© Tina Hochkogler
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Diskutieren mit Diktatoren

Warum die Masse der Immobilen, die freiwillig zum (Gratis-)Boulevard greift, einen Präsidentschaftskandidaten, der seine Diskussions-Zerstörungs-Trainee-Zeit von seiner Website strich, auf den Leim ging und vermutlich gehen wird.

Hunter S. Thompson sagt: Es gibt zwei Arten gesellschaftlicher Entwicklungen, einerseits frustrierende und andererseits beängstigende. Dem Erfolg von Norbert Hofer muss zugestanden werden eindeutig beides zu sein. Da er nach den unfassbaren 49,7 % wohl bald als Kanzlerkandidat der FPÖ zurückkehren wird, will sich »thinkable« Hofers angeblicher Stärke einmal zuwenden: seinem immer wieder allseits gelobten »rhetorischen Talent«.

Talent oder gar Kunst sind hier allerdings kaum zu finden, denn es sind eher recht plumpe und teils schäbige Tricks am Werk. Tricks die im Ûbrigen uralt sind. In der Antike waren sie bekannt als Sophismus. Arthur Schopenhauer hat sich im frühen 19. Jahrhundert einmal drangesetzt die Kniffe zusammen zu fassen unter dem Titel: »Eristische Dialektik« – als ›die Kunst Recht zu behalten wenn man im Unrecht ist‹. Die Mechanismen sind also altbekannt und ihre Wirkung wird gerne übertrieben, indem sie z. B. auf die vermeintlich ›naturwissenschaftliche‹ Ebene des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) gehoben werden. Dies ist selbst wiederum ein rhetorischer Kniff, weil Wissenschaft Ehrfurcht – vielleicht sogar Angst – erzeugen soll. Nur muss die Naturwissenschaft gar nicht bemüht werden um die Kniffe, derer sich Norbert Hofer bedient, einmal aufzuzeigen.
Hier ein – selbstverständlich – unvollständiger Ûberblick als vorsorgliche Maßnahme gegen den neuen blauen Führer in spe.

Liste der Tricks

Unterbrechen. Sobald ein gegnerisches Argument sich entwickelt und Wirkung entfalten könnte wird ins Wort gefallen und unterbrochen. Kommt die gegnerische Partei, frustriert durch die Unterbrechung, später darauf zurück, dann wird ihr Argument sicherlich weniger wirksam sein, schließlich wurde das Thema ja schon behandelt. Der Kniff des Unterbrechens wird gerne kaschiert indem das Nicht-ausreden-lassen den verzweifelten Gegnern vorgeworfen wird, die sicherlich bald durch all die Unterbrechungen die Geduld verlieren und tatsächlich ihrerseits zu unterbrechen beginnen. Die ›Meisterinnen und Meister‹ dieser Methode achten darauf, dass sie, während die anderen reden, immer teilnahmsvoll und freundlich lächeln – bis zur nächsten Unterbrechung.

Bei unangenehmen Themen einfach wechseln. Ingrid Thurnher spricht in der ORF-Debatte Norbert Hofers demagogische Auftritte unter »Seinesgleichen« an, die dem um ein präsidiales Auftreten bemühten Kandidaten schädlich werden könnten. Wer ist der richtige Norbert Hofer fragt sie, jener hier im Fernsehstudio oder jener im Bierzelt. Hofer unterbricht: »Was haben sie gegen Bierzelte, Frau Thurnher?« Sie hätte statt Bierzelt, Wirtshaus, Wirthaushinterzimmer, Turnhalle, Mehrzweckhalle sagen können, es hätte ihren Gedanken, ihre Frage nicht verändert, aber nun muss sie mit Hofer über Bierzelte reden und sich beeilen zu sagen, dass sie nichts gegen Bierzelte oder gar Bier habe. Hofer hat einfach das Thema gewechselt. Kommt Thurnher später auf ihre eigentliche Frage zurück wirkt sie plötzlich pedantisch und nachtragend.

Verschleppen und Abwandeln. Ein anderer hiermit zusammenhängender Trick war häufig im US-Vorwahlkampf zu beobachten. Eine unangenehme Frage z. B. zur wenig erfolgreichen wirtschaftlichen Bilanz der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Carly Fiorina bei Hewlett-Packard wird von dieser so lange mit ausweichenden Phrasen beantwortet bis die meisten die eigentliche Frage vergessen haben. Dann wird die Frage von der Gefragten selbst neu formuliert (in diesem Fall recht plump) in dem sie in etwa sagte: »Ja sie haben mit ihrer Frage recht, es gibt viel zu tun, um die amerikanische Ökonomie wieder flott zu machen, ich glaube ich habe die besten Ansätze dazu.« Das wollte nur niemand von ihr wissen.

