Wir treffen John Klirr im Café Berg im Alsergrund. Als wir zur Tür reinkommen, sitzt er schon da, am Fenster, trinkt einen großen Braunen und wartet auf uns. Wir begrüßen uns, freuen uns dass wir ihn treffen können, er freut sich auch. Nachdem auch wir uns was zu trinken bestellen, gehen wir gleich rein, in die Fragen. Was hat es mit dem Titel seines Albums auf sich? Was hat ein gestohlener Rucksack damit zu tun? Woher kommt der Name John Klirr eigentlich? Das wollen wir natürlich gleich zu Beginn wissen.
skug: Lieber John, schön, dass du Zeit für das Treffen hattest. John Klirr. Woher kommt das eigentlich?
Hi, ich freu mich auch sehr!
Also John Klirr, da gibt es zwei Ursprünge. Zum einen, mein Großvater hieß Johann und zu dem hatte ich wirklich ein sehr gutes Verhältnis. Den wollte ich irgendwie ein bisschen in meinem Schaffen weiterleben lassen und so ist aus dem Johann der John geworden. Und bei Klirr, habe ich an das Gläserklirren gedacht, das finde ich ein sehr schönes Wort. Es passt auch zum auf die Bühne gehen, zum gläsern sein.
Noch dazu ist das Leben als Künstler auch einfach immer ein Jonglieren. Die phonetische Ähnlichkeit zu John Klirr hat mir auch gut gefallen.
Bleiben wir bei Namen. Am 21. November 2025 erscheint dein viertes Album »Dear Michael«. Wer ist Michael?
Michael steht stellvertretend für eine Person, der man Verantwortung abgeben kann. Ich hab‘ das Gefühl, wir leben grad in einer Zeit der gesellschaftlichen Überforderung, ob das jetzt Geldthemen sind oder das Erstarken von rechten Parteien, grad ist so viel los und das führt irgendwie zu einem ziemlichen Overload. Und meine Idee war dann eben, so eine Art imaginären Freund, nämlich Michael, zu erschaffen. Dem kannst du ein bisschen Overload abgeben, der kann dich ein bisschen entlasten. Der Titelsong »Dear Michael« hat‘s im Übrigen nicht aufs Album geschafft.
Wir hatten ja die Ehre, das Album schon vorab hören zu dürfen und musikalisch fiel uns auf jeden Fall ein Unterschied zu deinem letzten Album »this is not folk« auf. In welche Richtung bewegt sich dein Schaffen gerade?
Also meine Wurzeln sind sehr bluesig. Nach dem letzten Album hatte ich das Gefühl, dass ich mich davon ein bisschen lösen und in ein neues Thema reingehen möchte. Jetzt war die Zeit dafür reif. Das ist zum einen bewusst passiert, war aber auch ein natürlicher Prozess. Ich hab‘ beim Songwriting mehr Raum für die Band gelassen und so ist dann ganz organisch ein neuer Sound entstanden.
Apropos Band, für den neuen Longplayer hast du die Tam-Tam-Bagage zusammengestellt. Wie sieht eure Zusammenarbeit aus?
Der Schlagzeuger Fabi und der Bassist Andi sind schon seit dem zweiten Album dabei. Früher halt als Gastmusiker, jetzt als integrierte Band. Das liegt daran, dass ich die Band gefragt habe, ob sie in Zukunft mehr mit arrangieren wollen. Die Grundideen, kommen zwar trotzdem meistens von mir, was auch an zeitlichen Schwierigkeiten liegt. Es ist einfach nicht so leicht, dass alle vier zusammen kommen. Da sieht man sich mal ‚nen Monat nicht, deswegen arbeite ich ne Grundstruktur und den Text und damit komm ich dann zur Band, und wir schauen was wir gemeinsam daraus machen können. Manchmal wird das dann ganz was anderes und manchmal bleiben wir auch schon sehr eng an der Grundidee.
War die Umstellung von »Ich arbeite alleine« zu »Ich arrangiere gemeinsam mit der Band« schwierig für dich?
Für mich ist das auch einfach ein Stück weit Verantwortung abgeben. Also ich schreib einen Song und so ist er halt, das war nach drei Alben einfach ein bisschen fad. Es tut dem künstlerischen Schaffen immer sehr gut, neuen Input zu haben. Ich begrüße das wirklich sehr, das ist echt toll.
