skug gibt es seit bald 35 Jahren. Cool, oder? Das wollen wir demnächst auch angemessen feiern (nämlich beim Salon skug am 7. November 2025 im rhiz). Allerdings schwant der skug Redaktion ein wenig, dass nicht unbedingt alle gerade so richtig doll in Partystimmung sind. Beim Blick in die Nachrichten kann einen das Gefühl beschleichen, bald den Verstand zu verlieren. Eine geradezu natürliche Reaktion auf das nahezu ununterbrochene Bombardement mit Ereignissen, die vor einem dreiviertel Jahr noch als ausgeschlossen hätten gelten dürfen. Ein Teil der Schwierigkeit ist, dass sich kaum mehr ein Überblick finden lässt. Dementgegen ein wagemutiger Versuch, es dennoch zu tun.
Aufbruch, anyone?
In den letzten Jahrzehnten hat sich ein tüchtiger gesellschaftlicher Rechtsruck ereignet. skug bemüht sich, diese Entwicklung mitzustenografieren, und muss dabei konstatieren, dass dieser Drift nach rechts nicht zu trennen ist von den Regierungsleistungen der nominell linken und gesellschaftlich progressiven Kräfte. Machen wir mal eine Liste der angeblich »linken« Regierenden, die in den letzten 35 Jahren in jenen Ländern an der Macht waren, in denen skug gelesen wird oder auf die wir uns in der Berichterstattung am meisten beziehen: Gerhard Schröder, Tony Blair, Franz Vranitzky, Bill Clinton, Werner Faymann, Alfred Gusenbauer, Olaf Scholz, Barack Obama. Uff, das ist noch nicht mal vollständig, aber das Gefühl ist bereits recht eindeutig, die Liste ist ein Who’s who der bestenfalls milden, teils aber herben Enttäuschungen.
Es gibt dieses nicht unbegründete linke Gefühl, dass, selbst wenn es einmal gelingt, eher linke Kräfte an die Macht zu bugsieren, die dann in ihrer Position nahezu nichts durchsetzen können. Hier sollte durchaus zwischen Macht- und Gesellschaftspolitik unterschieden werden, dennoch gaben die letzten Jahre das Gefühl, dass die Linke verliert. Das mag im Detail unfair sein, aber es fehlt in diesen Tagen fraglos linke Aufbruchstimmung und Dynamik. Es schleicht sich der Eindruck ein, als hätten wir, wie es der britische Filmemacher Adam Curtis ausdrückt, die Zukunft hinter uns. Das ist kein gutes Lebensgefühl.
Die Rechte gibt die Linie vor
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist die Stimmung zwar auch im Keller, es scheint aber voranzugehen, zumindest was den Machtzuwachs betrifft. Und gleichzeitig wächst die Bereitschaft, Normen zu sprengen. Die Kräfte der Rechten konnten den Diskurs gravierend verändern. Konservative reden heute wie rechtsextremistische Agitatoren vor 35 Jahren. Fun Fact: Als skug gegründet wurde, lenkte die ÖVP ein heute gründlich vergessener Mann namens Josef Riegler, der sich für etwas einsetzte, das er »ökosoziale Marktwirtschaft« (!) nannte. Heute hingegen redet die ÖVP so, dass ein per Zeitmaschine aus dem Jahr 1990 herbeitransportierter Jörg Haider sagen würde: »Habt ihr keine anderen Themen?« Es geht nahezu nur mehr um »den Schutz unserer Kultur«, Ausländerkriminalität, Härte gegen Straftäter, Abschiebungen, Kampf gegen die Migration, muslimische Parallelgesellschaften etc. – denn das zieht an der Urne.
Es sei jedem denkenden Menschen verziehen, wenn er oder sie die Kraft verloren hat, über Trump nachzudenken. Der »Erfolg« seiner Politik ist aber leider evident. Die FPÖ steht in Österreich mit ihrem Trump-Kurs in Umfragen bei 38 Prozent und die Gegenwehr schwindet. Die Kärntner Sozialdemokraten schwadronieren beispielsweise davon, dass »Solidarität [gegenüber Geflüchteten] keine Einbahnstraße« sei. Damit akzeptieren sie den Trumpschen »Transaktionalismus« in seinem Kern. Die Frage lautet zugespitzt: »Was erhalte ich für meine Liebe, mein Verständnis, meine Hilfsbereitschaft zurück?« Wie abgrundtief verdorben das ist, fällt kaum noch wem auf. Die Wirkung geht allerdings tief. Die Menschen werden ihres Personen-Kerns beraubt und betrachten einander nur mehr als zu manipulierenden Faktor, mit dem man bestenfalls einen »Deal« machen kann. Für die so kleingemachten Bürger*innen heißt Diskurs nur mehr austricksen, um die eigene Macht durchzusetzen und weitestmöglich zu erweitern. Gemeinsame Ziele, eine bessere Zukunft, größere Gerechtigkeit und dergleichen scheinen vom Tisch. Das Problem: Wer seine humanistische Grundhaltung aufgibt, findet vielleicht nie mehr zu ihr zurück.
