Mit »Phase IV« ist das neue Album des Experimental-Musikprojekts Phal:Angst erschienen. Phal:Angst sind Philipp (ph, vox/harp/xylophone), Alfred (al, bass), Julia (:, bass) und Dion (angst, guitar/vox). skug redete mit drei von vier Bandmitgliedern (al, :, angst) darüber, was negative Stimmungslagen sind, wie wichtig Atmosphäre ist und über Remixe im Single-Format.
skug: Vielen Dank erstmal für dieses Interview. Euer viertes Album habt ihr am 29. September im Rhiz präsentiert. Es heißt »Phase IV« – nach »Black Country« – da hab’ ich mir zuerst gedacht, ok, ihr habt da jetzt einfach nummeriert, aber Julia hat mir schon gesagt, das hat einen Hintergrund.
angst: Ja, das geht auf einen Science-Fiction-Film Ende der 1960er zurück, ich glaub ein amerikanischer oder ein britischer, ich weiß das gerade nicht sicher. »Phase IV«, wo die Ameisen die Weltherrschaft übernehmen. Kurz zusammengefasst ein großartiges, teilweise ein bisschen trashiges Machwerk, aber ja, da wir gerne Science-Fiction-Filme schauen – das kann man glaub ich über alle in der Band sagen – hat uns der Film einfach sehr inspiriert. Jetzt vielleicht nicht, dass wir Songs zu dem Film gemacht hätten, aber der Titel hat einfach gepasst.
Also keine Vertonung oder dass sich ein Track speziell den Themen des Filmes widmen würde?
angst: Nein.
Also einfach nur als Referenz à la wir finden den Film cool?
angst: Genau.
al: Wir haben auch ziemlich lange nach einem Titel gesucht und das war eher ein mühsamer Prozess. Wir sind ewig auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen und nachdem es das vierte Album ist, ist uns das einmal eingefallen … und dann war da gleich die Referenz zum Film und das haben wir dann eigentlich alle auf Anhieb cool gefunden und …
angst: … das Problem war gelöst.
Ok, warum geht’s dann bei Phal:Angst? Oder eben: Phal:Angst in der »Phase IV«?
al: Inhaltlich?
Genau. Ihr macht ja eigentlich Instrumentalmusik, aber es gibt doch viel Inhalt, nicht? Also viel an Samples? Oder anders gefragt: Was ist der Ausdruck?
angst: Also man muss jetzt jedenfalls unterscheiden zwischen einem Inhalt, der quasi philosophischer Natur wäre – den kann man bei uns lange suchen – und einem, wo es eher um Gefühle und Stimmungen geht – das ist es bei uns. Samples und Gesang sind bei uns mehr als weiteres Instrument zu sehen, glaub ich. Sie vermitteln Stimmungen. Ich möchte jetzt nicht hergehen und dem Ganzen einen tieferen philosophischen Inhalt verpassen, dass man sagt, dieser Song dreht sich schon um etwas, aber wir haben kein Pamphlet, dem wir jetzt da irgendwie Ausdruck verleihen wollen.
al: Und die Texte haben natürlich Worte zum Inhalt und ebenso die Samples, aber es ist immer eine Atmosphäre bei uns der Punkt und das muss jetzt inhaltlich – z. B. Samples und Texte – auch nicht hundertprozentig zusammenpassen, dass das einen stimmigen Inhalt ergibt, sondern es muss die Stimmung für uns passen und Titel oder auch Texte haben meist irgendeine Gefühlslage oder eine Stimmung primär zum Inhalt und das versuchen wir eher sound-ästhetisch und atmosphärisch zu kreieren.
Dann werf’ ich jetzt so ein Stichwort in die Runde zur Stimmungslage und würd’ sagen: beklemmend.
al: Auf alle Fälle auch passend. Tendenziell ist die Atmosphäre düster, dystopisch verwenden wir ganz gerne, womit wir wieder den Science-Fiction-Hint hätten. Also es geht halt dann viel um Entfremdung, Frustration, Einsamkeit, Beklemmung, also eher negative Stimmungslagen.
Auch wenn ich es jetzt so sage: Als Konzerterlebnis ist das ein Stimmungs- oder Gefühlserlebnis und die Visuals untermalen das dann noch.
al: Ja, das ist dann ein weiteres Element, das das verstärken soll.
