Die genauen Umstände, unter denen die am 6. März 1963 mit John Coltrane aufgenommene Session verlorenging, sind nicht exakt verifizierbar. Denkbar, dass Mischer Rudy van Gelder das Tape versehentlich zerstörte, im Bereich des Möglichen auch, dass das Label unachtsam mit den Aufnahmen umging. Geklärt ist jedenfalls, dass das Band ebendieser Session im Jahr 2017 von Juanita Naima Coltranes Familie in ihrem Nachlass entdeckt wurde. Glücklicherweise hatte John Coltrane nämlich damals einen Abzug der Aufnahme mit nach Hause genommen, der dann offenbar in die Hände seiner ersten Frau gelangte.
Nach dem überraschenden Fund hieß es nur noch, u. a. für Ravi Coltrane, Sohn Coltranes aus zweiter Ehe, Hand anzulegen und das Album als Sensationsfund auf den Markt zu werfen. Rein historisch gesehen ist die Sensation tatsächlich perfekt. Kein Track hatte in dieser Form bisher je das Licht der Jazz-Welt erblickt. In musikalischer Hinsicht bekommt man allerdings lediglich einen entfesselt spielenden Coltrane zu hören, der seinem Tenor- und Sopran-Saxophon berückende Melodien ebenso entlockt wie allerlei Raues und Wildes. Je nach eigener Fokussierung entdeckt man den zu dieser Zeit gerade eben erst erblühenden Free-Jazz oder eben doch erstaunlich Solides und durchaus auch Konventionelles, genialisch vom Meister aufgefettet und zum Fliegen gebracht.
Aufregungen um etwaige Operetten-Verwurstungen und damit einhergehende Verflachungen greifen zu kurz. Das »Vilja-Lied« von Franz Lehár aus »Die lustige Witwe« wird in bewährter Coltrane-Manier verwertet, ohne allzu seichtes Gewässer zu betreten. Mit dem Gassenhauer »Nature Boy«, bekannt gemacht von Nat King Cole, streift Coltrane außerdem noch einmal an den Grenzen der Popularmusik an. Beide Tracks fügen sich aber organisch in den Gesamtkontext der Aufnahme ein. Man bekommt es hier also nicht mit der Aufweichung oder gar Banalisierung des Systems Coltrane zu tun, sondern mit dessen Bestätigung. Coltrane bedient sich virtuos aus verschiedensten Kontexten, scheut Jazz-Standesdünkel und belegt, dass so gut wie jede Melodie und jedes Motiv in das System Jazz einpassbar sind, da dieses keine Grenzen kennt, sondern sich durch explizite Verfahren und Umgangsweisen mit dem Ausgangsmaterial auszeichnet.