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An der Salami klebt Butter: Blixa Bargeld

Im Rahmen von Ephemeropterae, dem von Boris Ondreicka and Daniela Zyman kuratierten Performanceprogramm der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary TBA21, wurde Blixa Bargeld im September 2013 zu einem ephemeren Spoken-Word-Abend in den Wiener Augarten geladen.

Bereits seit den 1990ern lotet er mit seinen Solo Vocal Performances - als Nebenprojekt zu den Einstürzenden Neubauten - sowohl den Nuancenreichtum als auch die Grenzen von Sprache und Musik aus. Die Songs auf dem 2013 erschienenen Album »Still Smiling«, das Bargeld in Zusammenarbeit mit dem italienischen Komponisten und Multiinstrumentalisten Teho Teardo produzierte, muten durch die kammermusikalische Instrumentierung und die autobiografischen Texte geradezu intim und filigran an. skug traf ihn zum Interview.

skug: Das aktuelle Album »Still Smiling« ist gemeinsam mit dem italienischen Musiker und Komponisten Teho Teardo entstanden. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Blixa Bargeld: Vor ein paar Jahren machte ich in Italien beim Theaterstück »Ingiuria« von Claudia Castellucci vom Theaterkollektiv Socìetas Raffaello Sanzia mit, bei dem Teho Teardo für die Musik verantwortlich war. Romeo Castellucci, der Mann von Claudia Castellucci, den ich für den besten Theaterregisseur Italiens, wenn nicht sogar Europas, halte, war damals für die Gestaltung der Bühne verantwortlich. Diese Zusammenarbeit hat gut funktioniert und Teardo hat mich danach gefragt, ob ich einen Song für den Film »Una Vita Tranquilla« von Claudio Cupellini schreiben würde. Dieser Song findet sich nun auch auf der Platte »Still Smiling«, er heißt »A Quiet Life«. Meine Idee war es auch, die Platte polylingual zu machen: Deutsch, Italienisch und Englisch.

Wie fand die Annäherung an die italienische Sprache statt?
Ich hatte einen Language-Coach, der meine Aussprache verbessert hat und einen italienischen Germanisten, der in Berlin lebt und mit dem ich an den Texten gearbeitet habe. Ich habe einen Text geschrieben und von ihm übersetzen lassen beziehungsweise ihm Fragen gestellt, wie ich etwas sagen kann. Er hat mir neulich eine Email geschrieben: »Ich bin in Bologna, bin begeistert. Die Platte geht wie warmes Brot!«

Die Sprachen Deutsch, Englisch und Italienisch hören sich ja komplett unterschiedlich an. Wie geht man damit um?
Die multilinguale Arbeitsweise ist für mich nicht neu. Genau genommen ist sie das Nebenprodukt einer Arbeit mit den Einstürzenden Neubauten für die kanadische Tanzcompany La La La Human Steps aus Montréal gewesen. In diesem gemischtsprachigen Kontext – Französisch und Englisch – sollten wir für die Gruppe Stücke schreiben. Ich habe gefragt: »Ja, welche Sprache wollt ihr denn haben?« »Egal, vielleicht nicht Deutsch.« Also habe ich dann angefangen, in jedem Stück mehrere Sprachen zu verwenden. Und immer als Zugabe dann noch Latein, weil ich genau wusste, damit können sie gar nichts anfangen. Ich habe seither nie wieder damit aufgehört, verschiedene Sprachen zu kombinieren.

Wenn man einen Song schreibt, probiert man dann die unterschiedlichen Sprachen aus und geht sozusagen den unterschiedlichen Klangfarben, den Sprachmelodien nach?
Bei den Stücken mit Teho Teardo wird ja nicht nur mit Sprache gespielt, indem ich mehrere Sprachen verwende wie bei dem Projekt mit La La La Human Steps, sondern es geht ja auch inhaltlich um das Spiel mit Sprache, um die Inkorporation von Sprache. Das Lied »Mi Scusi«, mit dem die Platte anfängt, ist die vorausgeschickte Entschuldigung dafür, dass mein Italienisch nicht besonders gut ist. Es springt dann über ins Deutsche und fragt: »Kommen die Metaphern mit mir mit? Habe ich denselben Körper in einer anderen Sprache?« Die Sprache ist letztendlich oder besser gesagt als Erstes eine Verlängerung des Körpers. Die Metaphern bilden sich aus dem Körper. Das ist die größte aller Metaphern überhaupt. Aus dem Körper bilden sich die Metaphern, und daraus die gesamte Sprache.

