Das Festival »music unlimited« geht von 10. bis 12. November 2023 in die 37. Runde. Und so international wie die Musiker*innen ist auch das Publikum, das aus ganz Europa anreist. Heuer steht ‒ alternierend im Zweijahresrhythmus ‒ eine Festivalausgabe auf dem Programm, die wieder vom »music unlimited«-Team rund um den künstlerischen Leiter Wolfgang Wasserbauer kuratiert wird. Einer von unendlich vielen Gründen, ihn um ein Interview zu bitten.
skug: Das im November stattfindende, dreitägige Festival »music unlimited« stellt ein »Mecca for adventurous music aficionados« (»allaboutjazz«) dar. Heuer wurde es wieder, dem biennalen Rhythmus folgend, von Ihnen und Ihrem Team kuratiert. Welche Kriterien waren für die Auswahl der Acts ausschlaggebend?
Wolfgang Wasserbauer: Das Hauptkriterium dabei ist immer, dass uns die Musiker*innen interessieren und uns ihre Kunst gefällt. Dass wir, ausgehend von der Beschäftigung mit improvisierter Musik, ein Faible für experimentelle Musikformen haben, ist hinlänglich bekannt. Wir bezeichnen das »music unlimited«-Festival ja auch gerne als »Genre-unabhängiges« Festival. Es geht um die Präsentation der kreativen Potenziale aus den unterschiedlichsten Richtungen, das kann Rock sein oder Improvisation oder was anderes, »music unlimited« eben. Beim Programmieren schauen wir auf halbwegs ausgewogene Geschlechterparitäten, allerdings schaffen wir die 65 % Musikerinnenanteil aus dem Vorjahr heuer nicht, aber wir erinnern uns gerne und mit Hochachtung zurück an Agnes Hvizdaleks letztjährige Festivalausgabe. Wir laden gerne alte Helden ein und initiieren frische Begegnungen, zum Beispiel von den The-Ex-Gitarristen Andy und Terrie, die mit den jungen, wilden Saxophonistinnen Signe Emmeluth und Hanne De Backer agieren. Und mittendrin kommt mit Lukas König eines der österreichischen Aushängeschilder rein ins Quintett, eine »plezante Aangelegenheid«, würden die Niederländer*innen sagen. Und ja, es geht natürlich schon auch um neue Gesichter, eines davon gehört Gabby Fluke-Mogul, eine herausragende junge Geigerin aus Brooklyn, oder der albanisch-stämmigen Akkordeonistin und Schallplattenspielerin Emilie Škrijelj.
Es gibt die Initiative »Klimafitte Kulturbetriebe«. Wie seht ihr diesen Versuch, Kulturbetriebe nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu fördern? Welche Möglichkeiten kann ein Festival wie »music unlimited« zur Sensibilisierung in diesem Bereich beitragen?
Also wir versuchen schon, die Leute, Besucher*innen wie Künstler*innen, zu motivieren, dass sie beispielsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Wir holen auch nicht mehr, so wie früher üblich, alle Leute von diversen Flughäfen ab, es gibt mittlerweile ja eh gute Zugverbindungen, vor allem zum Wiener Flughafen. Wir schauen auch im Barbetrieb, dass wir bevorzugt biologische und regionale Produkte anbieten. Gekocht wurde im letzten Jahr ausschließlich vegan oder vegetarisch, das hat zugegebenermaßen nicht allen voll getaugt, um das mal so zu sagen.
Der Kulturverein waschaecht erhebt den Anspruch, »das Unangepasste im Neuen zu suchen und das Verrostete im Bewährten zu hinterfragen«. Welche Rolle spielen Themen wie Awareness-Arbeit im Vereins- und Veranstaltungskontext?
Awareness spielt im Kulturbetrieb, auch in unserem, eine immer größere Rolle. Der kv waschaecht bietet zum Beispiel jetzt im Oktober einen Workshop genau passend zum Thema an und wir merken, dass das vor allem für unsere jungen Mitarbeiter*innen eine immens bedeutende Sache ist. Die Grundfragestellungen und Problematiken sind überall die gleichen, allerdings muss man auch sagen, dass bei Festivals wie dem »music unlimited« ein eher geringerer »Bedarf« gegeben sein wird als zum Beispiel bei den big Partys, Clubbings und Festln.
Neben dem Hauptschauplatz im Alten Schl8hof gibt es heuer zwei neue »music unlimited«-Spielorte. Wie kam es dazu?
