Clara Luzia © Marylise Vigneau
Clara Luzia © Marylise Vigneau

»20 Jahre dasselbe machen wäre langweilig«

Ende Jänner erschien Clara Luzias achtes Studioalbum »Howl at the Moon, Gaze at the Stars«, seit Ende April ist sie damit auf Tour, die sie am 17. Mai auch nach Wien führen wird. Kurz vor ihrem Tourstart im Milla in München, hatte sie noch Zeit für ein kurzes Interview mit skug.

Wir treffen Clara Luzia ca. eine Stunde vor ihrem Auftritt, die Stimmung ist ausgelassen, von Aufregung eigentlich keine Spur. Neues Album? Tourstart? Da kann man schon mal nervös werden. Möchte man meinen. Aber Clara Luzia gehört ja mittlerweile zu den alten Hasen des österreichischen Indie-Pop. Vielleicht trotzdem ein bisschen aufgeregt? Darüber werden wir gleich reden. Auch darüber, wie man denn selbst so zu seiner Kunst steht, ob man die alten Sachen noch gut findet, ob man es heute anders oder vielleicht sogar gar nicht mehr machen würde. Natürlich reden wir auch über ihr neues Album, was es so besonders macht, über ihren Schaffensprozess, so während Corona-Lockdowns, und übers Musikschreiben fürs Theater.

skug: Deine neue Platte ist ja nicht wie deine anderen Alben in einem Fluss entstanden, sondern du hast Songs rumliegen gehabt, Stück für Stück welche geschrieben. Wann genau kamst du zu dem Schluss, aus denen jetzt ein Album zu machen?

Clara Luzia: Ja, so wie du sagst, ich hab’ jetzt gar nicht geplant, ein Album zu machen, aber ich glaub’, die Initialzündung war ein Song, nämlich »The Greatest Gift«. Es gibt so manche Lieder, wenn ich die schreibe, dann denke ich mir, das ist wirklich ein gutes Lied, also für mich zumindest! Wenn ich so ein Lied geschrieben habe, dann bin ich so euphorisiert, dann will ich das auch nicht nur für meine Schreibtischschublade, sondern finde, das muss raus in die Welt und das eben nicht nur als Single, sondern da muss jetzt ein Album dazu raus.

Das Album ist ja während der Pandemie-Hochphase entstanden. Inwiefern hat der veränderte Alltag deinen Schaffensprozess beeinflusst?

Ich persönlich hatte auch während der Lockdowns gar nicht so viel Zeit. Ich habe sehr viele Theatersachen gemacht und die Arbeit ist sehr anders als das klassische Songschreiben, ich hab’ da viel mit Sounds gearbeitet und das in die Arbeit an meinen Liedern mit reingenommen, hab’ viel allein zuhause gemacht, auch gemerkt, ich kann das ja fast alles selber machen. Na ja, bis auf das Schlagzeug, dafür hatten wir dann schon einen Studiotermin. Ansonsten muss ich sagen, auch wenn Eigenlob stinkt, aber ich war wahnsinnig fleißig! Ich glaube, ich habe selten so viel Musik gemacht wie in den letzten vier Jahren. Wie schon gesagt, die Theaterprojekte, die sich auch wegen Corona ewig gezogen haben, immer wieder abgebrochen wurden, neu gestartet haben, dann noch Film, noch Hörspiel, also vieles, was jetzt nicht für Clara Luzia war, aber dadurch, dass ich sowieso so viel im Schreiben war, hab’ ich den Schwung dann gleich für die Band mitgenommen. Mir persönlich kam natürlich auch entgegen, dass viele der Projekte schon vor Pandemie-Ausbruch ausgemacht wurden, so kam ich gar nicht erst in die Stagnation. Das hat mir schon sehr geholfen, durch das alles gut durchzukommen.

Du hast ja vorhin schon dein Lied »The Greatest Gift« angesprochen. In dem Track singst du: »It takes empathy to stay alive.« In »Minimise Me« wiederum singst du davon, dass wir Menschen auf unserem schwebenden Felsbrocken ja eigentlich gar nicht so wichtig sind. Kein Widerspruch für dich? 