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Blixa Bargeld/Teho Teardo. Foto: Thomas Rabsch

Bei den Solo-Vocal-Performances wird die Sprache durch das Loopen fragmentiert. Sätze oder Wörter sind nur noch als Bruchstücke wahrnehmbar. Löst sich so die Sprache auf oder ist das lediglich eine andere Art von Sprache?
Was ich in dieser Performance mache, ist ganz bewusst zwischen vielen Stühlen angesiedelt. Ich habe diese Art der Performance ursprünglich einmal für das Poetry-Festival Crossing Border in Den Haag kreiert, denn ich mochte diesen Vorgang des Dasitzens und Lesens nicht. Und es ist ja bekannt, dass ich mit einer Band arbeite, die große Materialschlachten auf der Bühne veranstaltet. Unser Equipment ist im wahrsten Sinne des Wortes sehr schwer. Und die Bühne ist vollgestellt mit diesen Sachen. Ich wollte daher einmal etwas machen, wo nichts auf der Bühne steht. Wo ich nur ein Mikrophon habe und auch auf die anderen typischen Elemente von Poetry-Festivals wie Tisch und Stuhl verzichte. Daraus hat sich etwas entwickelt, das ein bisschen zwischen musikalischer Komposition, Storytelling und Stand-Up Comedy angesiedelt ist. Ich bewundere durchaus diese angloamerikanische Form der Stand-Up Comedy. Da gibt es große Künstler. Die sind im Prinzip gar nicht lustig, aber sie sind in der Lage, einen ganzen Abend lang einen Spannungsbogen aufzubauen. Und die haben noch nicht einmal ein Loop-Gerät dabei. Ich würde mich zu der seltenen Spezies der Avantgarde-Entertainer zählen und produziere dabei Kunst, die unterhaltsam ist.

Wie lässt sich der Ablauf beschreiben? Ist es eine Mischung aus vorgefertigten Elementen, die dann im Moment neu miteinander verbunden werden?
Das ist genau die Verbindung zur Stand-Up Comedy: Es gibt gewisse Routinen. Ich weiss, was ich machen will und mein Soundingenieur Boris Wilsdorf ebenfalls. Alles andere dazwischen ist dem Moment überlassen. Ich denke, am unterhaltsamsten ist es, wenn man mir beim Denken zuhören kann.

Welche Rolle spielt dabei die technische Beschränkung?
Neulich hatten wir eine Performance in Malmö. Wir stellten fest, dass der Koffer von Boris mit dem Equipment nicht angekommen ist. Die Vorstellung fiel daher aus. Ich habe mir dann gedacht, ich muss mir unbedingt Ersatzgeräte besorgen. Wir verwenden ja Geräte, die schon lange nicht mehr produziert werden. Ich habe mir also auf eBay ein paar ersteigert, um sicherzugehen.
[Seine Frau kommt mit der fünfjährigen Tochter vorbei. Er beginnt, an seine Tochter gerichtet, zu scherzen…]
Geht ihr zum Spielplatz? Ich habe alle Fragen so beantwortet, wie du gesagt hast. Auf die zweite Frage habe ich gesagt: An der Salami klebt Butter. Das schreiben die jetzt alles.
[… und kommt unvermittelt wieder zur ursprünglichen Fragestellung zurück:]
Da haben wir dann mit der Idee zu spielen begonnen, wie wäre es, wenn wir statt den zwei Geräten vier hinstellen und die miteinander koppeln würden. Dann potenzieren sich die Möglichkeiten, man könnte mit vier verschiedenen Loop-Längen arbeiten. Wir sagten uns: »Nee, lasst uns gar nicht erst damit anfangen!« Jede Form von künstlerischer Produktion ist zunächst Beschränkung, um eine konzise Idee entwickeln zu können. Wenn wir zehn Millionen Euro Budget hätten und jedes Instrument und jegliches Equipment zur Verfügung hätten, würde das zu nichts führen.
[Seine kleine Tochter kommt nochmals vorbei, Blixa Bargeld wendet sich zu ihr:]
Soll ich jetzt auf die nächste Frage noch sagen, dass du rosarote Schuhe trägst und die blinkende Lichter haben? Muss ich ja dann wohl sagen.
[… und stellt seine Tochter nun offiziell vor:]
Das ist Anna Bargeld. Die heißt wirklich so. Meine Frau hat offiziell ihren Namen ändern lassen und heißt nun Bargeld. Und so heißt meine Tochter auch Bargeld. Und ich kann jetzt den Namen meiner Frau annehmen. Da können sich die Behörden noch so lange dagegen wehren. Wir sind verheiratet und ich heiße auch Bargeld.

