»Bajo«

Ich fange von hinten an: Dieses Album ist Silvia Fässler gewidmet, der 2021 früh verstorbenen Musikerin, deren Diskographie – die nur das 2008 auf Editions Mego erschienene Skylla-Projekt gemeinsam mit Billy Roisz umfasst – ihrer Bedeutung für die Wiener Experimentalmusikszene nicht gerecht wird. Das Fehlen ihrer Offenheit, Begeisterung und Neugier, aber auch ihre Rolle als mutige Vorreiterin durch unerforschte Klangräume hinterlässt eine große Lücke. Mit »Bajo« setzt Billy Roisz den Weg von Skylla fort: kein Vermächtnis, aber doch die Fortführung feministischer Klangforschung ohne Kompromisse; eine Forschung, die sich ihr Feld autonom formuliert, dabei auf den Vortrag von Virtuosität verzichtet und stattdessen auf die Präsenz von Klanglandschaften setzt, die hier im Mittelpunkt stehen. Der Bass zerbröselt zu klingenden Scherben, das metallische Schaben verliert sich wiederum im Bass. Der (soziale) Raum des Studios bestimmt subtil die Atmosphäre, die Töne verlieren sich in seiner Resonanz. Hin und wieder tauchen rhythmische Elemente auf und so schnell wieder ab, wie sie sich zuvor aus den Klängen herausgeschält haben. In ihrer Einfachheit wirken sie sanft und hart zugleich, akustische Gebilde von gummiartiger Konsistenz, aber mit einem verborgenen Kern aus Blei, an denen sich das Publikum gerne die Zähne ausbeißen darf. Ganz hinten im Raum sitzt, kaum erkennbar, eine Schlagzeugerin, die bar jeder Anstrengung auf einem Becken Resonanzen auslöst, die sich zu monströsen Feedbackschleifen auftürmen. Die Verzerrungen schweben von hinten nach vorne und wieder zurück, dazu zieht Billy Roisz’ Double Bass eine Schlammspur über blaues Linoleum – zwei Schwingungen, die einander überlagern und von denen man sich nie sicher sein kann, welche die schönere ist.