Wie miteinander reden?
In diesem Elend muss die Dopamin-Dosis permanent erhöht werden. Wie der nächste Eskalationsschritt aussieht, konnte bei der »Trauerfeier« des rechten Influencers Charlie Kirk in Arizona beobachtet werden. Kirks Ermordung am 10. September 2025 ist eine Tragödie auf vielen Ebenen. Durch den sinnlosen Mord wurde ein Mensch aus dem Leben gerissen, dem nun die Möglichkeit fehlt, umzudenken. Genau darin liegt der tiefere Sinn eines Diskurses. Allerdings nicht bei dem, was Charlie Kirk in seinem Leben tat. Er hat sich in den USA insbesondere auf linke College-Campus (gerne auch »Campi« für die Altphilolog*innen unter uns) gesetzt und zu seinen Gegner*innen gesagt: «Lasst uns diskutieren!« Sein Diskurangebot lautete: »Prove me wrong!« Diskutiert wurde dann über Grundsätzliches und ganz viel Politik. Okay, das klingt doch eigentlich nicht so verkehrt, oder? Macht skug das nicht ähnlich, wenn es zum Beispiel zu einem »Speeddating Demokratie« einlädt? Nö, ganz und gar nicht.
Bei Kirk, und genau das machte ihn so erfolgreich, geht es letztlich um Destruktion. Triumphierend wurden aus den Campus-Debatten Videoclips rausgeschnippelt, die Kirk dann millionenfach seinen Follower*innen auf TikTok, YouTube oder Instagram zum Fraß vorwarf. Die Videos hatten Titel wie »Kirk Destroying A Liberal« und das war ja auch das eigentliche Ziel der Veranstaltung: die andere Seite zu erledigen. Aufzuzeigen, wie das, was die Liberalen in den USA propagieren, völlig sinnbefreit, verbrecherisch oder zumindest haltlos naiv sei. Leider trifft dies den Zeitgeist. Wer ist frei von diesem Gefühl, dass es unsinnig scheint, der anderen Seite noch wirklich zuzuhören? Politiker*innen reagieren darauf mit Message Control und sprechen nur mehr zur eigenen Community. Soziale Medien beschränken sich auf die Meme-Produktion und fördern eine Art radikalen Narzissmus. Die Ermordung Charlie Kirks wird nun erbarmungslos politisch ausgenutzt. Von der anderen Seite wird energisch Pietät eingefordert, während man selbst polternd gegen die »Radical Left« oder den »Enemy Within« vorgeht und sogar die Verfolgung der »Antifa« fordert. Freie Rede heißt, unsere Leute dürfen ihre Meinung sagen, während die anderen nur mehr zu nicken haben. Denn sonst sind sie ihren Job los oder werden sogar eingesperrt und gegebenenfalls des Landes verwiesen.
Eine gemeinsame Debatte
Noch ist es in Europa nicht ganz so schlimm, aber die gerade in den USA erprobten Methoden können schnell Schule machen. Wie vor dem Hintergrund einer derart polarisierten und gehässigen Öffentlichkeit noch debattieren? Nur, es wäre nicht das Jahr 2025, wenn nicht alles noch ein bisschen komplizierter wäre. Jüngst stellte US-Senator Bernie Sanders seine Landsleute vor eine Entscheidungsfrage: »Wollen wir die Zeit jetzt noch nutzen, um eine gemeinsame Debatte über unsere Zukunft zu führen, oder geben wir die Macht in die Hände einiger weniger Männer, die an einer Roboterwelt basteln?« Denn die KI droht unser Leben, unsere Arbeit und unsere Demokratie aus den Angeln zu heben. Mit dem KI-Boom werden uns die falschen Ziele aufgezwungen, denn diese Gesellschaft muss nicht effizienter werden, sondern gerechter.
Aber wie lässt sich mehr Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Ausgleich erreichen? Ein simples Patentrezept, das sich mit drei bis vier Bullet Points auflisten ließe, kann es nicht geben (auch wenn ChatGPT dies sicherlich behauptet). Die Lage ist kompliziert und verworren und muss zunächst als solche akzeptiert werden. Wer sich aber dieser autoritären Welle entgegenwerfen will, sollte sich zunächst einmal organisieren. Dafür gibt es eine ganze Menge guter Ansatzpunkte. skug unterstützt deshalb beispielsweise das Bündnis 2025 und wird an der »Demokratiewoche« teilnehmen. In diesem Rahmen laden wir am Freitag, dem 24. Oktober 2025 mit Ja Demokratie von 18:00 bis 21:00 Uhr ins Museumsquartier (Raum D). Teile der skug-Redaktion dürfen »live« erlebt werden. Lasst uns an einem andern, einem demokratischen Diskurs bauen! Mehr Infos dazu gibt es hier.