Und vor der Heirat wurde der Name nicht akzeptiert?
Die hatten in Deutschland zwischenzeitlich den Künstlernamen aus dem Pass verbannt. Ich trage den Namen seit 1978 und habe ihn in meinem Pass eintragen lassen. Was übrigens eine Verpflichtung ist, wenn man in der Öffentlichkeit unter einem anderen Namen wirkt. Das habe ich gemacht. So um 2005 herum haben die sich dann plötzlich entschlossen, sie möchten jetzt den Künstlernamen streichen. Aber bei mir läuft alles auf diesen Namen: Meine Kreditkarte, alles! So habe ich dann einfach wieder den Namen meiner Frau angenommen.

Nochmals zurück zu Ihrer Aussage, dass künstlerisches Schaffen auf Beschränkung beruht. Was war die Beschränkung bei »Still Smiling«?
Teho ist überwiegend verantwortlich für die Musik. Ich habe rearrangiert und das eine oder andere daran verändert, aber die grundsätzlichen Gedanken zur Musik sind von Teho. Und offensichtlich hat er sich beschränkt, denn es gibt ja vor allem Bariton-Gitarre, Gitarre, Elektronik und Streicher. Ich glaube schon, daß er diese Instrumente bewußt für dieses Projekt gewählt hat. Es gibt ja zum Beispiel fast gar kein Schlagzeug. Wenn er Filmmusik schreibt, arbeitet Teho mit einer anderen Instrumentierung.

Die Beschäftigung mit der Stimme steht ja zur Zeit im Vordergrund. Wie sehr spielen da andere Instrumente noch eine Rolle? Wie oft greifen Sie heute zur Gitarre?
Ich war sehr lange stolz darauf, sagen zu können, keine Gitarre mehr angefasst zu haben: Das war seit ich die Bad Seeds verlassen habe. Das stimmt aber nicht ganz. Ich habe einmal auf »Still Smiling« Gitarre gespielt. Aber das ist so ziemlich das erste Mal, dass ich wieder eine Gitarre angefasst habe. Ich habe ja das Gitarre-Spielen nie wirklich gemocht. Vielleicht habe ich es einmal gemocht, aber da war ich dreizehn Jahre alt. Ich konnte mich mit der ganzen Metaphorik, auch der körperlichen Haltung beim Elektrische-Gitarre-Spielen nicht anfreunden. Die »New York Times« haben einmal geschrieben, ich spiele Gitarre, wie jemand, der auf den Bus wartet. Das fand ich gut. Möglichst nicht bewegen dabei, möglichst die Gitarre nicht weiter beachten. Keinen Klischees Vorschub leisten, die mit dem Gitarre-Spiel verbunden sind.

Darum haben Sie auch nie lange Soli gespielt?
Nicht mal kurze!

Woher kam dann aber dieser Wunsch, wieder an richtigen Songs wie auf »Still Smiling« zu arbeiten?
Ich dachte, in diesem Format passt es am besten. Wie gesagt, es hat ja angefangen mit dem Theaterspielen im Rahmen von »Inguria«, dann habe ich einen Song für den Film »Una Vita Tranquilla« geschrieben. Und dann wollten wir ein Lieder-basiertes Album machen. Es war meine musikalische Hauptaufgabe, aus den Kompositionen von Teho Songstrukturen zu entwickeln. Die mussten teilweise umarrangiert werden, um so eine Art aristotelische Logik reinzubringen: A gegen B und ein Chorus und so weiter. Manche sind auch nicht so aufgebaut, »Buntmetalldiebe« etwa folgt eher cinematografischen Narrativen.

