Die überdachte Holzbühne und die Besuchergalerie der Location wären für Vintage-Fans auch ohne Musik eine Reise wert. Nun ja, viel abgewetterte Grandezza steckt aber auch in der Musik. Alles schon einmal dagewesen und doch immer wieder neu zusammengewürfelt und -gespielt. »Spontanes Komponieren«, das Motto aus der Headline, stammt vom heuer am 3. März 81-jährig verstorbenen Misha Mengelberg, dem einzigartigen Pianisten/Komponisten/Improvisator, der in Amsterdam den Instant Composers Pool (ICP) mitbegründete. Das ICP Orchestra wird das meisterliche Werk Mengelbergs, das, wie der Begriff instant composing schon andeutet, Form und Struktur trotz augenblicklichen Interagierens keineswegs links liegen ließ, gebührend würdigen. Und mit Han Bennink, dem Schlagwerkrabauken, der gerne auch Bühnenbretter und sonstiges Herumliegendes/Stehendes einbezieht, sowie Tobias Delius werden zwei Musiker des ICP Orchestra auch fremdgehen: Bennink im Duo mit dem Klarinettisten Joris Roelofs und Tobias Delius als Mitglied des Holz-/Blechbläserquartetts Matagi Ili, dem Thomas Berghammer vorsteht und Frank Gratkowski und Sebi Tramontana gleichfalls nahestehen.
ICP Orchestra (c) Francesca Patella
Vandermark, Lake, McPhee, Gustafsson
Hochrangige Gäste sind einmal mehr Ken Vandermark, Oliver Lake und Joe McPhee. Der Chicagoer Weltenbummler Vandermark kommt dieses Mal mit einem Quartett feat. Steve Swell und die norwegische Rhythmusachse bilden Jon Rune Strøm & Paal Nilssen-Love. Oliver Lake, Mitglied der Black Artists Group St. Louis und des World Saxophone Quartet, wird mit dem Schlagzeuger Donald Robinson (San Francisco Bay Area) auftreten. Joe McPhee huldigt mit seinem Memorial Quartet (Daunik Lazro, Jean-Marc Foussat und Makoto Sato) seinem Vorbild Clifford Thornton und wird auch im Duo mit zu hören sein. Nickelsdorf ist dank Liebe zur Wahlheimat des begnadeten schwedischen Saxophonisten geworden, und besonders schön ist, dass auch sein zweites Duo in der ästhetischen einmaligen Steinarena des Kleylehofs zugange sein wird. Luft heißt es, wohl auch eine Anspielung auf den Blasebalg des bretonischen Dudelsackspielers Erwan Keravec.
Salzer-Stadl, Kleylehof, katholische Kirche
Was gleich zu einer weiteren Außenstelle der Konfrontationen führt. Im Salzer-Stadl finden in der »Mats GustafssonSoundart«-Ausstellung Angélica Castelló, Paul Gründorfer, Lisbeth Kovacic, noid, Matija Schellander, Crossroads Thessaloniki/Christine Schörkhuber und Ute Wassermann einen »Place to Stay«. Einen solchen sollte man auch in der katholischen Kirche aufsuchen: Franz Hautzinger erkundet dort mit dem Quartett Uruk samt Klarinettistin/Sängerin Isabelle Duthoit und den Perkussionisten/Drummern Hamid Drake und Michael Zerang das künstlerische Erbe Mesopotamiens. Isabelle Duthoit agiert mit Katharina Klement in deren Trio Left. Mit dem Bassisten Matija Schellander wird darin eine facettenreiche Kammermusik zwischen Abstraktion und Energetik angestrebt. Spätestens jetzt dämmert einem, dass doch immer mehr Frauen die Männerdomäne Free Improv durchbrechen. Weitere SoundkünstlerInnen, die auch live auftreten, sind noid, der mit Klaus Filip die von Filip entwickelte Software ppooll nutzt, um einen elektronischen Dialog mit den Schweizer Bläsern Christian Kobi und Hans Koch zu führen, sowie Birgit Ulher und Ute Wassermann, die mit Richard Scott als Radio Tweets akustische Grenzbereiche ausloten.
Magda Mayas & Tony Buck © Kammermeier/Gumz
Kerbaj, Lovens-Sandell, Parker
Magda Mayas, Tony Buck und Mike Majkowski sind Sidewomen und -men im »B« Quartett von Mazen Kerbaj. Der Beiruter Trompeter und Festivalorganisator verdankt diese Combo einem DAAD-Stipendium in Berlin. Einen bezeichnenden Gruppennamen hat die portugiesische Trompeterin Susana Santos Silva gefunden: Life and Other Transient Storms. Juveniler Sturm & Drang, ausgefuchst ausgeführt mit den SkandinavierInnen Lotte Anker, Sten Sandell, Torbjörn Zetterberg und Jon Fält. Old School dagegen, und doch verwegen: Paul Lovens im Duo mit dem schwedischen Pianisten Sten Sandell.
Oh, beinahe hätte ich einen großen unterschlagen: Die Musik des Saxophonisten Evan Parker wird mit Live-Elektronik, Computertechnologie und Sound Processing im Projekt Trance Map + in neue Klangsphären gebeamt. Es assistieren: Matthew Wrigth, Sound Artist in between Konzert- und Club-Kultur, Adam Linson am Kontrabass und Spring Heel Jack, ein Duo mit DrumʼnʼBass- und Jungle-Roots.