Ich habe befürchtet, dass diese Frage mal kommt! Du hast schon recht, dass es, wenn man sagt, wir Menschen sind eigentlich komplett egal im Universum, sehr fatalistisch rüberkommen kann. Aber die Empathie, die ich bei »The Greatest Gift« meine, bezieht sich auch gar nicht nur auf Menschen. Wir sind eben nicht das Zentrum des Universums, wir brauchen auch Empathie für Tiere, für Pflanzen, eben für unsere ganze Umwelt. Nur weil wir irgendwas nicht verstehen, heißt es nicht, dass es das nicht gibt. Also insofern, nein, ich finde eigentlich nicht, dass es sich widerspricht!

Mal eine ganz allgemeine Frage: Siehst du einen Unterschied von »Howl at the Moon, Gaze at the Stars« zu deinen anderen Alben?

Für die Hörerinnen und Hörer eigentlich nicht, aber für mich persönlich schon ein bisschen, weil ich eben alles selber gemacht und selber aufgenommen habe!

Bist du deswegen besonders aufgeregt? Oder bist du sowieso bei jedem Release aufgeregt?

Früher war ich schon immer sehr aufgeregt, aber das war jetzt das achte Album, das hat sich mittlerweile ein bisschen gelegt. Also, so richtig aufgeregt war ich nicht, aber ein bisschen nervös war ich schon, aber eher vor Kolleg*innen, weil ich eben das erste Mal gemischt habe. Ich habe keine Ahnung gehabt, ob das für die anderen auch passt, oder ob die meinen: »Oh mein Gott, was hast du für Schweinsohren?« Aber bis jetzt habe ich nichts Böses gehört!

Und wie ist es mit dem Touren? Heute ist ja Auftakt, da noch aufgeregt?

Nein, eigentlich auch nicht so. Also ich bin anscheinend schon so nervös, dass mir jedes Lied beim Soundcheck total fremd vorkommt und ich alles vergesse. Ich hoffe mal, dass das nachher nicht so ist! Also das erste Konzert ist oft ein bisschen undankbar, ich mag Routine einfach gern. Je länger ich also auf Tour bin, desto besser, dann kann ich mich entspannen. Aber München ist eh ein super Start, da ist die Stimmung immer toll und die verzeihen mir auch einiges. Glaub’ ich. Hoff’ ich. 

Noch eine Tour-Frage! Gibt es irgendeine Stadt, auf die du dich besonders freust?

Natürlich gibt’s Bühnen oder Städte, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, aber eigentlich spiele ich grundsätzlich eh nur noch Venues, die ich sehr mag, den Luxus leiste ich mir! Wie gesagt, wenn man älter wird, wird man halt ein bisschen Routine-verliebt. Und schrulliger. 

Ganz grundsätzlich: Wie stehst du zu deinen alten Releases? Findest du alles gut oder denkst du dir bei manchen Sachen: »Oh das würd’ ich aber heute so nicht mehr machen«?

Na ja, ab und zu finde ich etwas ein bisschen unangenehm. Aber ich bin da nicht zu streng mit meinem damaligen Ich. Und eigentlich, finde ich, ist es ja auch ein gutes Zeichen! Heißt ja einfach nur, dass ich mich offenbar weiterentwickelt habe! Muss nicht zwangsläufig besser sein, aber eben etwas anderes. Und 20 Jahre dasselbe machen wäre ja auch langweilig!

Letzte Frage: Hast du für nach der Tour irgendwelche neuen Projekte geplant oder ist dann erstmal Chillen angesagt? 

Nein, erstmal gar nichts. Also bis Mitte Mai bin ich ja noch auf Tour und dann gibt es den Frühling und den Sommer über schon immer wieder Konzerte, aber jetzt nichts so Festes, in einem Rutsch. Sonst wird es, glaube ich, recht ruhig. Ich werde viel Zeit bei meinen Hühnern verbringen! Da freue ich mich sehr drauf!

Danke dir und viel Spaß auf deiner Tour!

Clara Luzia gastiert am 17. Mai 2023 live im Porgy & Bess in Wien.

Link: https://claraluzia.com/ 

Home / Musik / Artikel

Text
Nils Kaiser

Veröffentlichung
10.05.2023

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