Wer bereits ein paar CDs aus der elektroakustischen Experimentalabteilung in Händen gehalten hat (äußerst unwahrscheinlich, ich gebe es zu), wer die dazu gehörigen Presseaussendungen vor allem gelesen hat, der wundert sich vielleicht, wie es bei einer doch sehr speziellen und aufgrund ihrer globalen Verstreuung eher unüberschaubaren Musikszene so viele »Pioniere«, so viele »prominente Vertreter« und nicht minder viele »unglaublich einflussreiche Mitstreiter« geben kann. Tja, vielleicht gerade deswegen ?? 😉 Anyway, in diesem Fall stimmt es wirklich. Wir haben es mit zwei experimentellen Urgesteinen zu tun. John Tilbury (Jahrgang 1936) ist weltweit renommierter Interpret moderner Klassik und selbst Komponist, der Gitarrist Keith Rowe (Jahrgang 1940) wiederum hat schon in den 1970ern die Gitarre von allem überflüssigen Beiwerk befreit (Korpus, Harmonien, Tonabnehmerbestandteile ??). In beiden Fällen sind die wilden, die ohrenstürmerischen Jahre also tendenziell vorbei, weswegen es gar nicht verwundert, dass die erste Hörer(Innen)pflicht auf »E. E. Tension and Circumstance« das noch genauere, noch aufmerksamere Hinhören ist. Denn anfangs hört man vor allem Knistern und Rauschen, Gitarrennebengeräusche aller Art also, und hin und wieder einen dahingehauchten, einzelnen Klavierton. Das wird mit der Zeit dichter und dichter, bleibt aber sehr stimmig, sehr unmittelbar. Die Heranführung an das Instrument durch elektronische Verstärkung und Brechung ist offenkundiges (weil unmittelbar zu hörendes) Prinzip, was wiederum die Vorzüge eines schönen, gereiften Alterswerks verrät, das sich jenseits aller Konventionen als äußerst persönliches Statement versteht (bis hin zur nachgeahmten Handschrift der Mutter am Cover). Das ist Experimentalmusik von seiner hörenswertesten, deswegen aber nicht weniger abstrakten Seite. ?brigens, es handelt sich um ein 58-minütiges Stück, also für die Gelegenheitshörerin wohl doch eine ziemliche Herausforderung.
Keith Rowe & John Tilbury
»E. E. Tension and Circumstance«
Potlach
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