Das multimediale und interdisziplinäre Großprojekt »(c)ovid’s metamorphoses«, das über den Zeitraum von zwei Jahren entstand, nämlich 2020–2022, setzt sich mit dem Pandemiegeschehen dieser Jahre auseinander und, allgemein gesprochen, den damit verbundenen Effekten. Wie umgehen mit dem infektiösen Virus und dem damit sich verändernden Alltag bzw. Weltgeschehen? Angeregt wurden diese Auseinandersetzungen von Bernd Herzogenrath, Professor am Institut für England und Amerika Studien der Goethe Universität in Frankfurt, der als Herausgeber verantwortlich ist für die Veröffentlichung und mit dem Sound Artist Lasse-Marc Riek die Zusammenstellung der über 120 Arbeiten kuratierte. Zuallererst ist »(c)ovid’s metamorphoses« natürlich selbst ein Effekt dieser Zeit; ein Bewältigungsversuch von Menschen, deren unterschiedliche künstlerische Tätigkeiten innerhalb des (national unterschiedlichen) Krisenmanagements unter Druck gerieten. Ohnehin schon überwiegend eher prekär lebende Künstler*innen sahen sich ihrer Einkommensgrundlagen beraubt: Konzerte, Ausstellungen und sonstige Präsentationsformen, die auf der Grundlage realer Zusammenkünfte basierten, waren auf damals nicht absehbare Zeit nicht mehr oder nur unter Einhaltung strenger Auflagen möglich. Beides hatte finanziell gravierende Folgen, »Corona-Hilfen« konnten ggf. beantragt werden und findige Alternativen (digitale Konzepte zur Präsentation, Teilhabe und Monetarisierung) wurden entdeckt und/oder (weiter)entwickelt: Live-Streams auf YouTube, der #BandcampFriday etc. – auch die nicht älteren Leser*innen werden sich erinnern. Unabhängig davon, welche Variante gerade bzw. immer noch in der Welt ist, das Pandemiegeschehen gilt offiziell als beendet, der Kunst- und Kulturbetrieb hat zum Alltag zurückkehren können – und der ist post-pandemisch so wenig frei von Widersprüchen, Zumutungen und Herausforderungen wie vorher.
Worauf will ich hinaus? Als geballter Ausdruck kreativer Energien ist die Zusammenstellung weit mehr als die Dokumentation einer globalen Krise. Mit Abstand betrachtet lässt sich sagen, dass die Covid-19-Pandemie und damit einhergehende Maßnahmen die grundsätzlich prekäre Situation der Mehrzahl von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen eher sichtbar machte als hervorbrachte. Im Spätkapitalismus, oder wie auch immer die Gegenwart auf den Nenner gebracht werden will, ist Kunst- und Kulturarbeit nicht viel wert bzw. unterliegt sie der fortgesetzten Entwertung via Streaming-Plattformen, die fast nichts an immer weniger Musiker*innen zahlen; der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz, die – zumindest theoretisch – zukünftig die Produktion von Bild- und Tonmaterial übernehmen kann und so Künstler*innen wenn nicht überflüssig macht, so doch weiter marginalisiert; der Konzentration auf Mega-Events im öffentlichen Bewusstsein (Taylor Swift) bei gleichzeitigen Kürzungen öffentlicher Mittel für die sogenannte »freie Szene« und, auch nicht unwichtig, steigenden Produktionskosten für so ziemlich alles, was als materielle und Distributionsgrundlage für Kunst gelten kann: Papier, Vinyl, Porto und andere Nebenkosten.
Insofern ist »(c)ovid’s metamorphoses« als gesammelter Ausdruck eines kreativen, mehrstimmigen Dialogs ein grundsätzlich interessantes Projekt, Covid hin, Covid her. Es geht um mehr. Der dokumentierte kreative Prozess von über 120 internationalen Künstler*innen präsentiert auf sieben CDs, zwei DVDs und in einem 200-seitigen Buch ein Kaleidoskop künstlerischer Strategien, die nicht nur zeigen, wie »Kunst auf die Krise« reagierte, sondern dass die beteiligten Akteur*innen vor wie nach Corona da waren bzw. da sind. Musiker*innen, Maler*innen, Filmemacher*innen, Fotograf*innen, Designer*innen … sind nicht nur da, um gesellschaftliche Krisen ästhetisch zu reflektieren – ihr Beitrag besteht in fundamentaler Hinsicht in der Gesunderhaltung von Gesellschaften, denn wie heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Das klingt vielleicht pathetisch, trifft den Kern der Sache aber eher, als »(c)ovid’s metamorphoses« im Detail daraufhin zu untersuchen, wie mehr oder weniger originell, treffend oder angemessen die einzelnen Beiträge der Veröffentlichung die Corona-Krise ästhetisch aufheben und reflektieren. Das heißt ja nicht, dass Kunst nicht interpretiert werden muss, um ihren gesellschaftlichen Sinn zu erfüllen, aber die schiere Fülle des Materials ist erschlagend und ich empfehle, sich eben einfach hineinzustürzen und den Eindrücken zu überlassen, die weit über die Wahrnehmung einer zurückliegenden globalen Pandemie hinausgehen und grundsätzlich daran erinnern, dass ästhetische Produktionen, welcher Disziplin auch immer, zum Bestand menschlicher Erfahrung gehören, wertvoll sind und gebraucht werden, und zwar nicht (nur), um Krisen zu bewältigen, sondern auch, um sie zu verhindern.