Limpe Fuchs © krysztoff, Flickr, CC BY 2.0
Limpe Fuchs © krysztoff, Flickr, CC BY 2.0

Den eigenen Ohren trauen

Limpe Fuchs, bayrische Improv-Musikerin von Weltrang, wird am 5. November das Festival PhonoFemme im Wiener Flucc beehren. Das Innenleben teilweise selbst gebauter Instrumente fließt wie Geräusche von Alltagsgegenständen in ihren herausfordernden Klangkosmos ein. Anlass für ein kleines Porträt.

»Uniting Our Voices« lautet das diesjährige Motto des von Mia Zabelka und Zahra Mani kuratierten biennalen Festivals PhonoFemme. Das Festival wider die Machenschaften patriarchaler Interessen schließt die Teilnahme von Männern keineswegs aus. Heuer ist beispielsweise der ungarische Schlagzeuger und Journalist Balázs Pándi zu Gast. Die Power des Individuums und solidarische Gemeinschaft sind kein Widerspruch und Limpe Fuchs zählt wie die Riege der auftretenden weiteren Künstler*innen zu Verfechter*innen der Demokratie. Die im Gegensatz zu autokratischen Systemen kritischen Eigensinn fördert.

Beinahe 60 Jahre Bühnenerfahrung

Wo Limpe Fuchs spielt, da bringt sie fast sechzig Jahre Erfahrung als improvisierende Musikerin auf die Bühne. Seit den späten 1960er-Jahren tritt sie auf, zunächst im Duo Anima-Sound mit ihrem langjährigen Partner Paul Fuchs und über die folgenden Jahre hinweg auch in erweiterten Formationen mit dem klassischen Pianisten Friedrich Gulda oder Jazzmusikern wie Johann Anton Rettenbacher oder Albert Mangelsdorff. Seit dem Ende des Anima-Duos zum Ende der 1980er-Jahre ist sie als Solokünstlerin und im musikalischen Dialog mit einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Musiker*innen aktiv, so erschien beispielsweise im letzten Jahr eine umfangreiche Zusammenarbeit mit dem britischen elektronischen Musiker Mark Fell. Konzertreisen haben sie nach Kanada, in die USA und beinahe jedes europäische Land geführt und ein Ende ihrer musikalischen Abenteuer ist nicht abzusehen. Stets ist sie dabei mit deutlich mehr als nur Handgepäck unterwegs. Unterschiedliche, teils recht sperrige und überwiegend selbst gebaute oder entwickelte Instrumente zur Klangerzeugung sind ihre treuen und strapazierfähigen Begleiter: Pendelsaiten, (Kabel-)Trommeln, Pauken und – nein, keine Trompeten, dafür aber eine Viola und allerlei kleinere Perkussionsinstrumente hat sie in der Regel dabei, manchmal auch einen Korg-Synthesizer. Klaviere, die sich an Veranstaltungsorten hin und wieder finden, nimmt sie ebenfalls gerne in Gebrauch, um ihrer musikalischen Vielseitigkeit Ausdruck zu verleihen.

Limpe Fuchs © krysztoff, Flickr, CC BY 2.0

Dabei hat sie stets im Blick, sich und ihr Publikum nicht nur zu unterhalten, sondern auch herauszufordern, denn eine konventionelle Herangehensweise nicht nur an die Musik ist ihr von jeher fremd. Große Worte, die am Beispiel des bayrischen Improvisationstalents ihre Wahrheit auch jenseits der Musik, im Leben einer außergewöhnlichen Künstlerin finden. Ihr eigensinniger, von Hingabe und einem leidenschaftlichen Ethos gegenüber ihrer Musik geprägter Lebensweg ist von beeindruckender Stringenz. Ausgehend von der Entscheidung, einen Hof, auf dem sie bis heute lebt, zu bewirtschaften und als Lebensmittelpunkt für ihre Familie zu wählen, und der legendären Konzertreise im Bauwagen zu Beginn ihrer musikalischen Karriere folgt sie bis heute unbeirrbar ihrem eigenen Weg. In der Vergangenheit riefen manche Auftritte und Aktionen durchaus die Ordnungsmacht auf den Plan, Konzerte durften nur unter Einhaltung des Jugendschutzes durchgeführt werden und wurden entsprechend kontrolliert und bis in die Gegenwart hinein mag es sein, dass ihr radikaler ästhetischer Ausdruck provoziert und Unverständnis oder gar Unmut hervorruft: »Was macht die denn da? Nur Krach!? Das ist doch keine Kunst, das kann ich auch!« Solchen Reaktionen begegnet Limpe Fuchs in aller Regel gelassen, stoisch – und lädt ihr Publikum ggf. zum Mitmachen ein. Nicht umsonst titelt ein frühes Anima-Sound Album »Musik für Alle«! Die Parole schließt den Selbstversuch mit ein – und mithin die Erkenntnis, dass es mit dem Musikmachen nicht so leicht ist, wie es aussieht. 

Gleichrangigkeit der Töne

Geschult an den musikalischen Ideen von John Cage und Joachim Ernst Berendts Motiv »Die Welt ist Klang«, forscht Limpe Fuchs seit Jahrzehnten zur, wie sie es nennt, »Gleichrangigkeit der Töne« (skug #87, 2014). Jenseits von Tonleitern und klassischen Stimmungen interessiert sie sich für das Eigenleben ihrer Instrumente bzw. schenkt sie auch allen Geräuschen Aufmerksamkeit, die profanen Alltagsgegenständen entlockt werden und deshalb auch auf der Bühne zum Einsatz kommen können. Konzerte von Limpe Fuchs dienen in diesem Sinn der Veränderung der Wahrnehmung: Was ist Musik? So gestimmt trägt die konzertante Klangerfahrung ihr Publikum über die begrenzte Zeit eines Auftritts von Limpe Fuchs hinaus und schärft die Sinne auch für Erfahrung von Klängen im Alltag: Quietscht die Tür oder singt sie zu mir? Sollte ich die Scharniere also ölen? Eine naiv anmutende Frage, die ins Zentrum der ästhetischen Erfahrung führt. »Diese Idee, von Null zu beginnen, bildete den Kern unserer künstlerischen Praxis«, gab Limpe Fuchs einmal über ihre musikalischen Ursprünge im Gespräch mit Cammisa Buerhaus zu Protokoll, und diese ursprüngliche Neugier ist nach wie vor die Quelle für ihr musikalisches Leben, verbunden mit der Einladung an ihr Publikum, den eigenen Ohren zu trauen.

Limpe Fuchs © krysztoff, Flickr, CC BY 2.0

Limpe Fuchs bei PhonoFemme 2025

Limpe Fuchs wird beim diesjährigen Festival PhonoFemme auftreten: am Mittwoch, dem 5. November 2025 um 19:30 Uhr im Flucc Wien. Das Line-up ergänzen Zahra Mani, Olga Nosova, Balázs Pándi, Raphaela Shalman, Susanne Rogenhofer aka Sweet Susie, Kinga Toth und Mia Zabelka. Einen Nachschlag gibt’s am 6. November von 23:03 bis 00:00 Uhr auf Ö1 in der Sendung »Sound Art: Kunst zum Hören«, live on air: Zahra Mani, Kinga Toth und Mia Zabelka.

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Text
Holger Adam

Veröffentlichung
27.10.2025

Schlagwörter



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