Es ist selten, dass zu einem Album ein solcher Konsens der Kritik besteht. Noch seltener, dass der Konsens berechtigt ist und nicht nur den Zeitgeist oder den Enthusiasmus der Neuerfindung eines Genres zur Ursache hat. So ein Fall ist »Black Messiah«. Das Album ist weder völlig neu noch eine Wiederholung D’Angelos vergangener Inspirationen, sondern wird als zeitloses Statement seinen Platz im Fundament des Soul finden. Schließlich kommt es von dem Musiker, der in den 1990ern mit »Black Sugar« und Anfang der Nuller-Jahre mit »Voodoo« den Nerv der Soul-Puristen traf, die im verwässerten MTV-R&B kein Futter für ihre Seele fanden.
Nachdem D’Angelo mit »Voodoo« nicht nur zu einer Neo Soul-Größe neben jenen wie Erykah Badu oder Lauryn Hill, sondern auch zu einem Objekt der Begierde wurde (siehe das Video »Untitled«), ging einiges schief. Ein schwerer Autounfall, sein Kampf gegen die Drogensucht, aber auch seine Star- Rolle, mit der er nicht zurechtkam, isolierten ihn hinter einer Mauer aus nachdenklichem Schweigen. Umso provokanter und schlüssiger macht dieses Schicksal »Black Messiah«, das nach fünfzehn Jahren Pause erscheint.
Die Herausforderung des Entstehungsprozesses wird in den ersten dreckigen, pulsierenden und dröhnenden Songs glasklar. Diese Songs sind verantwortlich dafür, dass auch ein Gitarrenmusik- publikum das Album ins Herz schließen kann. Das kosmische Chaos des Afrofuturismus, die ver- führerische Zärtlichkeit des Motown-Falsetts, die Frechheit von Funk, viel 1970er-Sound, aber auch die zeitgenössischen Einflüsse von Neo Soul hört man heraus. Allerdings nicht als Mischmasch oder Genre-Parade, sondern in Form von pointierten Ideen eines Singer/Songwriters, der in die Zukunft blickt; keine Zukunft im Sinne vieler heutiger HipHop-R&B-Musiker, die ihre Regeneration anhand digitaler Verzerrung suchen. Drake klingt nach Witch-House, Kanye West arbeitet mit Evian Christ und Arca. Kein Zweifel an ihren Talenten, aber es gibt einen Unterschied zwischen gesuchter Modernisierung und einer kräftigen Aussage. Anders als der leidende Mensch-Gott »Yeezus« von Kanye West, bezieht sich D’Angelos Messias nicht auf jenseitige Symbole. »Black Messiah« ist ein Aufruf zum kollektiven Beieinandersein, der im Schatten der Occupy-Bewegung, des arabischen Frühlings und der rassistischen Vorfälle in Ferguson gewachsen ist. Für D’Angelo ist jeder ein schwarzer Messias, der die Kraft zur Verwandlung in sich hat. Bloß kein »blue eyed, pale skinned, cracker Christ«.