»This album is probably the most personal music I have ever written. Recorded in my shitty housing unit in northern Tasmania.« Schon mit diesem Begleittext zieht Zachariah Tazewell jede Hochglanz-Erwartung aus dem Verkehr. Uns erwartet ohnehin etwas viel Besseres: kratziger, opulenter Garagen-Punk aus einem Raum, in dem der Kühlschrank lauter brummt als Zachs Amp im Ruhezustand. (Und der ist beileibe nicht leise!) Schnell noch einen Track vervollständigen, bevor der Nachbar grüßt, mit seinem mitgebrachten Sixpack (Feuerwasser!). Apropos Hochglanz: »Do Androids Dream of Electric Sheep« täuscht solchen für einen kurzen Moment vor … mit einem supercleanen Tenorsax zum Intro. Verdammt! Ich muss an den Boss denken. Nein, nicht an meinen – an den Boss! Wie schön wäre es, hätte sich Springsteen in eine solche Richtung entwickelt! »Greetings from Ashbury Park« hatte uns mit seinen Surrealismen à la »Gocart-Mozart was checking out the weather charts« und klanglichen Imperfektionen so große Hoffnungen gemacht. Aber wir haben ja jetzt Zachariah und seine Analysen; etwa jene der Träume von »Do Androids«. Tazewells Anti-Gesang ist eine Wohltat in unserer Zeit, in der jeder und jede Talentbefreite seine*ihre Pitch-Fehler per Melodyne & Co mühelos auf Linie bringen kann. »Ghost of New Londo« (sic!) begeistert – wie eigentlich eh alle Stücke – mit Rhythmus- und Geschwindigkeitswechseln und einer superfeinen Bassfigur zu Beginn. Was für eine großartige Überfülle in den Arrangements: Streichensembles, Rezitative und wieder auffällige, beinahe passende Bassläufe … Der Rezensent hat Glückstränen in den Augen, weil Zachariah so vieles »falsch« und gerade deshalb alles vollkommen richtig macht. Ein opulentes Durcheinander – was da in knapp fünf Minuten Platz hat, unfassbar! Der verzögerte »hatscherte« Groove, mit dem »We Happy Few« uns begrüßt, zeigt aufs Neue, was Talent ausmacht und dass es sich nicht einmal in einem »shitty housing« verstecken lässt. Oh ja! Nicht einmal die Lyrics sind in ein Versschema gepresst. Irgendwie bringt man ja die Wörter sowieso schon hinein in die Takte. Und wenn das schwierig werden sollte, dann gibt es halt noch einen weiteren Rhythmus-, Takt- und/oder Speed-Wechsel. Als wüsste der Tasmanier, dass ihn ein Wiener rezensieren wird, gibt es zum Ausklang der »Happy Few« noch einen herrlich versoffenen Walzer. »Natural Desaster« ist musikalisch alles andere als ein solches. Sehr geiles Schlagzeug! Es wäre nicht uninteressant, wie er das eingespielt hat, auch mit Hilfe von Samples und Drummachines ist das ein Act. Zachariah gerät im Verlauf des Stückes allmählich in Rage: Der anfängliche Mitwipp-Beat steigert sich spätestens ab 01:19 immer wilder. Ein nachdenkliches Detail zum Album: Aus Gründen, die dem Rezensenten verborgen geblieben sind, hat Zachariah Tazewell sein Meisterwerk schon zwei Tage nach Veröffentlichung auf Bandcamp auf »Gratis zum Download« gestellt (nachdem er zuvor nur rund 5 Euro verlangt hatte). Jetzt aber: Gehet hin und mehret seinen Ruhm! Lasst euch das Album wenigstens schenken. Das ist unglaublich großzügig, denn es ist das Beste, was ich seit Langem gehört habe.
Zachariah Tazewell
»Opening Old Wounds Through Scar Tissue«
Self-Release
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