Wurden dabei Canzoni, also italienische Chansons, als Vorbild genommen?
Nein. Aber es gibt noch viel mehr Stücke, als jetzt auf dem Album zu finden sind. Unter anderem arbeiteten wir auch an einer italienischen Cover-Version von »Crimson and Clover« von Tommy James & The Shondells, die 1969 Nummer 1 in den italienischen Charts war: »Soli si muore« von Patrick Samson. Es macht einen Heidenspaß, dieses »Soli si muore« in Italien zu spielen. Das italienische Publikum war ja auch zu den Einstürzenden Neubauten stets sehr gut. Und wir haben Italien immer sehr gut bedient, wir haben dort öfter gespielt als in anderen europäischen Ländern. 

Wurden die Stücke auf »Still Smiling« für ein 1367529121_teho_teardo_blixa_bargeld_still_smiling_2013.jpgspezielles Publikum geschrieben?
Nein. Ich sehe die Stücke als kammermusikalische Lieder. Das bedeutet, dass die Texte sehr persönlich und intim sind. »Still Smiling« ist knallhart autobiografisch. Zum Beispiel bei »Come up and see me«. Das waren zwei verschiedene Gedankenströme. Die erste Hälfte habe ich in Rom auf einem Hoteldach mit einem Aperol Spritz geschrieben; in einer Gegend hinter dem Bahnhof namens Mercato Esquilino – bis vor kurzem eine ganz heruntergekommene Gegend -, bis dann die Chinesen kamen. Jetzt ist es so etwas wie das Chinatown von Rom. Einen Monat später bin ich in Berlin in meiner Küche gesessen, möglicherweise wieder bei einem Glas Aperol Spritz, und habe die andere Hälfte geschrieben. Da kam plötzlich dieser Mae-West-Satz: »Come up and see me sometime«. Und »Are you just happy to see me or is that a gun in your pocket?« Was sie nicht alles für wunderbare One-Liner gesagt hat! Die beiden Sachen zusammengefügt ergaben dann etwas Drittes, vollkommen Neues. Eben auf die Dächer von Rom zu gucken und zu sagen: »Come up and see me«. Dann waren Tehos und meine Familie in Sardinien in einem Ferienhaus. Während dieser Zeit wurde in Rom in seine Wohnung durch ein ganz kleines Fenster eingebrochen. Daher die Textzeilen: »Die Junkies steigen über die Dächer in die Häuser ein. Kleine Kids die durch kleine Fenster passen.« Der Trick ist ja: Um irgendetwas Neues und Ûberraschendes zu erzeugen, muss man einfach erst mal zwei Elemente kombinieren, die zuvor noch nicht kombiniert wurden. Die Zitate von Mae West alleine ergeben etwas ganz anderes als in Kombination mit der Geschichte vom Mercato Esquilino. Dazwischen habe ich die ganzen Fernsehkanäle aufgelistet, die ich in meinem Hotelzimmer empfangen konnte. Und zwar nur die, die Berlusconi gehören oder gehörten. So, und jetzt entzaubere ich das ganze Stück: »The man who screwed the whole country« war auf einem Titelbild mit Silvio Berlusconi von »The Economist« zu lesen. Ich würde dies aber nicht als Collage bezeichnen, denn die Ränder verschwinden ja.

Wie stark ist diese Art des Textens dadaistisch beeinflusst?
Ich bin sicher, dass man diese Vorgehensweise nicht auf den Dadaismus beschränken muss. Sie ist noch nicht einmal eine künstlerische Technik. Sie ist einfach ein Naturgesetz. Zur Produktion einer neuen Idee muss man an alten Ideen herumspielen und sie miteinander neu verknüpfen. Dann tut sich vielleicht eine Tür auf oder auch nicht. Ich weiss nicht, ob das jetzt Dadaismus ist oder ob das die Dadaisten als Erste begriffen haben.

Nun abschließend ein paar Worte zum letzten Stück der Platte »Defenestrazioni«?
… ganz am Ende persifliere ich schlechte Interviews.

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Foto: Magdalena Blaszczuk

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