Wenn man künstlerisch zusammenarbeitet, ist der Umgang mit Kritik natürlich sehr wichtig. Wie ist deiner?
Die Band darf mir wirklich alles an den Kopf werfen und ich denke dann da natürlich viel darüber nach. Mir geht es bei Kritik einfach darum, wie konstruktiv sie ist. Wenn jemand etwas nicht gut findet, wünsche ich mir, vor allem in der Zusammenarbeit schon, dass die Person mit einem Vorschlag um die Ecke kommt und nicht einfach sagt, sie findet meinen Ansatz scheiße.
Aber um ehrlich zu sein, hatten wir noch nie den Fall, dass das Arrangement eines Songs ein Streitthema war. Da läuft echt alles sehr entspannt, sehr basisdemokratisch.
Ich im Allgemeinen bin auch entspannter geworden, was meinen Umgang mit Kritik angeht. Also nicht, dass ich bei Album eins damals noch ungut war, aber mit der Zeit kommt auch einfach noch mehr eine Routine und eine Selbstsicherheit und die ist glaube ich wichtig. Dann kann man viel reflektierter auf die Kritik schauen und sich überlegen, »was ist da dran« und sieht sie nicht so leicht als Angriff auf das eigene Schaffen.
Gibt es trotzdem Bereiche deiner Kunst, in denen es dir schwerer fällt, Kritik anzunehmen als in anderen?
Ja schon. Zwar habe ich auch damit fast abgeschlossen, aber Betonung auf das fast.
Ich bin vor allem am Anfang in dem Projekt viel kritisiert worden, weil ich auf Englisch singe. Da kamen dann Fragen auf, wie authentisch das sei. Kann man das als österreichische Person machen? Wäre es nicht besser, auf Deutsch zu singen? Das hab‘ ich mir schon lange zu Herzen genommen. Aber ich wollte mich auch einfach nicht verbiegen. Das war nie eine Strategie, auf Englisch zu singen. Mein Zugang zur Musik kam einfach durch Songwriter wie Tom Waits, Nick Cave, Joe Cocker, Bob Dylan und Leonard Cohen.
Deutschsprachige Musik hat zwar einen neuen Boom erlebt, durch Wanda, Bilderbuch oder noch früher sogar durch Nino aus Wien beispielsweise. Ich verstehe das auch, da können sich dann Leute eben mit identifizieren. Aber so bin ich eben nicht. Authentizität ist mir wichtig, genau deswegen bleib‘ ich mir treu, genau deswegen singe ich auf Englisch. Und wenn i ned verbogen bin, dann biag i mi halt grad.
Deine Texte handeln oft von den eigenen Unzulänglichkeiten, sprechen aber auch Mut zu. Was würdest du sagen, sind die prägenden Themen deiner neuen Platte?
Ich hatte schon ein Potpourri an Texten rumliegen und hab dann welche ausgewählt, die ich auf dem Album haben möchte, und dabei hat sich herausgestellt, dass ein Grundthema ist, was auf der Welt passiert. Also nicht so tagespolitisch, »da war eine Demo von Rechten wegen dem und dem«, sondern etwas allgemeiner. »Observing« handelt zum Beispiel von Femiziden. Es ist aber nicht alles nur politisch. »I had a heart«, der Single Release, handelt von Erinnerungen und dass uns Menschen Erinnerungen ausmachen.
In dem Song ist dann aber auch die Line, »All memories are gone«, das ist ja fast tragisch.
Zu der Zeile gibt es eine kleine Story. Mir ist mein Rucksack gestohlen worden und da war mein Songbook drinnen. Unzählige Texte und wichtige Gedanken, waren einfach weg. Das Album »Dear Michael« ist also auch eine Wiederherstellung verlorener Dinge, deswegen waren auch diese Memories ein großes Thema.
Zu guter Letzt, spielst du die Platte auch live?
Ja! Am 21. November, zum Release, spielen wir ein Konzert im Lot, einem großartigen Verein. Wir werden an dem Abend unterstützt von Elsa Tootsie. Er wird da solo auftreten und macht wirklich einen sehr schönen Sound. Wir freuen uns sehr drauf, werden richtig Gas geben, kommt gerne vorbei! Wird ‘ne tolle Party.
Lieber John, vielen Dank für das nette Gespräch.
Danke euch.











