© Laura Plochberger
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Utopie und Orgel

Valeria Lanner und Aaron Josi Sternbauer eignen sich in »Echoes of Softness« sakrale Räume an und kreieren einen soft Space, der radikale Präsenz einfordert.

Freitagabend, 20:00 Uhr. Eine Kirche im 5. Bezirk, Nähe Matzleinsdorfer Platz. Die Stühle stehen nicht in den üblichen Reihen, auf dem Boden sind Kissen und Sitzsäcke verteilt. Über dem Altar schwebend ist ein Tuch gespannt und verschiedene Kunstwerke sind im Raum angeordnet. Und: Die Kirche ist voll. Viele, vor allem junge Menschen sind gekommen. Manche liegen, einige spazieren umher. Der Raum ist in buntes Licht gehüllt. In der Mitte sitzen zwei Performer*innen: Valeria Lanner und Aaron Josi Sternbauer. Es ist der Beginn von »Echoes of Softness«, dem Projekt der beiden Künstler*innen. 

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Räume queeren, neue Strukturen schaffen

Nach ihrem Kennenlernen 2022 haben Lanner und Sternbauer begonnen, mit der Orgel zu improvisieren – und sofort eine gemeinsame Sprache gefunden. Im Kern steht eine scheinbar einfache, aber radikale Idee: Softness. »Es geht uns darum, einen Space zu schaffen, in dem alle sein können, wie und wer sie sind«, erklären die beiden. Die Performance queert den Raum, indem sie vertraute Strukturen hinterfragt und neu interpretiert. Die Performer*innen stellen so eine Frage nach Möglichkeit: Wie könnte ein Kirchenraum genutzt werden, um radikale Präsenz und Akzeptanz zu ermöglichen?

Entstanden ist ein transdisziplinäres Erlebnis – eine Mischung aus Electronics, haptischen Eindrücken, visuellen Reizen und körperlichem Erleben, das kontinuierlich mit jeder Performance weiterentwickelt wird. Inspiriert vom Sapphonix Collective aus Montreal eignen sich die beiden den Kirchenraum an – mit dem Ziel, einen Raum für »radikale Softness« zu erschaffen. Aber was ist das eigentlich, radikale Softness?

Natürlich kann Softness haptisch gedacht werden, als etwas Weiches, etwas Sanftes, meint Aaron Josi Sternbauer. Doch die Idee, mit der Lanner und Sternbauer arbeiten, geht weit über direkte Sinnesempfindungen hinaus. »Für uns bedeutet Softness, einen offenen und angenehmen Raum zu schaffen, in dem alle willkommen sind«, sagt Lanner. Es geht um Geborgenheit, um Neugier, ums Zuhören – und darum, das Nervensystem auf Entspannung zu schalten. Sanftheit wird hier nicht nur zugelassen, sondern eingefordert. Und das ist, in einer leistungsorientierten, durchgetakteten Welt, ein politisches Statement.

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Nicht nur sanft und lieb

Dabei darf es auch laut werden: »Wir sind nicht immer nur sanft und lieb«, so Sternbauer. Und das stimmt, denn der Raum verändert sich mit dem Rhythmus der Klänge und der Stimme – und mit den Handlungen aller Menschen im Raum. Die Besucher*innen werden eingeladen, sich frei im Raum zu bewegen – liegend auf dem Altar, um die Orgel herum, auf dem Boden. Das Ziel: Spüren und wahrnehmen. »Wir zwingen sie, liebevoll zu fühlen«, meint Sternbauer.

Ein Tool, um diese Präsenz einzufordern, ist die Orgel. Sie wird genutzt, um einen umfassenden auditiven Raum zu erzeugen – nicht zuletzt, da Orgeln als Instrument immer individuell in den Raum gebaut sind. Lanners und Sternbauers zu großen Teilen improvisierte Performance aus Stimme und Tanz dazu lässt das Publikum nachfühlen, wie denn Räume aussehen könnten, die radikale Präsenz und Softness priorisieren. 

Und dieses Gefühl der Präsenz ist es auch, das nach dem Verlassen der Kirche nachhallt – ebenso wie ein Gefühl der Ruhe. Es bleibt die Frage, wie denn das Leben aussehen würde, wenn alle Menschen ein bisschen mehr im Moment leben würden und Softness von der gesellschaftlichen Utopie in der Kirche zum Alltag werden würde. Ein gelungener Abend, der neugierig auf weitere Entwicklungen der Performance-Serie »Echoes of Softness« macht, z. B. am 9. Mai 2025 in der Pfarre St. Josef in Margareten oder am 5. Oktober 2025 beim Sichtweisen Festival in der Pfarre St. Gertrud in Währing.

Link: https://www.instagram.com/echoes.of.softness/ 

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