Ja, fern von einer Popband, nicht?
angst: Ja, ich glaub poppig sind wir mittlerweile schon, also uns wurde schon öfter gesagt, dass wir schon teilweise poppige Einflüsse hätten, aber ich finde Pop per se muss ja nicht immer nur glücklich sein. Also, da gehtʼs glaub ich mehr um vielleicht »leichter erfassbar«. Das ist dann für mich eher das poppige Element, weil wir haben Teile, die für ungeschulte Hörer*innen dann leichter zu ertragen sind als früher.
al: Also, wenn man Pop herleitet vom Wort populär, dann sind wir wohl nicht Pop. Dafür ist die Musik viel zu schwer und ungreifbar und zäh und langsam und lang, aber wir sind im Großen und Ganzen durchaus sehr harmonisch und wohlklingend, würdʼ ich meinen. In diesem Sinne ist es jetzt nicht so abwegig, poppige Elemente bei uns aufzuspüren oder sie so zu bezeichnen.
Ich glaub, auf dem neuen Album auch ein bisschen wavigere Klänge und Disco-Einflüsse gehört zu haben.
angst: Ist möglich … Also man kann glaub ich insgesamt sagen, dass sich unsere Musik von Song zu Song sehr entwickelt, und gerade was meinen Elektronik-Part anbelangt, kippʼ ich schon immer mehr in den Synthie-Bereich, woʼs wohlklingender ist, weg vom Ambient-Zeug oder von den eher brachialen Sachen, die ich früher gemacht habe. Aber ich könnt’s jetzt nicht an einem speziellen Musikstil festmachen, weil ich jetzt auch nicht so Gewohnheiten hab, an denen man es aufhängen könnte.
Oder so ganz allgemein gesagt kommt »Phase IV« um einiges verspielter rüber als »Black Country«.
angst: Das kann man sicher sagen.
»Black Country« ist sehr straight in seinen Songstrukturen im Vergleich zu »Phase IV«.
angst: Mag sein … (lacht)
al: Hätte ich mir jetzt gar nicht so gedacht … Ich meinʼ, das Wavigere, das du vielleicht auszumachen meinst – also einerseits find ich auch, dass von dir verstärkt etwas griffigere Dinge im Lauf der Zeit gekommen sind – das ist vielleicht auch ein bisschen der Einfluss von der Julia, unserem Neuzugang, die ja so mehr aus der Post-Punk-/Wave-/Gothic-Ecke kommt.
: Ich glaub das hängt eher mit der langen Produktionszeit zusammen. Ich weiß nicht, wie lange habt ihr an »Black Country« gearbeitet?
al: Noch länger … (allgemeines Lachen)
Das ist also jetzt das erste Album mit dir als neuer Bassistin?
: Ja.
angst: Wobei teilweise die Songs schon existiert haben, als die Julia eingestiegen ist.
: Ich hab’ das Gefühl … also ich weiß nicht, wie es vorher bei »Black Country« war, aber ich meinʼ, wir haben sehr viel Zeit gehabt zum Verfeinern. Zum noch ein bisschen Ausarbeiten.
angst: Noch eine Spur dazu, ja. Möglicherweise liegtʼs auch daran, kann schon sein. Wobei, in der Schaffung der Songs ist mir schon aufgefallen, dass halt einfach sich in meinem Kopf irgendwie noch mehrere Schichten aufgetan haben, die ich belegen kann mit irgendwelchen tollen Synthie-Spuren. Und dass es vielleicht darum auch verspielter ist. Weil sich jetzt auch mehr im höheren Frequenzbereich tut, wo ich früher vielleicht ein wenig minderbemittelt war in meinem musikalischen Denken.
al: Grundsätzlich, glaub ich, kann man schon hoffen, dass wir immer ein bisschen besser und gefinkelter werden.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Produktion von »Phase IV«?
al: Das Album wurde von Alex Vatagin aufgenommen, der auch zum ersten Mal mitproduziert hat. Also das haben wir zum ersten Mal gemacht, dass wir auch wen Externen quasi mitreden lassen bei unseren Songs. Was uns glaub ich auch gutgetan hat. So manchen Input haben wir da aufgenommen und das hat schon zur Entschlackung unserer Musik und zur Streckung unserer Musik beigetragen. Das war auch gut. Und Mastern haben wir es in New York von Alex Psaroudakis lassen, der uns eben auch vom Alex Vatagin vermittelt wurde.
Bei »Black Country« gab es ein Remix-Album, jetzt habt ihr nur zwei Tracks remixen lassen. Aber ihr seid glaub ich nicht ganz unstolz auf die Urheber dieser Remixe.
angst: Das kann man so sagen. Also, beim »Black Country« Remix-Album waren hauptsächlich durchwegs befreundete Künstler*innen von uns beteiligt, wo wir halt auch einen persönlichen Konnex haben, und wir hatten dann eben die Idee, ein ganzes Album zu machen, was ja doch auch recht üppig ist. Darauf haben wir diesmal verzichtet, weil wir’s eben schon einmal gehabt haben, und haben jetzt zwei wichtige Musiker, die uns alle auch ein bisschen geprägt haben, eingeladen, etwas zu machen. Was dann eben auch sehr gut funktioniert hat.
al: Also es ist Will Brooks von Dälek, der Düster-Ambient-HipHop-Formation, die uns immer schon ur taugen und die sicher auch ihre Spuren bei uns hinterlassen haben. Und der zweite Remix ist von Justin Broadrick von Jesu und Godflesh und Techno Animal und ganz am Anfang auch Napalm Death. Also Napalm Death Einflüsse wird man bei uns nicht finden, aber Jesu, Godflesh und Techno Animal sind sicher auch wichtige Bands für Phal:Angst. Also, schon super, einflussgebende Künstler, musikalische Helden von uns, für Remixes für unser Album zu gewinnen.
