Scarabeusdream, einer der eindrucksvollsten Live-Acts (kann man nicht oft genug betonen) des Landes bzw. Uni- und Multiversums, legen 2019 mit »Crescendo« zum dritten Mal einen Release im Langspielformat vor. »Sample Your Heartbeat to Stay Alive« (2007) war einer der österreichischen musikalischen Höhepunkte überhaupt. Diese Mischung aus Spielfreude, Power und trotz enormer musikalischer Brutalität durchscheinender Zärtlichkeiten (siehe Refrain von »Strollerstore«), besonders mit dem klavierbegleiteten Gesang, der was von John Gourley, Mike Patton und Cedric Bixler-Zavala zugleich hat, ward so selten gesehen bzw. äääh gehört. Man fragt sich, wie die sich selbst aushalten, im positivsten Sinne dieser seltsamen Frage, schmilzt man doch dahin vor lauter Emotionen jedweder Façon. Wahrscheinlich genau durch das, was sie tun: Zu zweit (Bernd Supper am Klavier, Hannes Moser am Schlagzeug) zwischen Euphorie und Wut hin und her stampfen, emotionale Sause machen, spaßig wie das Break Dance am Prater alles rauslassen und katharsieren.
Nach dem eher »soliden« »Tacet Tacet Tacet« (2016) geht das dritte, im Jänner erscheinende Album »Crescendo« wieder richtig, richtig steil. Auf »Euphoria Pt. II« (das dann in das herzzerreißende »But Me« übergeht) zeigen sie dieses Abfucken exemplarisch: Im klassischen SB-Arrangement, also schön komponierte Popstücke mit manischen Post-Hardcore-Phasen, die zuckersüß wie Hubba Bubba schmecken, ziselieren sie ihre Manie in wuchtige, aber piekfeine Gefühlscollagen. Schwer, hier einen Top-Track anzugeben, die Stücke gehen ineinander über wie aus einem Guss. Man darf getrost alles Elend der Welt im Allgemeinen und Österreichs im Speziellen um sich herum vergessen und seine wahre Heimat hier in diesem Kunstwerk finden. Wie Scarabeusdream das selbst sehen, hat uns die Band im Kurzinterview verraten.
skug: Glückwunsch erstmal. Das neue Album gefällt sehr gut!
Scarabeusdream: Ma, vielen Dank. Oft ist es für uns ja so, dass wir uns das eigene Zeug gar nicht mehr anhören mögen, wenn es erst einmal den Tonträger gibt. Diesmal haben sogar wir noch eine Freude dran.
Nach dem sehr experimentellen »Tacet Tacet Tacet« schlagt ihr mit »Crescendo« wieder einen Weg ein, der zurück an eure Anfang mit »Sample Your Heartbeat to Stay Alive« führt und dem Ganzen noch einen poppigen Touch hinzugibt. Ist man nach bald 15 Jahren Bandgeschichte noch immer auf Suche nach dem eigenen Sound?
In Wahrheit ist das genauso, wie du sagst: eine Suche. Die muss es unserer Meinung nach auch bleiben. Wenn wir etwas gut finden, ist das immer nur eine Momentaufnahme. Uns geht es nicht darum, ein Kochrezept zu finden und zu perfektionieren, wir wollen die Bedeutung unserer Musik in der Gegenwart finden und nicht in einem Archiv von Arrangements, die schon einmal funktioniert haben. Wir sind keine Genre-Band.
Eure Auftritte gehören zu dem Besten, was die österreichische Live-Musiklandschaft zu bieten hat, und doch sind sie leider zu rar. Haben die Konzerte überhaupt einen Einfluss auf eure Musik oder passiert das Wesentliche im Proberaum und Studio?
Im Proberaum und im Studio geht es immer nur um eine Annäherung an das Live-Gefühl. Nichts kann eine Konzertatmosphäre ersetzen. Dort passiert einfach alles, was unserer Musik Bedeutung gibt. Und zu unserem großen Glück hat gerade eine deutsche Agentur mit uns eine Zusammenarbeit gestartet. Wir stehen schon in den Startlöchern.
Eure Karriere hat sich auftrittstechnisch vor allem auf Österreich beschränkt. Steht der große Durchbruch noch aus, oder ist das Kalkül einer Band, die mit ihrem »Geheimtippstatus« spielt?
Hmm, sagen wir mal es war Kalkül … jetzt werden wir aber wieder überall auftauchen. Dort, wo man uns will, und dort, wo man uns nicht will. Das ist die Agenda.
Der Albumtitel »Crescendo« ist – bezogen auf den herrschenden Zeitgeist – wenig doppeldeutig. Vielleicht könnt ihr doch noch ein, zwei Worte dazu sagen, denn eure Musik ist ja gerade deswegen so prima, weil ihr eben nicht nur laut werden könnt, Stichwort Dynamik, sondern dabei noch äußerst gefühlvoll und subtil seid – aber eben auch laut!
Wir leben gerade in einer Zeit, in der Menschen, die ewig nach einem linearen Leben gestrebt haben, jetzt nach einer Steigerung, einem »Crescendo«, dürsten. Die Unterhaltung, das Spektakel allein, kann die braven Pferde nicht mehr ruhigstellen. Unbeholfen und desorientiert wird nach irgendwelchen Guidelines fürs Lebens gesucht. Statuen und Monumente der Vergangenheit werden wiederbelebt. Aber die sind aus Stein. Alles fällt in sich zusammen.
»Es gibt diesen Spruch »Heimat ist da, wo man sich am meisten schämt.« Ihr kommt aus Pinkafeld, wo auch einer der schlimmsten rechtsradikalen Politiker Österreichs, Norbert Hofer (FPÖ), herstammt. Schämt ihr euch wenigstens etwas?
Natürlich! Ja, wir schämen uns. Es ist doch absurd. Wenn man die Geschichte des Burgenlandes kennt, könnte man glauben, es sei ein Land, in dem positive Diversität gelebt wird. Nach unserem Verständnis definiert sich burgenländische Identität eben nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Nation. Die gibt es nämlich schlicht und ergreifend nicht. Es hat im Versteckten in Wahrheit immer einen gewissen Rassismus gegeben, der nun auch von konservativen Politikern befeuert wird. Konservativismus, das ist überhaupt der Boden für den ganzen Schlamassel.
»Crescendo« von Scarabeusdream erscheint am 18. Jänner 2019 auf Noise Appeal Records, am 31. Jänner gibt’s ein Album-Release-Konzert im Wiener Chelsea.