Auf der Straße ist was los. Aber stimmt das überhaupt noch? Tatsächlich haben sich die Städte in den letzten 150 Jahren sehr gewandelt. Auf alten Fotografien sieht man, dass der Raum zwischen den Häusern mit Menschen belebt war. Heute sind die Straßen in Städten wie Wien weitgehend entvölkert. Das Bild wird geprägt von meist parkenden Autos oder auf den »belebteren« Routen vom automobilisierten Verkehr. Menschen, die sich viel auf der Straße aufhalten, geraten in vielen Gegenden sogar leicht in Verdacht. Haben denn nicht alle geräumige Häuser und Wohnungen zur Verfügung, in denen sie ihr Leben hinter vorgezogenen Gardinen leben dürfen? Nun, einige haben das nicht. Der »Augustin«, Österreichs erste und einzige echte Boulevardzeitung, bemüht sich um die Perspektive derer, die zu einem großen Teil ihres Lebens auf der Straße sind, weshalb folglich der »Augustin« ja auch eine wirkliche Straßenzeitung ist.
Wo sollen wir uns finden?
Der »Augustin« nimmt seit fast 25 Jahren die in den Hintergrund gedrängte »Straßenperspektive« ein. Das Blatt wird auf der Straße verkauft und nie im Laden, und es wird verkauft von Menschen, die sich damit ein Zubrot verdienen können. Es sind Menschen, über die in der einen oder anderen Weise ein Erwerbsverbot verhängt wurde. Sei es durch eine verfestigte, sogenannte »Arbeitslosigkeit« (tatsächlich arbeiten die Betroffenen dauernd) oder weil sie nicht zu den Hiesigen gehören sollen und ihnen entsprechende Bescheinigungen fehlen. Das sind alles Gründe, warum mensch so »auf der Straße landet«. Der »Augustin« versucht, die Perspektive dieser Menschen einzunehmen, ihnen Artikulationsformen zu bieten und überhaupt einmal die gesellschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf Armut abzuklopfen, die bekanntlich nicht sichtbar werden soll. Die Straße ist nämlich im »reichen« Österreich gerne Fassade.
Deswegen wohl erscheint sie oft so tot. Viele haben es nicht mehr nötig, die Straße zu betreten, weil sie mit dem SUV aus der Garage rollen und ihre Mit- und Umwelt nur mehr durch die Windschutzscheibe sehen. Deswegen ist die Straße viel weniger Ort der Begegnung, als sie es einmal war. Kluge Stadtmanager*innen haben dies erkannt und die Stadtbevölkerung mit dem Event beschenkt. Der wird lauthals ausgerufen, dann spielt die Musi, Tische werden auf die Straße geräumt und – innerhalb der strengen Lärmschutzregeln Wiens – darf auf der Straße sich wieder begegnet werden. Die Gastronomie, gleichfalls gerne ein Event, knappst im Sommer den Autos das höchste Gut des Parkplatzes weg und macht sich am Straßenrand breit. Daran ist zunächst nichts Verwerfliches. skug und ebenso der »Augustin« machen das schließlich auch. Beide organisieren wir Straßenfeste oder Punschstände und halten den Salon skug im Wiener Central Garden ab. Der Central Garden ist übrigens eine behördlich festgestellte »Ermöglichungszone« und soll Verweilen auch ohne Konsum erlauben. Und damit wären wir in diesem gewissen Dilemma.
Event will immer was verkaufen, Schönreden nützt hier nix. Deswegen sind durch die Gegenbewegung zu der Not verödeter, menschenleerer Städte zahlreiche kommerzielle Begehrlichkeiten entstanden, die heute längst übergeschnappte Formen gefunden haben. Die Zahl der Wiener Weihnachtsmärkte kann einzig Gott der*die Herr*in noch zählen. Es gibt Plätze in Wien, die nie mehr sind, wie sie sind, sondern die ununterbrochen »bespielt« werden. Das ist aber kein eigentliches Begegnen, denn da will dauernd wer was. Die stille und beklemmende Leere vieler Wiener Straßenschluchten wird somit kontrastiert durch den Knall-Bumm-Bäng-Jahrmarkt gewisser Plätze, dem kaum mehr zu entkommen ist. Aber kann man sich denn nicht einfach auf die Straße setzen und beisammen sein? Was gemeinsam trinken und verzehren, das man selbst mitgebracht hat, und vielleicht die Stimme zum Gespräch erheben, am Ende etwas stimmungsaufhellende Musik hören – handgemacht oder aus der Konserve? Die Antwort lautet schlicht: Nö. Wer es macht, hat bald die Polente am Hals. Sei es wegen Lärm oder der Verletzung der Verwertungsrechte benachbarter Gastronom*innen. Die Folge: Stadtraum ist entweder Wüste oder Bumsfallara. Dazwischen gibt es kaum etwas. Hierin liegt zugleich eine bedenkliche Ausgrenzung für Menschen, die viel auf der Straße leben. Sie sind dort entweder ziemlich allein oder sie müssen den – nicht immer gewährten – Zugang zu den Events erlangen. Tja, Lösungen für diesen Widerspruch zu finden ist alles andere als einfach. Beim Salon mit dem »Augustin« redet skug mit seinen lieben BAM-Kolleg*innen aber gerne ein wenig darüber, wie es halt so ist, auf der Straße zu sein.
Johnny geigt auf
Hach, schwierig, schwierig. Überhaupt alles. Wenn man im Leben dann auf so Widersprüche stößt und einen irgendwie irgend so etwas beschäftigt, das man vielleicht auch nicht so gut ausdrücken kann, dann braucht man aber nicht unbedingt gleich zu verzagen, sondern legt einfach ein bisschen die Musik von Johnny Geiger auf. Die dreampoppig verschlungenen Klänge umhüllen sogleich die Seele und weichen langsam die Knoten in Herz und Hirn auf. Nicht, dass danach alles wieder super wäre … Na komm, gibt’s ja gar nicht. Aber zumindest nicht mehr ganz so eckig erscheint uns das Narrenkasterl, in das wir zu blicken haben. Mit Johnny Geiger ist man folglich ein bisschen weniger allein mit seinen Gedanken und das hilft. Insbesondere deswegen, weil die Musik uns gerade kein Happy-Peppy vorgaukeln will. Die Stimmung ist eher so, dass man das Gefühl hat, der tote Kanarienvogel in der Blechbüchse auf dem Küchentisch würde noch ein letztes Mal singen. Blechern und viel leiser als sonst klingt es, aber immerhin. In den Gesang stimmt dann eine feine Drum-Machine mit ein, die wirkt, als spiele sie in einem dunklen Kellerabteil. Was das Vögelchen uns zwitschert, ist nicht mehr genau zu verstehen. Ist aber trotzdem nett, dass er sich noch einmal äußert. Auf dem Weg zum Supermarkt nehmen wir das Blechkisterl allerdings dann doch mit und beerdigen das treue Vogerl im schmalen Wiesenstück unten im Hof. Fängt ja sonst noch irgendwann an zu stinken das Vieh. Und ja, es stimmt, es bleibt halt nix ewig. Was soll’s und jetzt schon danke für das Konzert, Johnny. Im nächsten Salon am 4. August ab 18:00 Uhr wird also wieder so ein bisschen reflektiert und verträumter Musik gelauscht. Wer da zu Hause bleibt, weil er oder sie nicht auf die Straße mag, ist selber schuld. Wir freuen uns zumindest auf euch!