Und wie ist es dazu gekommen?
al: Der Will Brooks ist ein guter Freund von einem Freund von uns aus Wien, der auch bei unserem Remix-Album damals als Bastard Sun einen Remix gemacht hat. Und der hat uns die Rutsche gelegt und den haben wir dann angeschrieben und das hat gleich gepasst. Und zum Justin Broadrick gibtʼs überhaupt keinen persönlichen Konnex. Den haben wir einfach angeschrieben und haben scheinbar einen glücklichen Moment erwischt, wo er offen war, und er hat auch innerhalb kürzester Zeit zurückgeschrieben und gesagt: Taugt mir, mache ich gern, super.
Pusht das so ein bisschen eure Erwartungshaltung an das Album?
al: Naja, sicher eine schöne Zusatzsache, über die man jetzt natürlich berichten kann. Ich denk’, das kann schon die Aufmerksamkeit erhöhen.
angst: Und die Remix-Tracks sind halt auch noch in einer Länge, die im Radio spielbar ist. Weil ja unsere Songs doch relativ lange sind und die Remix-Tracks gehen sich diesbezüglich grad noch aus. Das ist noch ein Vorteil.
Ihr seid ja auch mittlerweile schon fleißig am Touren, oder?
angst: Ja, immer eher kurze Ausflüge. Mini-Tours sag ich jetzt einmal dazu, aber das ist natürlich auch wichtig. Also einerseits fürs Bandgefüge und andererseits, wenn man ein neues Album hat, dann ist es umso wichtiger, dass man unterwegs ist.
al: Aber so viel Touren wie im üblichen Bandsinn tun wir noch immer nicht, weil wir alle Jobs und Family haben, also das geht sich nicht wirklich aus. Es ist auch vor allem der Julia zu verdanken, die das mal wieder ein bisschen in die Hand genommen hat. Es ist ja auch extrem viel Arbeit und dauert ewig, etwas aufzustellen, für halt doch eine unbekannte Band wie uns. Oder auch soundmäßig schwierige Band wie uns. Und die Julia hat sich da voll reingehauen und für unsere Verhältnisse spielen wir jetzt ganz schön viel, ja.
: Ja, wobei noch die alten Connections, die fruchten ja auch, also Sachen, die wir da jetzt in Ybbsitz spielen oder Linz oder so.
al: Na eh, aber …
angst: Es ist auf jeden Fall breiter geworden. Jetzt auch durch deinen Input und Kontakte, dass man einfach ein größeres Feld abdecken kann, und das schlägt sich dann halt in der Anzahl der Konzerte nieder.
: Also ich würdʼ sagen, was dazu gekommen ist, soweit ich das beurteilen kann, ist einmal die Grufti-Szene und sicher auch die Kunstszene. Also das ist sicher verstärkt gewesen, aber das habtʼs ihr früher auch schon gemacht, in gewisser Weise.
angst: Wir habenʼs versucht … es fruchtet halt jetzt.
al: Wir haben schon unsere Jahre gehabt, wo wir echt nur vielleicht drei- oder viermal gespielt haben oder so. Und mit deinem Energie-Input sind wir jetzt schon auf zehn plus oder so, zumindest im Jahr.
: Ja, also heuer haben wir schon in Brünn, Dresden, Subotica, Novi Sad und zwei Gigs in Ungarn, Miskolc und Debrecen, gespielt. Und auch, das ist ja mittlerweile nett, wenn man Anfragen kriegt und nicht nur den Leuten hinterherrennen muss oder wenn Leute tatsächlich sagen: Hey, wollt ihr bei mir spielen? Das hat sich eben ergeben in Bratislava mit Insect Ark, auch eine sehr feine Band, und tags darauf im Kramladen mit Berufskleidung.
Mit welcher Band würdet ihr am liebsten spielen oder auf Mini-Tour gehen?
al: Also z. B. Jesu wäre sehr passend.
: Buried at Sea fänd’ ich geil, kennt halt keine Sau. Godspeed You! Black Emperor fänd’ ich geil.
al: Also Bands, die wir halt lieben und die halt bekannter sind als wir.