Nach neuestem Stand gibt es jetzt sogar drei Nebenspielorte, aber nur einer davon ist ganz neu im »music unlimited«-Kontext. Die Idee ist ja seit Jahren die gleiche: Was bietet man dem Publikum in einer nicht gerade vor touristischen Attraktionen strotzenden Stadt wie Wels an feuchten Herbstnachmittagen? Und ein willkommener, sehr positiver Nebeneffekt: Wir geben dem lokalen Publikum die Chance, mal reinzuschnuppern und eventuell ein paar Vorurteile abzubauen, weil die Nachmittagskonzerte ja üblicherweise frei zugänglich sind. Die Landesmusikschule ist mit ihren guten infrastrukturellen Angeboten recht naheliegend als Austragungsort, heuer aber wie erwähnt ein Premierenort. Dort wird der Pianist John Blum, ein Schüler Cecil Taylors, auftreten, toller Typ und Musiker. Von dort geht es ins bewährte Medien Kultur Haus zum Konzert der argentinischen Cellistin Paula Sanchez. Am Sonntag sind wir dann wie schon in den letzten Jahren am Welser Stadtrand im Bildungshaus Schloss Puchberg mit zwei Konzerten, einem Solo der Gitarristin Sandy Ewen und einem Duo der Bassistin Beate Wiesinger mit der Baritonsaxophonistin Hanne De Backer.
Beim heurigen »music unlimited«-Festival gibt es auch ein paar Premieren zu begutachten. Welche Auftritte warten diesbezüglich auf das neugierige Experimentalklang-Klientel?
Wie bereits gesagt, John Blum wird zweimal auftreten. Neben seinem Solo auch mit dem Saxofonisten Michael Foster ‒ beides Typen, die man ungerechterweise nicht oft zu sehen bekommt in Europa. Unbedingt empfehlenswert ist auch das Gitarrenquartett von Bill Orcutt mit tollen Spieler*innen, zum Beispiel Ava Mendoza, die am selben Tag auch ein Duo mit der jungen Geigerin Gabby Fluke-Mogul spielen wird; jedenfalls Namen, die man sich merken wird müssen. Wie auch jenen von Nick Dunston, der allerdings schon in jungen Jahren sehr hoch gehandelt wird, weil er unter anderem in Bands von Leuten wie Mary Halvorson und Dave Douglas spielt. Beim »music unlimited« präsentiert er mit Skultura seine eigene Band mit Leuten aus der Berliner Szene; apropos, ein schöner Seiteneffekt, denn es spielen hier die türkische Sängerin Cansu Tanrikulu, der russische Klarinettist Eldar Tsalikov, die japanische Keyboarderin Rieko Okuda und die brasilianische Schlagzeugerin Mariá Portugal, also der eh übliche, ganz normale Berliner Schmelztiegel. Besondere Leckerbissen kommen auch von Emilie Škrijelj mit ihren Partnern Mike Ladd, den manche noch aus seiner HipHop-Vergangenheit kennen, und Tom Malmendier. Große Hochachtung habe ich vor dem Zustandekommen von Christof Kurzmanns Projekt El Infierno Musical, weil dieses Konzert ob der fünf amerikanischen Gäst*innen aufgrund eines Fördergeberausfalls eigentlich nicht machbar gewesen wäre, die beteiligten Musiker*innen (unter anderem mit Dave Rempis und Ken Vandermark) monetär aber auf einiges verzichtet haben, weil sie das Projekt unbedingt machen wollten. Die Horse Lords mit ihrem vertrackten Zugang zu Rock im weitesten Sinne braucht man kaum vorzustellen, aber jetzt höre ich eh schon auf, weil sonst vergesse ich auf die Namen, die ich unbedingt erwähnen sollte. Und dass Mats Gustafssons Band The End ganz am Schluss des Festivals agieren wird, hat irgendwie fast eine innere Logik.
Der Künstler Dieter Kovacic aka dieb13 wird zu seinem 50. Geburtstag mit einem Sonderprojekt geehrt. Was kann man sich unter dem » Beatnik Manifesto« vorstellen – mir persönlich fällt im Moment als Assoziation zum Beispiel der deutsche Autor Jörg Fauser ein, er war ein bekennender Fan der Beatnik-Literatur.
Dieter bezieht sich ja direkt auf die Beatnik-Generation, die als subkulturelle amerikanische Underground-Bewegung versucht hat, Improvisation, Jazz, Film, Fotografie und Literatur unter einen Hut zu bringen. Und dieb13 meint dazu folgendes im Programmheft: »Niemand weiß warum, aber es gab bisher nie ein Manifest der Beatniks, das holen wir jetzt nach!« Er hat sich dafür zahlreiche namhafte Musiker*innen eingeladen, dazu kommt Film- und Textmaterial und sogar Phil Minton wird zu hören sein, allerdings nicht live, sondern vom Band. Also ja, man darf wirklich darauf gespannt sein. Wir freuen uns jedenfalls sehr.