recht gut beschreibt, was Hassell intendiert. Hier geht es nicht um Weltmusik im klassischen Sinn, sondern um auf Jahrtausende zurückgehende Weisheiten, die mit modernster Technologie organisch kurzgeschlossen werden. Schön wäre es, wenn das in der Politik möglich wäre. Reaktionäre Autokraten bedienen sich der vierten technologischen Revolution. Besser wäre, wenn dies Demokraten täten, um solidarischen Gemeinsinn wieder en vogue zu machen. Aufgeklärte Zeitgenossen wissen, dass letztlich nur sozial austarierte Gesellschaften Fortschritt bei gleichzeitigem Bewahren vernünftiger Errungenschaften ermöglichen. Ûbersetzt auf die Kunst des Musizierens heißt das, dass sich nur dank gemeinsamer Beeinflussungen neue Wege auftun, ohne die Tradition zu vernachlässigen. Bzw. diese zu reflektieren und als Ausgangsbasis für Neuschöpfungen zu nehmen.
»Malay« ist ein zentrales Stück dieses Albums, das quasi eine Resteverwertung von »Dream Theory in Malaya (Fourth World Vol. One – Possible Musics)«, einer Zusammenarbeit mit Brian Eno im Jahr 1980, darstellt. Es geht zurück auf eine Aufnahme, die der Anthropologe Kilton Stewart ca. 1935 bei den Semelai machte. Die in der damals größten Sumpfgegend Malaysias lebenden Ureinwohner formten mit ihren Händen aus Wasserplätschergeräuschen prächtige Rhythmen. Hassells modulierte, gegen Ende heftiger werdende Trompetenluftströme durchwandern den Raum, perkussiv abgeklopfte Töpfe, Schalen-Gongs und Glocken (letztere bedient von Brian Eno) interagieren wundersam zu den fragmentarisch eingespielten Rufen und Watersplashes der Semelai. Den Albumtitel begründete ebenso eine ethnografische Studie Stewarts: Die Familien der Senoi erzählten sich morgens die Träume der Nacht, deuteten manche positiv um und gaben Traumlieder und -tänze an benachbarte Stämme weiter, um trotz der Verschiedenheit Gemeinsamkeiten zu beschwören.
Das Album dockt mehr und mehr an Klänge der Ur-Malayen an, doch Track 3, »Dream Theory«, mit Brian Eno an den Drums, verfügt über eindringlich sphärische Trompeten-Loops und wird konterkariert von Steve Reichschen Minimal-Music-Patterns mit repetierten Vocal-Schleifen und unterlegt von Michael Brooks stolperndem Basslauf. Und »Datu Bintung At Jelong«, von einem gewissen Dan Lanois abgemischt, lässt das Maschinelle der Minimal Music offensichtlich werden, doch »haucht« Hassel darüber sehr hübsche Trompetenlinien, die dem statischen, scheinbaren Auf-der-Stelle-Treten Grandezza verleihen. Da wird nicht nur zusammengedacht, sondern zusammengeschweißt. Was anfangs ungewöhnlich daherkommt, entpuppt sich als raffinierte Klangschichtung, deren Rhythmus entfernt an pumpende House Music denken lässt. Ein wichtiges Reissue, erschienen auf dem Glitterbeat-Sublabel tak:til.