: Wo dann halt auch Leute kommen.
al: Oder Earth.
: Mehr als die üblichen 200, die normalerweise kommen.
Ist euch noch etwas wichtig zum Thema Phal:Angst?
al: Naja, vielleicht das mit dem Namen, weil das wird ja gerne missverstanden oder kurios ausgelegt, wobei man das jetzt niemandem übel nehmen kann, weil es sich ja etwas aufdrängt. Es hat weder mit der militärischen Phalanx noch mit dem männlichen Phallus zu tun, sondern ist einfach eine Abkürzung unserer Synonyme: Also ph steht für Philipp, unseren Sänger und Metallophon-Spieler. al bin ich, Alfred, Gitarre. Doppelpunkt ist die Julia am Bass, in Form eines Teils des Bassschlüssels. Und Angst ist der Dion, abgeleitet von seinem Soloprojekt Angst. Und so ist die Band ja auch entstanden vor inzwischen zwölf Jahren. Es hat Phal gegeben, das waren der Philipp und ich als Industrial-Punk-Duo, und der Dion war halt als Angst mit seinem Ambient-Soloprojekt unterwegs und wir sind eben schon lange befreundet und haben uns aus Anlass einer Veranstaltung zusammengetan für ein spezielles Konzert, was auch so halb improvisiert war, und daraus ist die Band dann entwachsen und den Namen haben wir ganz pragmatisch in der Zusammenführung der bestehenden Teile gestaltet.
Find ich fast schon schade, weil ich hab’ das immer als Kastrationsangst gelesen und mir gedacht: Toll, eine Band, die sich das in den Namen geschrieben hat.
: Ja, es inspiriert alle möglichen Leute zu allen möglichen merkwürdigen, sehr abgefahrenen Interpretationen.
Was war die abgefahrenste, mit der ihr konfrontiert worden seid?
: Das jetzt mit der Kastrationsangst ist ein guter Kandidat, find ich.
angst: Phal:Angst Europa, und Falange, also die spanischen Faschisten (altgriechisch phálanx, deutsch etwa Schlachtreihe; hatten kein einziges Mandat bei Wahlen der Zweiten Spanischen Republik, Aufstieg unter General Franco, Anm.) und diese phalanx europa (aktuelles rechtsradikales Netzwerk Anm.), das hab ich dann schon auch recht kurios gefunden. Und im Allgemeinen ist es ja lustig, weil auf unserer Homepage das relativ prominent eigentlich steht, wie der Name entstanden ist. Also ich glaub im ersten oder im zweiten Absatz wird das schon geklärt. Also jeder, denʼs interessiert, kann das ja auch nachlesen.
Na, ich wollte meine Interpretation ja nicht korrigiert haben.
al: Letztens war das in dem »Trust«-Review, wo die das von phal für Fallen und Angst interpretiert haben und mit quasi bemüht origineller Schreibweise, statt F mit Ph und auch bemüht düster, Fallen, Angst gedacht haben. Was natürlich nicht unsere Intention ist, weil das ja schon etwas pathetisch …
: Und Pathos liegt uns fern …
al: Naja …
angst: Der darf in der Musik zuhause sein.
Und der Doppelpunkt, der Bass, das Scharnier?
angst: Ja, Scharnier trifftʼs recht gut. Es war halt: Ganz am Anfang haben wir sogar Phal vs. Angst auf der ersten Ankündigung draufgehabt und das haben wir dann aber blöd gefunden.
al: Irgendwann dazwischen haben wirʼs dann auch mit Slash dazwischen gehabt und der Doppelpunkt ist einfach schicker. Und es hat sich jetzt super ergeben, dass sich das mit dem Bassschlüssel ausgeht. Aber darauf hat uns erst die Julia gebracht, das wussten wir Nichtmusiker ja gar nicht, dass es Teil des Bassschlüssels ist. Und somit perfekt.
Hat sich der Bass reinreklamiert?
: Ja, ich hab’ mich reinreklamiert, ich wollte einen Platz in diesem Bandnamen haben.
al: Das ist auch gut so.
: Weil irgendwann war das so: Ok, die sind alle drin und der Doppelpunkt war frei und ich hab bei Bassenger, meinem Soloprojekt, auch diesen Doppelpunkt. Also ich hab’ die Teekanne mit dem Henkel und der ist dann ja gleichzeitig der Bassschlüssel.
al: Unser alter Bassist, der Kevin, hätte schon ein paarmal angeregt, seinen Bandnamen rein zu reklamieren. Da wäre der Vorschlag aber AngstPhalKev gewesen. Ah, da hat er sich nicht durchgesetzt.
Ist auch so die bessere Lösung. So kann manʼs immer noch so falsch verstehen wie ich.
al: Ist ok.