Nach »The Red Shoes« ließ Kate Bush erst mal zwölf Jahre überhaupt nichts von sich hören. Ihre eingefleischtesten Fans gaben sie trotzdem nicht auf. Minutiös wurde alles dokumentiert, was sich trotz dieser musikalischen Eiszeit ereignete. Die Hoffnung stirbt zuletzt ?? und nicht zuletzt blieb Frau Bush ja weiterhin beim Plattengroßkonzern EMI unter Vertrag. Eine Vertragstreue trotz ausbleibender Tonträger, die vermutlich einzigartig in der Popgeschichte ist. EMI und vor allem die Fans wurden für ihre Treue belohnt. 2003 kehrte Kate Bush mit dem meditativen Doppelalbum »Aerial« zurück. Ruhiger und zurückgenommener klang das, gereifter in einer Hinsicht, die eigentlich untypisch für Popmusik ist. Denn »Aerial« machte keinerlei Anstalten, an der jugendlichen Exaltiertheit und überbordenden Kreativität früherer Großwerke anzuknüpfen. (Die übrigens nach wie vor unterschätzt werden. »Hounds Of Love« oder »The Dreaming« gehören zu den versponnensten, überbordendsten und, ja, man muss es so sagen, »weiblichsten« Meisterwerken des Pop.) Als heuer im März der »Director’s Cut« erschien, der hauptsächlich aus überarbeiteten Tracks aus den Jahren 1989 und 1993 bestand (von den beiden, auch in ihrer Qualität sehr unterschiedlichen Alben »This Womans Work« und »The Red Shoes«), wurde einmal mehr klar, dass es Kate Bush nicht um Selbstreproduktion und Erfolgsmaximierung geht. Sie nimmt sich und ihre Musik so ernst, dass sie nicht scheut, das eigene Werk zu überschreiben. Aber nicht etwa als Disco-Remix oder Neuinterpretation, nein, die Songs wurden im Grunde vor allem 15 Jahre älter gemacht. Sie durften mit der Interpretin altern, reifer werden. Kate Bush gehört zu den wenigen InterpretInnen im Pop, die nicht der verlorenen Jugend nacheifern, sondern eine ihrem Alter entsprechende Musik machen. Es ist darum stringent, dass »50 Words For Snow« durchaus ähnlich wie der »Director’s Cut« klingt, nur noch epischer. Es ist eine meditative Nachtmeerfahrt, die an manchen Stellen wie ein Zenmusical, an anderen Stellen doch ein wenig zu ausufernd und selbstverliebt wirkt. Aber die meditative Grundstimmung dieses Konzeptalbums verlangt eben nach Redundanz, verlangt danach, dass man sich von dieser Musik anstecken, regelrecht wegsaugen lässt. Einen nicht wesentlichen Anteil daran hat die tiefer und weicher gewordene Stimme von Kate Bush, die noch körperlicher wirkt als früher. Als Zuhörer fühlt man sich diesem weiblichen Soundkörper so nahe, dass man fast schon von einer akustischen Manifestation sprechen kann. Diese Musik wurde nicht nur von Kate Bush gemacht, diese Musik ist Kate Bush. Das ist zugleich Glanz und Elend dieses Albums. Für die Fans ist »50 Words For Snow« zweifellos ein weiterer heiliger Gral, alle anderen tun sich vermutlich schwer damit. Die einzige Abhilfe: Nochmals ganz von vorne anfangen. Bei »The Kick Inside« etwa.
Kate Bush
»50 Words For Snow«
EMI
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