Lydia Lunch Retrovirus
»Grrrrrrrrr! I wanna be your dog«. Lasst die Hunde los! Das gute alte Hundegeschirr macht es, wir wissen es seit Iggy Pop, möglich. »She was famous as the first person everybody slept with when they got to New York«, wird Jim Marshall in der renommierten »The New York Times« zitiert. Empowerment als wahrlich höchstes Gut. In den einstigen anglo-amerikanischen Hochburgen des Post-Punk gibt es heute kaum mehr ein Ûberleben für gestrige Heroes. So verschlug es auch die No-Wave-Nihilistin Lydia Lunch in das lange Zeit – zum Rest der Welt gehörend – abgekanzelte Kontinental-Europa. Als Lunch gefragt wurde, ob sie sich in Spanien isoliert und abgeschnitten fühle, konterte sie zynisch: »Abgetrennt wovon? Von Williamsfuckingburg?«
Aufgemascherlt mit einer dereinstigen Top-Garde – Gitarrist Weasel Walter (The Flying Luttenbachers), Schlagzeuger Bob Bert (Ex-Sonic-Youth/Pussy Galore) und Bassist Tim Dahl (Child Abuse) – staubte Lunch für »Urge To Kill« ihr altes Liedgut ab und nahm es im Winter 2014, live in der Knitting Factory Brooklyn, neu auf. Und nicht mal so altbacken. Rowland S. Howards Stücke sind schon weniger inspiriert interpretiert worden als sein »Still Burning« hier. Auch das ebenfalls von der »Shotgun Wedding«-LP gesaugte »Black Juju« fügt dem Komponisten Alice Cooper gewiss keinen Schlangenbiss zu. Neue Versionen von Songs diverser Alben aus den Achtzigerjahren klingen gleichfalls akzeptabel. Retro gilt zwar auch in der Form von Post-Punk/Industrial längst schon als verpönt. Doch Frankie zerquetscht garantiert noch einmal eine Träne, wenn er Lunchs neue Coverversion des Suicide-Klassikers »Frankie Teardrop« hört. Für die zornige Frau Lunch vergesse Mann gerne den Retro-Aspekt von »Urge To Kill« und lasse sich noch einmal ordentlich durchputzen. Live statt Tim Dahl übrigens Bassist Algis Kizys (Ex-Swans).