Kultursommer Wien 2023, Contemporary Clown Collective, Reithofferpark © Theresa Wey
Kultursommer Wien 2023, Contemporary Clown Collective, Reithofferpark © Theresa Wey

Zur Genese des Wiener Kultursommers

Im fünften Jahr zur Institution geworden: Der Kultursommer Wien bietet bis 11. August 2024 ein sechswöchiges, reichhaltiges Open-Air-Programm, u. a. auf neun Bühnen und in Gärten von 29 Pensionistenhäusern. Zur Genese unterhielt sich skug mit den Geschäftsführerinnen Siglind Güttler und Caro Madl.

2020 musste es schnell gehen. Die Idee, während der Corona-Pandemie ein Kulturangebot im Freien anzubieten, wurde enorm schnell umgesetzt. Laut den Geschäftsführerinnen Siglind Güttler und Caro Madl ist der Kultursommer Wien »binnen Stunden entstanden, aus dem Büro der Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler heraus, inzwischen läuft die Kooperation zwischen Leitung und den Kurator*innen sehr gut. Sie werden alle zwei bis drei Jahre gewechselt, was neue Sichtweisen und Expertisen ermöglicht«. Im Gespräch kristallisiert sich heraus, dass Güttler und Madl dank ihrer Erfahrung den Kultursommer noch professionalisieren und verbreitern konnten und Veränderungen durchaus angestrebt werden.

Caro Madl, die vorher im Tanz- und Performance-Sektor tätig war und beispielsweise Superamas auf internationalen Tourneen begleitete, und Siglind Güttler, die in der Vergangenheit u. a. für Festivals wie die Wiener Festwochen, ImPulsTanz oder das Donaufestival arbeitete, betonen, dass es für die Genese der Veranstaltungsbühnen kein spezielles Gremium gibt. Im Team werden die infrage kommenden Plätze oder Parks ausgesucht. Wesentliche Kriterien sind: »Grundstückseigentümer, Genehmigungen, befestigter Bühnenplatz, Bühnenhöhe (wichtig bei Akrobatik), Anschluss an Wasser und elektrische Energie, witterungsgeschützte Lage, möglichst Schatten, genügend Abstand zu den nächsten Häusern, gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr …«

Kultursommer Wien 2023, Eat Slay Love, Meischlgasse © Judith Stehlik

Neue Bühnen in Meidling, Rudolfsheim-Fünfhaus und Simmering

Die fünfzehn Genre-Kurator*innen können sich wie die auftretenden Künstler*innen nicht die Bühnen aussuchen. Zuständig sind vielmehr Madl und Güttler, die abgebrüht genug sind, um das G’wirks mit den Behördengenehmigungen durchzustehen. Seit vier Jahren wurde eine Pop-up-Bühne für den Bezirk Meidling gesucht, doch aus diversen Gründen ging es nicht. Heuer ist es endlich so weit, u. a. wird dort das Max Nagl Trio aufspielen. Mit dem in der Nähe des legendären Gemeindebaus Fuchsenfeldhof, bei den Februarkämpfen 1934 eines der Widerstandsnester gegen das austrofaschistische Regime, gelegenen Wilhelmsdorfer Park wurde ein zentraler Schauplatz in Nähe des Bahnhofs Meidling gefunden. »Einen neuen Standort zu finden, bedeutet leider auch, einen alten aufgeben zu müssen.« Daher gibt es 2024 in Ottakring keine Bühne und in Simmering wurde vom Herderpark in den Hyblerpark übersiedelt. 

Neu ist auch der in der Nähe der U3-Station Schweglerstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus situierte Reithofferplatz. Punk-Konzerte sind ein Lautstärkeproblem, können aber beispielsweise bevorzugt am Schrödingerplatz stattfinden, wo die Bezirksvorstehung leersteht. Güttler und Madl ordern Lärmprognosen. Das Limit liegt zwischen 70 und 80 Dezibel. Tja, grantige Wiener*innen rufen oft zu schnell die Polizei. »Es gibt Leute, die melden sich schon beim Aufbau«, meint Madl. »Es gibt notorische, hauptberufliche Beschwerdeführer*innen, doch überwiegt die positive Resonanz bei weitem«. Auch, weil schon um 21:00 Uhr, eine Stunde vor der Nachtruhe, die Veranstaltungen des Kultursommers ausklingen. Wichtig ist die Nähe zu den Anrainer*innen. So scheint der mit der Badner Bahn gut erreichbare ASK Sportplatz in der Meischlgasse in Liesing zwar noch etwas abseits gelegen, doch ständig kommen neue Bauten in der Umgebung dazu.

Kultursommer Wien 2023, Haus Mühlengrund © Judith Stehlik

Neue Zielgruppen, Kultur in der Peripherie und faire Bezahlung

Neben einem Kinderprogramm an den Wochenendvormittagen sind Gartenkonzerte jetzt auch mit öffentlich zugänglichen Live-Darbietungen in gar 29 Grünflächen von Wiener Pensionistenhäusern weniger bekannt (manche Termine können nur mit Anmeldung besucht werden). Diese Kooperation mit Häuser zum Leben wird teilweise von den Kulturkommissionen der Bezirksvertretungen gefördert. Besonders freuen kann mensch sich beispielsweise auf Ana Schena Ois Da Aundare mit dem Programm »Rundumadum« am 10. Juli im Haus Rudolfsheim. Beginnzeit ist immer um 15:00 Uhr, während die neun Pop-up-Bühnen um 18:30 Uhr starten und von 20:00 bis 21:00 Uhr den zweiten Programmpunkt zeigen.

Mit einem Budget von 4 Millionen Euro lässt sich also einiges bewirken. 80.000 Menschen besuchten 2023 die Veranstaltungen des Kultursommer Wien. Somit ist eine faire Bezahlung von 530 Euro für jeden auftretenden Artist möglich. Die Künstler*innen unterliegen keinem Konkurrenzauftrittsverbot. Güttler und Madl wissen um die Kritik von kaum bis wenig subventionierten Wiener Veranstalter*innen. Es gibt wenig Überschneidungen mit anderen Spielstätten. Resümee der Geschäftsführung: »Das Beste am Wiener Kultursommer ist, etwas zu entdecken, was man vorher nicht gekannt hat. Wir sehen Dinge, die eine wunderbare Überraschung bieten und als Teaser für die Auftritte in der kommenden Herbstsaison wirken können, denn wir schätzen die Kleinbühnen, die wesentlich zur Vielfalt des städtischen Kulturlebens beitragen.« 

Link: https://kultursommer.wien/

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