Die Demokratiewoche vom 20. Oktober bis zum Nationalfeiertag am 26. Oktober 2025 bietet rund 80 Veranstaltungen in ganz Österreich, die mit viel ehrenamtlichem Eifer von demokratieliebenden Aktivist*innen organisiert werden. Es gibt von Paneldiskussionen über Lesungen bis zu gemeinsamen Saunabesuchen eine breite Palette an Mitmachmöglichkeiten. Den Überblick gibt’s hier und am Freitag, dem 24. Oktober nimmt skug sogar aktiv teil – deswegen erwarte man sich hier keine nüchternen und distanzierten Worte, denn wir sind pro Demokratie und begrüßen jede Initiative, aber liefern trotzdem gerne kritische Anmerkungen.
Wider die autoritäre Wende
Bei der Vorstellung des Demokratiewochen-Programms am Montag, dem 20. Oktober im Wiener Museumsquartier verweist der bekannte Soziologe und Migrationsforscher Rainer Bauböck auf die aktuell wenig Aufmerksamkeit genießende Covid-Welle in Österreich. Die Demokratiewoche verstehe sich in Analogie als eine Immunisierungskampagne für die Demokratie. Besser hätte er den Hauptwiderspruch nicht auf den Punkt bringen können. Denn es gingen bekanntlich zig Tausende in Österreich auf die Straße, weil sie eben nicht immunisiert werden wollten. Viele von ihnen hatten auch nicht mehr so richtig Lust auf Demokratie, was sich allein anhand zahlreicher Russlandfahnen im Meer der Österreichfahnen ablesen ließ. Diese Menschen empfanden den »Impfzwang« als Bevormundung und als Top-down-Verordnung. Mithin genau das, was Demokratie nicht sein soll.
An der Stelle hätten sich viele Zuhörer*innen vielleicht ein anderes, weniger deprimierendes Beispiel gewünscht als die unleidige Erinnerung daran, dass sich in der Pandemie weite Teile der Bevölkerung von rationalen Erwägungen verabschiedet haben und vielleicht auch ein bisschen von der Demokratie. Denn wie kriegt man diese Frustrierten jetzt wieder an Bord? Noch heute drücken viele ihren Frust aus, indem sie FPÖ wählen. In kaum einem anderen Land in Europa gibt es eine so starke rechtsextreme und in Teilen sogar faschistische Partei, die in Umfragen nun schon an den 40 Prozent kratzt. Mögen diese Erhebungen auch von den Auftraggeber*innen aus dem Boulevard manipuliert worden sein, dann kann einem schon ein wenig Bang ums Land werden.
Rainer Bauböck erinnert daran, dass das Bündnis 2025 als Reaktion auf die mögliche Regierungsbeteiligung der FPÖ gegründet würde. Und tatsächlich: In jenen kalten Wintertagen nach der Nationalratswahl 2024 waren viele auf der Straße, aber viel Energie verpuffte bald, als es nochmal »gut« ausging und sich drei andere Parteien zur Regierung zusammenfanden. Es ist deswegen äußerst löblich, dass es die Demokratiewoche gibt und das Bündnis 2025 weitermacht. Es muss nur an dieser Stelle ein zweiter Nebenwiderspruch erwähnt werden. Es soll über Demokratie diskutiert und dafür begeistert, aber keine Anbindung an die Parteipolitik gesucht werden, weil das zur »Vernaderung« führe – knifflig.

Wie finden wir zusammen?
Demokratieinitiativen stehen ein wenig auf tönernen Füßen, weil die Ablehnung von – darf man sagen – Unvernunft und autoritärer Demokratiefeindlichkeit immer nur ein Stück weit verbindet. Die positiven Inhalte müssten her. Anders: Wofür kämpfen wir gemeinsam? Beispielsweise ein Eintreten für eine demokratischere und inklusivere Wahl durch ein geändertes Wahlrecht, das auch Ausländer einschließt – in dem Moment verlassen die ÖVP-Nahen den Raum. Oder ein Eintreten dafür, dass Demokratie nur aufrechterhalten werden kann durch einen konsequenten Kampf gegen die Klimakatstrophe und da geht sich ein Tunnelbohren unter der Lobau bekanntlich nicht mehr aus. Mal sehen, wie viele Sozialdemokrat*innen jetzt noch in den Stuhlreihen sitzen … Denn jetzt hilft uns kein Inkrementalismus wie jener der Vorgängerregierung weiter – erbost erheben sich die Grünen, die meinen, ihre Leistungen würden nicht gewürdigt. Abschließend eines noch: Können wir eine konsequente Demokratie errichten, wenn nicht auch über Eigentumsverhältnisse parlamentarisch entschieden wird? Die letzten von den NEOS schließen die Tür hinter sich.
Mit dieser kabarettistischen Skizze dürfte klar sein, es ist nicht einfach, für die Demokratie »an sich« zu sein, weil jede Debatte immer sogleich in die einzelnen Themenfelder abgleitet, in denen die Meinungen und Haltungen widersprüchlich und nicht selten beschwert von jahrelangen Auseinandersetzungen sind. Und dennoch sollte genau dies versucht werden. Obwohl die versteckt autoritären Angebote auf dem Vormarsch sind, halten immer noch 90 Prozent der Österreicher*innen die Demokratie für die beste Regierungsform und 60 Prozent sind mit der Demokratie in Österreich zufrieden. Aber Vorsicht, dies merkt Rainer Bauböck richtig an, in unserer Zeit werden weltweit demokratische Regierungen nicht durch einen Putsch erledigt, sondern durch Wahlen, die von versteckt autoritären Parteien gewonnen werden, die zwar sagen, sie seien für Demokratie, aber an der Errichtung einer Diktatur arbeiten – siehe USA.

Demokratie als Identifikationsstifter
Gertraud Diendorfer vom Demokratiezentrum Wien erinnert abschließend noch einmal eindrücklich daran, dass die Regierungsform Demokratie die Teilhabe von Bürger*innen benötigt, und die erreicht man nur durch demokratische Sozialisation. Insbesondere in einer Migrationsgesellschaft wie der österreichischen, in der viele Neubürger*innen in nicht-demokratischen Verhältnissen aufwachsen mussten. Die Demokratie kann und sollte als Identifikationskonzept dienen – durchaus in Abgrenzung zu Religion oder Ethnie, die immer ausschließend sind.
Dabei müssen die Menschen abgeholt werden, damit sie erfahren, wie gut und offen Demokratie sein kann. In Analogie zum »Verfassungsstolz«, den Jürgen Habermas einmal mit durchwachsenem Erfolg propagierte, könnte vielleicht ja sogar ein »Demokratiestolz« ein Gefühl von Gruppenidentität bieten. Es ist nämlich tatsächlich erstaunlich, wenn es gelingt, all die Interessenskonflikte, die sich in einem Land auftun, gewaltfrei und ausgleichend zu lösen. Wenn dies auch nicht immer zur vollen Befriedigung aller Beteiligten gelingen kann.
Vielleicht muss man das Aushalten von Widersprüchen und die immer ein wenig unbefriedigenden demokratischen Aushandlungsprozesse erst einüben. Gertraud Diendorfer zitiert dazu Oskar Negt: »Die Demokratie ist die einzige Regierungsform, die tagtäglich geübt werden muss.« Und deshalb gehört sie in die Schule als Unterrichtsfach gelehrt und all wir anderen demokratieliebenden Bürger*innen sollten fleißig mitüben. Die Demokratiewoche bietet ausreichend Gelegenheit dazu. Unbedingt vorbeischauen!
Link: https://buendnis2025.at/demokratiewoche-buendnis-2025/











