Das Rabenhof Theater ist am Abend des 5. Oktober 2019 zum Bersten gefüllt, als sich der Vorhang lichtet und Alicia Edelweiss mit ihren beiden Begleitern im Rampenlicht steht: Matthias Frey an der Geige und Lukas Lauermann am Cello. Anlass für diesen Auftritt ist die Präsentation ihres neuen Albums »When I’m enlightened, everything will be better«, das am 6. September auf dem Label MedienManufaktur Wien erschienen ist – das zweite nach dem Debüt »Mother, how could you« (2016) und der EP »I should have been overproduced« (2012). Die Reise beginnt mit »Leonie« und einigen weiteren Nummern des Albums im Kerntrio, während Alicia reihum ihre musikalische Werkzeugkiste vorstellt – erst Akkordeon, dann Ukulele, dann Gitarre. Zum englischen Traditional »Fare Thee Well« und dem darauf folgenden »The Cockroaches and Me« gesellen sich dann auch ein Chor und Gastmusiker*innen an Schlagzeug und Kontrabass auf die Bühne, bevor zur Halbzeit das Trio zurückkehrt und zu den Zugaben Alicia »die Band loswird« und ein paar Lieder allein zum Besten gibt. In jeder dieser Konstellationen steht jedoch ihre gefühlvoll-prägnante Stimme im Vordergrund, die in ihrer hellen Klarheit an Joanna Newsom oder die frühe Björk erinnert.
Was Alicia vielleicht am besten beschreibt, ist, dass sie sich von Anfang an in ihre Bestandteile auflöst. Eben noch im Backstage ordentlich herausgeputzt – mit Glitzertop, Samtrock, Goldbehang und kunstvoller Hochsteckfrisur – geht die erste Schleife noch im Intro auf und bei den Zugaben hängt das Haarband am Mikrofonständer und die Princess-Leia-Knoten fransen in alle Richtungen. Das mag an den häufigen Instrumentenwechseln liegen oder daran, dass sie mit den Händen tanzt. Parallel dazu löst sich aber auch die anfängliche Anspannung und Alicia bezaubert ihr Publikum mit kleinen Geschichten zu ihren Liedern. Vom Inuit-Märchen, das »Skeleton Woman« zugrunde liegt und in dem es um ein Mädchen geht, dessen Vater sie ins Meer wirft, »weil sie etwas Schlechtes getan hat«. Von der Zeit, als sie selbst noch eine »obdachlose Pennerin« war, die allein im Wald leben wollte, dann aber gemerkt hat, dass sie doch ganz gern im Supermarkt einkauft. Von ihrer besonderen Beziehung zu Schaben oder wie sie in Portugal auf der Suche nach gleichgesinnten »Hippies« nur Tourist*innen traf und sich fühlte wie »The Last Unicorn« – ihr Lieblingsbuch im Übrigen. Dabei schwebt sie federleicht von humorvollen Chansons zu schweren Themen wie Depressionen und Selbstmordgedanken und widmet auch mal einen Song allen schizophren-paranoiden »Fools« da draußen, die noch an den Mond glauben.
Neben den Stücken des neuen Albums packt Alicia Edelweiss auch ein paar »alte Hadern« aus und überrascht mit zwei neuen Stücken, einem davon in deutscher Sprache. Die Aufgabe, erzählt sie, sei gewesen, ein Lied über die Liebe zu einem Objekt, einer Tätigkeit oder einem »Hobby« zu schreiben, und ihre Liebeserklärung gelte eben dem »Dreck«. Und so singt sie davon, wie es ist, barfuß über den Waldboden zu laufen, durch den Schlamm zu waten oder nackt auf einen Baum zu klettern und am Harz zu lecken. Man weiß nicht, ist das noch Naturverbundenheit oder schon Eco-Fetischismus? Man wünscht sich jedenfalls, ihr die Hand zu reichen, mit ihr in der Wiese zu liegen und ihrer wunderschönen Stimme zu lauschen, wie sie einem aus voller Kehle das kleine Glück verkündet. Sich selbst spüren, den Boden unter den Füßen, das Gras zwischen den Fingern, den Wind im Haar. Und ein bisschen Freiheit unter Gleichgesinnten zu teilen.
Tourdaten
31.10.2019 – Kino im Kesselhaus, Krems
09.11.2019 – Bertholdsaal, Weyer (solo)
09.12.2019 – Chelsea, Wien
15.12.2019 – Tabakfabrik, Linz
30.01.2020 – Milla Club, München
01.02.2020 – Workshop Orange, Gumpersdorf
29.02.2020 – Elbphilharmonie, Hamburg