So war das nicht ausgemacht. Da vergehen beinahe zehn Jahre seit dem letzten Shellac-Album und dann verstirbt Steve Albini zehn Tage vor Veröffentlichung des neuen Albums völlig überraschend mit 61 Jahren an einem Herzinfarkt. »To All Trains« ist also alles andere als der bewusst inszenierte Schwanengesang eines Musikers, der wusste, dass seine Zeit gekommen ist. Kein Requiem, kein unvollendet gebliebenes Opus magnum und freilich schon gar kein mildes Alterswerk. »To All Trains« ist Shellacs sechstes Album in 32 Jahren. Zehn Songs, die von November 2017 bis März 2022 im Electrical Audio Studio des Nenn-mich-nicht-Produzent-Tontechnikers aufgenommen wurden. Zehn Songs mit einer knappen halben Stunde Spielzeit. Zehn Songs ohne Bullshit. Nichts, das nicht schon seit dem Debüt »At Action Park« in puncto Sound und Songwriting von Albini, Bob Weston und Todd Trainer zu hören gewesen wäre. Aber auch nichts, das mit einem anderen Power-Trio zu verwechseln wäre. Klar, präzise, eigenwillig, unbestechlich. Werk und Leben berühren sich in vielen Punkten. Da bleibt erfreulich wenig Platz für mystifizierendes Herum- und Hineininterpretieren. Bloß, dass der letzte Song »I Don’t Fear Hell« heißt, mutet posthum wie ein letzter makabrer Albini-Scherz an; mit Zeilen, die von Keith Richards stammen könnten: »If there’s a heaven, I hope they’re having fun / Cause if there’s a hell, I’m gonna know everyone«. Nach Verklingen des Schlussakkords hat Albini diesbezüglich allerdings doch zu befürchten, nach einer kurzen anti-sexistischen Purgatoriums-Session ganz schnell in den Himmel der Musikschaffenden aufgenommen zu werden.
Shellac
»To All Trains«
Touch and Go
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