Die ›Herrenpolitik‹ des späteren Nationalsozialismus wurde bereits in den Kolonien eingesetzt und in den ersten Vorformen der Konzentrationslager in Deutsch-Südwestafrika (1894-1915, heute Namibia) an den Hereros mörderisch getestet. Reichskanzler Otto von Bismarck sandte den Ersten Reichskommissar Heinrich Göring, den Vater des späteren Nazi-Reichsmarschalls, nach Südwest- afrika. »Der Völkermord an den Hereros ist der erste historische Genozid deutscher Kolonialherren in Afrika. Er ist ein Vorbote für die späteren Ereignisse, die mit dem Holocaust 1939-1945 endeten«, schreibt Pierette Herzberger-Fofana in ihrem spannenden Buch »Berlin – 125 Jahre danach. Eine fast vergessene deutsch-afrikanische Geschichte« (Wien 2010). Eine wichtige Inspiration für das Festival war auch der südafrikanische Künstler William Kentridge, der sich ebenfalls mit diesen Verbindungen zwischen dem Herero-Genozid und dem Holocaust auseinandersetzt.
skug lädt zur Teilnahme an der aktiven Erinnerungsarbeit mittels Jazz, Experimental, Bikutsi und »Falasha-Memories«.
Mit dem Festival Polska skug A radikal, das letztes Jahr anlässlich der 100. Ausgabe von skug statt- fand, rückte eigenwilliges, experimentelles Klangforschen mit Bezug auf in der Shoah wurzelnde Traumata ins Zentrum. Es gelang für die Stadt Wien Neues: Besonders junge Frauen der dritten Generation nach der Shoah – die Enkelinnen der Geflüchteten, Ûberlebenden und Ermordeten -, aber auch Personen der zweiten Generation waren sowohl als Artists wie auch als Publikum dabei. Außer- halb des engen Klezmer- und Misraelipop-Bogens wurden zusätzliche musikalische Ausdrucksmittel gefunden. Es geht um Schmerz und Aufbruch – ein Umkreisen, eine quasi Integration des Schmerzes. Eine Selbstermächtigung, aber auch eine Abgrenzung von den Traumatafolgen der Großeltern- generation und den eigenen Eltern.
Siehe dazu auch das Editorial von skug #104.
Programm
Dienstag, 3. November, ab 20 Uhr
Bisrat Melaku-Wolde/Endale Getaneh/Netsanet Girma
Der Sänger Endale Getaneh (Äthiopien/Norwegen) interpretiert in seinen »Memories« genannten Liedern die Gedichte der äthiopischen Juden, der Falasha. Bisrat Melaku-Wolde und Netsanet Girma improvisieren tänzerisch zu diesem poetischen Programm.
Bisrat Melaku-Wolde/Endale Getaneh/Netsanet Girma
Mia Zabelka/Zahra Mani/Linda Sharrock
Die E-Violinistin Mia Zabelka improvisiert mit Zahra Mani (electronics, b), die nur eigens aufge- nommene Sounds (siehe den Artikel »Das Ungespielte, das absolut immer mitspielt«; Link unten) verwendet. Dazu singt die Afroamerikanerin Linda Sharrock speziell zum Holocaust wortlose Melo- dien, Laute und Geräusche, sie »gibt das Trauma der Vorgänge, die ihrer Meinung nach zur Shoah führten, aus ihren eigenen Traumata heraus direkt und authentisch wieder« (© Mario Rechtern). Mia Zabelka dienen Gedichte ihrer Vorfahren als Inspiration ihres akustischen Solos. Ihr Spiel wird kollektives Gedächtnis und kollektive Verantwortung in Bezug auf die Shoah und die Gegenwart reflektieren.
Die in Philadelphia geborene Linda Sharrock tauchte von 1964 bis 1981 tief in die New Yorker Kulturszene ein und war anschließend in der Türkei, Australien, Österreich und Korea aktiv. Seit 2012 nimmt sie die Fäden aus ihrer New Yorker Zeit wieder auf und verwebt sie mit MusikerInnen aus Japan, Frankreich, Marokko, England, Slowenien, Türkei und Österreich »mit dem Erlebten«, zu einem besonderen Geflecht.
Ravid Kahalani – Solo & Support: Maria Petrova, Franz Hautzinger, Didi Kern
Der aus Isreal stammende yemenitische Sänger (Yemen Blues Band) komponierte Stücke speziell fürs Festival und bringt seine Songs aus Israel. Zusätzlich wird er mit dem Experimental-Trompeter Franz Hautzinger improvisieren. Weiters dabei: die Schlagzeugerin Maria Petrova (Madame Baheux, Wiener Tschuschenkapelle) und Didi Kern, Drummer bei BulBul, Wipeout uva.
Ravid Kahalani © Highlineballroom
Danach: DJ Kramuri
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Mittwoch, 4. November, ab 20 Uhr
Gere Teklay und Okbay Abadi
Der in Wien lebende Sänger und DJ Gere Teklay aus Eritrea wird Songs aus seinem muslimischen, orthodoxen und jüdischen Heimatland singen, aus dem gerade sehr viele Menschen flüchten. Begleitet wird er von Okbay Abadi auf dem traditionellem Instrument Krar. Und gibt es auch einen Flüchtlingssong.
JUUN und Mamadou Diabate
Ein erstaunliches Experiment: Pianoguts, die Innenteile eines Klaviers, gespielt mit diversen Schlegeln, zu den Melodien eines Sambla-Balaphons. Holzbretter treffen auf Kürbisse, seltsame Geräusche auf Melodien, die Sambla-Sprache auf ein neues, selbst erfundenes Instrument zwischen Rhythmus und Melodie.
Roman Grinberg/Jon Sass/Sasha Danilov
Ein Aufeinandertreffen von afrikanischer und jüdischer Musik – mit Tuba, Klavier und Klarinette. Jon Sass, Roman Grinberg und Sasha Danilov spielen, improvisieren und experimentieren auf der Bühne in einer ungewöhnlichen Besetzung. Sowohl eigene Komposition als auch Traditionals werden zu hören sein – die Musik als Brücke zwischen Kontinenten, Kulturen und Religionen.
Jon Sass © Florian Fusco
Roman Grinberg © Max Moser
Sasha Danilov © Max Moser
Danach: DJ Gere
Eintritt: Spende erbeten
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Africa Shoah Memory Music Festival is a festival for musicians who are children of parents or grandparents, who were victims of the Shoah. The festival gives these children the possibility to experiment on more musical generes, like Experimental Avantgarde, Jazz, poems with music, Punk … to find new perspectives on life, in this case with African or Arab Jews or other African musicians.
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Veranstaltungsort: Fluc. Das Fluc befindet sich direkt am Praterstern, kurz vor Straßenübergang zum Prater
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Mit freundlicher Unterstützung von