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Toby Driver

»They are the Shield«

Blood Music

»The Great Manifold Curiosity«, Highlight-Track des 2003er-Albums »Choirs of the Eye« (Tzadik) von Kayo Dot, ist beispielsweise so ein Lied, das man sich mit einem schönen THC-Kakao unter der Bettdecke zu Gemüte führen könnte und dann vielversprechende, introspektive Wohlfühlergebnisse erzielen würde, für die sich Körper und Geist bedankten. Es ist eine ganzheitliche Erfahrung, man schwebt dahin, als wäre das wohltemperierte Klavier einer höheren Macht anwesend. Kayo Dot ist nämlich die Nachfolge-Band von Maudlin of the Well, mit denen Toby Driver wohl einigen erstmals bekannt wurde. Während Maudlin of the Well noch knallharten, avantgardistischen Progressive-Metal konzipierten, wurde die Musik Drivers mit Kayo Dot stets ruhiger, in seinen Veröffentlichungen unter Eigennamen gab er dem Kammermusikalischen letztendlich den größten Raum und verschrieb sich gänzlich dem Meditativen, zwar nicht mit den heftigen Energieausstößen, aber dennoch geladen und intensivst. Dem schönen Album »Madonnawhore« von 2017 folgt nun ein Glanzstück namens »They are the Shield«. Driver hat schon immer theoretisch höchst anspruchsvolle, vertrackte Musik fabriziert und auch hier merkt man ihm den musiktheoretischen Hintergrund an. In seiner großen Dynamik bleibt es selbst in ausfallenden Höhepunkten sanft, subtil instrumentiert, kraftvoll und erhaben. Drivers behutsam-weiche Stimme wirkt melancholisch, mitunter wie die von jemand, der in den Wellen des Klangflusses verloren ging. Das exakte, professionelle Spiel funktioniert als Gegengewicht, wobei jedoch besonders die gestrichenen Instrumente zuckersüße Akzente setzen und rührende Melodien erzeugen, die die Schwere seines Gesangs unterstützen. Hier und da raffinierte, treibende Basslines, herzzerreißende Keys, sonst wolkig dahintreibend und von Drivers zum Teil balladeskem Gesang und poetischen Texten bestimmt. Gespenstisch, mitreißend und – das war bisher immer so bei Driver – zeitlos. Prog-Rock ohne lange Haare, Gitarrensoli und falsches Pathos.

Home / Rezensionen

Text
Lutz Vössing

Veröffentlichung
27.09.2018

Schlagwörter

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