Für den aus einem ungewöhnlichen Arbeitsspektrum heraus agierenden Künstler Peter Senoner (* 1969) stellen Bildnisse, in ihren unterschiedlichsten Möglichkeiten, den Ausgangspunkt für seine sich wandelnde Rhetorik der Metamorphosen dar. Diese gleichermaßen vorgebend und befolgend, wird eine gattungsübergreifende Dramaturgie der Verstörung, die sich aus dem Aufklaffen des Binären ergibt, zur Grundlage für seine Vorgehensweise der Dissemination und der Konfrontation. Der vorliegender Band gibt als Simulakren-Sammlung einen beeindruckenden Einblick in die Menge verlorener Originale, setzte Senoner zwischen Oktober 1997 und März 2000 doch etwa 1.600 Zeichnungen und zahlreiche Skulpturen im städtischen Umfeld aus. »Über die Darstellbarkeit hinaus […] interessiert sich der Künstler für Projektionen, Übertragungen seiner Kunstgeschöpfe in die Wirklichkeit des öffentlichen Raumes und die dadurch provozierten Symbolbildungen, Prozesse und Reaktionen« (M. Piffer-Damiani). Die jeweilige Stadt wird in diesem Vorgang zur Galerie, ohne sich den mitunter strengen Gesetzen dieser Organisationsform von Kunst unterzuordnen. Senoners Vorgehensweise bleibt dabei aber immer leichtfüßig und »frei von moralinsaurer Kritik am Kunstbetrieb« (P. Bianchi); vielmehr wird sie durch die kritische Befragung des Repräsentations-Aspektes zu einer innovativen Wendung und Verweigerung eines andauernden, hier wohl als lähmend empfundenen, Prozesses der Musealisierung.
Die Bühne der vereinbarten Realität so über das Einbringen von Interferenzen für sich umwertend, werden die Werke in einem, von Anthony Vidler umrissenen, posturbanen Raum wirksam. Mit dem Akt der Installation entzieht er sich dabei aber einer viktorianisch anmutenden, patriarchalen Architektur vorgegebener Erinnerungsorte; vielmehr ermöglicht er mit dem zwangsläufig folgenden Aufeinanderprallen von Kunst und Öffentlichkeit ein Verschieben dieser mnemotischen Konstanten, er lässt das Rauschen des Diskurses, den tatsächlich urbanen Hintergrund, deutlich werden. Auf eben dieser Grundlage spielt sich »der Widerstreit zwischen Schöpfungsakt und Tilgungsprozess« (P. Bianchi) ab, ein Eintreten in das Da-Zwischen wird möglich, und über die videographierte Abbildung des Prozesses deutlich. Die so erfasste Performance folgt mit ihrer Lesbarkeit als Auflösung der vom Künstler selbst ausgemachten »Tendenz der Entmaterialisierung«, die auch vor ihm nicht halt macht. Der ins Werk eingegangene Autor/Künstler wird mit der Umwandlung desselben mitverändert oder gar ausgelöscht. Mit der Aufzeichnung dieses Vorgangs wird er quasi neu geboren: für unsere Augen unsichtbar, doch unleugbar vorhanden. Aus der Asche des auktorialen Ich steigt ein verdichteter Phönix der Selbst-Betrachtung, der Künstler als Werk im/nach dem Übergang. An dem sich ergebenden »nomadische[n] Lebenswerk« (P. Bianchi) wird zweierlei deutlich: einerseits der Ansatz eines nicht-exegetischen Kommentars, eines Textes, der sich seiner eigentlichen Rolle als Sekundär-Diskurs entledigt hat; andererseits Senoners souveränes Schlechtes, Unvollkommenes, das den Betrachter aus der Differenz zwischen parfait (vollkommen) und pas fait (nicht gemacht) anstrahlt und ironischen Verzicht auf Pathos und Gelingen in einem wirtschaftspragmatischen Kunst(un)sinn demonstriert.
Peter Senoner: Performance and Image. Herausgegeben von Marion Piffer-Damiani. 112 Seiten. Wien: Trition Verlag 2002. EUR 27,80