Die falsche Schlussfolgerung. Um den eingestandenermaßen richtigen Gedanken der Gegner zu entkräften werden deren Aussagen bewusst falsch zusammengefasst und dann die selbst erzeugte Falschheit bekämpft. Erlauben sich »Gutmenschen« den Hinweis, dass die überwiegende Mehrheit von Flüchtlingen nicht straffällig wird, dann wird dies von »Bösmenschen« gern mit der rhetorischen Frage beantwortet: »Sollen sich die Flüchtlinge nicht an unsere Gesetze halten müssen?« Bei manchen Zuhörern wird nur letzteres hängen bleiben: Die »Willkommenskultur« will also den Flüchtlingen alles durchgehen lassen.

Was tun?
Diese (Ab)-Art der Rhetorik und die damit verbunden Tricks können genüsslich ein Leben lang studiert werden. Das Feld der feinen Schläuen ist unübersichtlich riesig und intellektuell ermüdend. Schopenhauer brach die Arbeit an seinem Werk darüber ab. Im Aufzählen aller Tricks und fragwürdigem Systematisieren liegt kaum Erkenntnis, denn die Kniffe gleichen einander und sind bloße Abwandlungen des immer gleichen Versuchs: die eigene Linie betonen, die der Gegner durchschneidet. Gezieltes Missverstehen möglichst wirkungsvoll inszenieren.

Dumm ist Folgendes: Seit der Antike ist bekannt, dass es gegen Sophismus, gegen rhetorische Tricks und deren Anwendung keinerlei Gegenmittel gibt. Wenn sich ein Mensch oder eine Gruppe dazu entscheidet diese zu nutzen, dann ist kein Kraut dagegen gewachsen. Wer moralisch flexibel genug ist (und solche finden sich in allen politischen Parteien) kann sich dieser Methoden bedienen und wird damit gewisse Erfolge erzielen. Aber eben nur gewisse, denn die Wirkung rhetorischer Schläue wird auch den Dümmsten irgendwann aufgehen und ihnen missfallen. Jörg Haider war lebenslang immer die Nummer eins der am wenigsten glaubwürdigen Politiker. Diesen ›Erfolg‹ hatte er sich sicherlich auch durch die Wirkung seiner nur oberflächlich effektvollen Rhetorik gesichert. Selbst die eingefleischten Fans glauben ihren blauen Helden nicht. Das Argument verbreiten FPÖ-Politiker selbst ununterbrochen: »Die Menschen sind doch nicht blöd«. Allerdings nützt dies realpolitisch nichts, weil allzu gerne die richtige Ahnung zu Gunsten ideologischer Konstrukte (›Österreich zuerst!‹) verdrängt wird. Aber das ist keine Frage der Rhetorik mehr.

Gegenrezept: Mehr Demokratie
Das einzige echte Gegenmittel gegen Kampfrhetorik läge in einer mehr entfalteten Demokratie. John Dewey gab eine einfache Losung dazu aus: »Alle Institutionen müssen demokratisch kontrolliert werden!« Industrie, Medien, Sicherheitsapparat und auch z. B. die Werbung. Der gewisse Erfolg der vermeintlichen ›Rhetorikmeister‹ liegt auch schlicht darin, dass ohnehin meist nur gequasselt werden kann und allenfalls Deutungsmacht errungen wird. Die eigentlichen Entscheidungsprozesse laufen währenddessen klandestin ab. Der Versuch der FPÖ, mehr Volksbefragungen und mehr direkte Demokratie einzuführen soll übrigens die geheime Klüngelei nicht etwa bekämpfen, sondern verstärken. Es ist ein einziger riesiger rhetorischer Kniff. Die Führung denkt sich aufpeitschende Fragen aus und alle diskutieren sich die Köpfe heiß, während gleichzeitig im Geheimen gemacht wird.
Das Problem, das unserem System zu Grunde liegt: Ûber die entscheidenden Fragen, etwa Eigentumsverhältnisse, kann nicht abgestimmt werden. In diesem Bereich sind alle Entscheidungen »alternativlos« wie einmal eine freundliche Dame aus Germanien gesagt hat.

Home / Kultur / Thinkable

Text
Frank Jödicke

Veröffentlichung
23.05.2016

Schlagwörter

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