Geschichtsschreibung beschäftigt sich durchwegs mit den oberen Schichten einer Gesellschaft, das ergibt somit ein verkürztes und unvollständiges Bild. Dem versucht der Autor mit seinem umfangreichen, sehr informativen Buch entgegenzuwirken, das durch Karten und Statistiken, etwa über den transatlantischen Sklavenhandel, ergänzt wird.
Delacampagne zeigt, dass Sklaverei seit der Antike über viele Jahrhunderte als normale gesellschaftliche Erscheinung angesehen wurde, die nicht weiter zu diskutieren war: Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts werden die ersten Monographien – etwa jene des Priesters Lorenzo Pignoria unter dem Titel »Abhandlung über die Sklaven und ihre Funktion in der Antike« (1608) – veröffentlicht. Zudem legt Delacampagne die Marxsche Sichtweise der historischen Formen von Produktionsweisen dar: In Bezug auf die Antike spricht Karl Marx von der Sklavenhalterordnung, im Mittelalter von Feudalismus und mit dem Beginn der Neuzeit von Kapitalismus. Der Autor demonstriert, dass Sklaverei stets in Zusammenhang mit Staatsstrukturen zu sehen ist, etwa in der Antike oder bei den Sumerern. In indigenen Gruppen spielte Sklaverei keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Christian Delacampagne wuchs in Westafrika als Kind weißer Eltern in Freiheit auf, heute vertritt er die Ansicht, dass »die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen durch die Erinnerung an eine schmerzhafte historische Realität« erschwert sind: durch die Versklavung der Schwarzen und durch den Sklavenhandel.
Christian Delacampagne: Die Geschichte der Sklaverei
Übersetzt von Ursula Vones-Liebenstein
Düsseldorf: Patmos Verlag 2004, 352 Seiten, EUR 26,-