Jahreszahlen lügen nicht, deswegen ist auch wahr, dass selbst ewig junge Gesichter irgendwann auf den Fünfziger zugehen. Als Alleinvorsteher von Aztec Camera veröffentlichte Roddy Frame auf Postcard zwei Singles, die den Ruf des Labels mitbegründeten, und lieferte schon 1983 sein Meisterstück ab: »High Land, Hard Rain« ist und bleibt ein perfektes Popalbum, dem auch der Zahn der Zeit nichts anhaben konnte. Dass ein 19-jähriger Schotte aus der Vorstadthölle diese Songs schreiben konnte, grenzt an ein Wunder.
Es kam, wie es kommen musste. Eine Industrie, die damals wohl noch Geldspeicher für ihren Reichtum brauchte, erschlug auch Roddy Frame mit Angeboten, Produzenten wie Mark Knopfler und Ross Titelmann nahmen sich der Musik an, und er erreichte natürlich nie mehr den unschuldigen Glanz des Debütalbums. Mit »Somewhere In My Heart« gelang gerade noch ein ziemlich unerheblicher Hit, aber die Zeiten als Posterboy waren vorbei. Frame lebte das Popstarleben und war immerhin so gescheit, die wirklich gefährlichen Süchte auszulassen.
Die folgenden Soloalben nach der Jahrtausendwende wurden von der Kritik stets freundlich aufgenommen, verschwanden aber bald aus den Läden und aus dem Gedächtnis. Roddy Frame kultivierte die Kunst des zarten Popsongs in eine derart harmlose Richtung, dass der Vorwurf der Beliebigkeit auch der englischen Presse auskam.
Nach ein paar Jahren Verschnaufpause zeigte er sein großes Herz, als Jugendfreund und Postcard-Labelkollege Edwyn Collins einen Schlaganfall erlitt. Er war als Freund zur Stelle, und immer wenn Collins bei seinem mühsamen, aber schlussendlich geglückten Comeback einen Gitarristen brauchte, war Frame an seiner Seite.
Reife Leistung
Sein aktuelles Album »Seven Dials« – das erste seit acht Jahren – nahm Frame dann auch in Collins‘ Studio auf, und vielleicht trug die Erfahrung als unauffällige rechte Hand seines Freundes dazu bei, dass sich Frame wieder in seinen Songs selbst fand und sie der Mittelmäßigkeit entriss. Jedenfalls besann er sich im letzten Jahr auch seiner Vergangenheit und verwaltete glorreich sein Vermächtnis, als er »High Land, Hard Rain« in seiner Gesamtheit auf die Bühne brachte. Die Erwartungen waren groß, und die Rückkehr auf die Bühne, noch dazu mit seinen größten Songs, wurde von Medien und Fans bejubelt. Die aktuelle Europatour, die er solo bestreitet, ist die erste seit Jahrzehnten. Und auch wenn das Verschwinden der Musikindustrie von mancher Seite beklagt wird: es hat bewirkt, dass eher scheue Legenden wieder vor der Haustüre erlebbar werden.
Roddy Frame: »Seven Dials«
AED Rec./Rough Trade
Live am 19.02.2015 im Theater Akzent, 1040 Wien