Nicolaus Schafhausen © Kunsthalle Wien, Foto: Sabine Hauswirth
Nicolaus Schafhausen © Kunsthalle Wien, Foto: Sabine Hauswirth

Schafhausen haut sich über die Häuser

Der Direktor der Kunsthalle Wien gibt frühzeitig auf. Nicolaus Schafhausen befindet, dass die politische Situation in Österreich zunehmend unannehmbar wird: »Internationale Kunst und Diskurs sind das Gegenteil von Nationalismus.« Ein persönlicher »Nachruf«.

Eine Frau habe ihn am Flughafen Wien beschimpft, dass er ihre Steuergelder verschwende, und ihn vor ihren beiden Kindern bespuckt, berichtet der Direktor der Kunsthalle Wien Nicolaus Schafhausen im Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«. Er recherchierte den Namen der Frau und fand heraus, dass sie eine Unternehmerin ist, die die FPÖ finanziell unterstützt. Das erinnerte mich daran, wie mir einmal vor Jahrzehnten in Salzburg ein FPÖ-Gemeinderat eine Ohrfeige gab und seine Ehefrau mir untertänigst gleich ebenfalls eine »watschen« wollte. Der Infostand, mit dem ich auf der Straße stand, war gegen den übergroßen, goldenen Fötus (angeblich echtes Gold, denn das Ungetüm in einer Säule wurde von der Polizei bewacht) gerichtet, den ein Verein gegen Abtreibung auf dem Salzburger Residenzplatz errichtet hatte. Der Ehefrau des FPÖ-Gemeinderates in wehendem Lodenumhang konnte ich ausweichen, aber das Gefühl, einen Schlag ins Gesicht erhalten zu haben, brannte mir noch wochenlang nach. Wie eine unsichtbare Hand, die auf meiner Wange klebt. Man empört sich und ist doch blockiert. Schämt sich wie ein Kind, obwohl man nichts getan hat.

Nicolaus Schafhausen und Edelbert Köb © Foto: Mehmet Emir

Südbahnhof-Abriss und Abschied
Als der Frankfurter Nicolaus Schafhausen seine erste Pressekonferenz in Wien gab, sah er sehr dynamisch und energiegeladen aus. Er gab mir stante pede ein Interview und wir saßen in der großen Eingangshalle auf irgendeiner Mauer. Ich kann mich noch erinnern, dass der neue Direktor der Kunsthalle Wien seine Beine schwingen ließ und mit den Füßen baumelte. Damals sollte gerade der Südbahnhof erneuert werden und Edelbert Köb, seines Zeichens MUMOK-Direktor, fand den Gedanken schön, die Riesenhalle à la Hamburger Bahnhof in Berlin in ein Beuys-Museum zu verwandeln. Denn die großen Beuys-Werke liegen bis heute ungenutzt in einer Lagerhalle am Alberner Hafen. Also interviewte ich Schafhausen und Köb gemeinsam für den »Augustin«, denn ich setzte große Hoffnungen in die beiden. Doch der Südbahnhof wurde umstandslos abgerissen und stattdessen ein zugiger Hauptbahnhof plus Investoren-Bürogebäude errichtet. Nun hat Schafhausen seinen Rückzug angekündigt, er macht sich aus dem Staub – ohne Gesichtsverlust, wie meine Frankfurter Mutter sagt. Österreichisch, grob ausgedrückt: Er haut sich über die Häuser. Das ist wirklich schade. Aber für die Kunst muss man Lust und Spaß empfinden, sie braucht ein anregendes, unterstützendes Umfeld. Verstehen kann man Schafhausen schon, dass er sozusagen cowboymäßig die Pferde sattelt, bevor sie zu Polizeipferden geworden sind.

Marcel Odenbach: »Im Kreise drehen« (Video Still), 2009 © Marcel Odenbach & BILDRECHT GmbH, 2017, Courtesy Galerie Gisela Capitain, Köln

Zeit der Heuchelei
Einige Male versuchte ich, Direktor Schafhausen dazu zu motivieren, eine Ausstellung zum Thema Holocaust zu kuratieren, und ging z. B. einfach mit einem abstrakten Bild der Theresienstadt-Überlebenden Eva Sachs unter dem Arm zu ihm. Leider nein. Eine derartige, zeitgenössische, internationale Ausstellung wäre nun, in dieser Zeit der Heuchelei, so dringend nötig wie nie. Ich veranstaltete dann selbst zwei Ausstellungen der Bilder des Auschwitz-Überlebenden Fritz Roubicek und kuratierte zwei skug-Festivals zum Gedenken an die November-Pogrome mit. Schafhausen lud für die Kunsthalle Marcel Odenbach ein, der eine gigantische Ausstellung hinlegte. Zwei Filmarbeiten beschäftigten sich mit Holocaust-Mahnmalen. Als Auftragsarbeit der Kunsthalle Wien entstand ein Film über Buchenwald. »Bei vielen Gelegenheiten ist uns Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager bewusstgeworden, wie wenig uns Worte nutzen, um unsere Erfahrungen zu beschreiben. Ihr ›schlechter Empfang‹ beim Publikum liegt darin begründet, dass es heute in einer Welt der Bilder lebt«, schreibt Primo Levi in seinem Text »Wiedersehen mit den Konzentrationslagern«.

Thomas Frankl, Rabbiner Paul Chaim Eisenberg und die Auschwitz-Überlebende Helga Pollak-Kinsky bei der Pressekonferenz zur Schließung des ArtForums © Thomas Frankl, Foto: Karl Stockinger

Zukunftsideen und gute Wünsche
Fast hätte Nicolaus Schafhausen auf der Pressekonferenz des Galeristen Thomas Frankl gesprochen, die anlässlich der Schließung der Galerie ArtForum am Wiener Judenplatz stattfand. Dort wurde die einzige Einzelausstellung der Malerei eines Holocaust-Überlebenden in Österreich gezeigt – vom Sohn des Auschwitz-Überlebenden Adolf Frankl, der die Bilder seines Vaters präsentierte. Schafhausen sagte erst zu, dann doch wieder ab – aber er traf sich mit Thomas Frankl, der als Kind in der NS-Zeit versteckt leben musste. Die Frankl-Bilder sind momentan leider nicht für die Öffentlichkeit sichtbar. Vielleicht macht Nicolaus Schafhausen ja noch etwas Aufrüttelndes, Zeit bis Ende März hat er ja. Aber vielleicht sehnt er sich auch einfach zurück nach Frankfurt am Main und der lebendigen Museumsszene dort. Das wunderschöne Richard-Meier-Museum für Angewandte Kunst am Schaumainkai sieht mir etwas unterspielt aus.

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