Slavoj Žižek hat schlechte Laune. Aus gutem Grund. Die Weltlage ist mies und alle schauen in die falsche Richtung. Žižek mosert, nicht Trump sei das Problem, sondern Hillary Clinton. Der enorme Erfolg rechter und rechtsradikaler Parteien und immer häufiger auch gewisser demagogischer Einzelpersonen ist nur erklärbar mit dem weltweiten intellektuellen und moralischen Zusammenbruch der Sozialdemokratie. Von New Labor über Bill Clintons New Democrats bis hin zur deutschen SPD, alle haben aufgehört, an eine bessere Welt zu glauben. Im Brennglas konnte dies bei den G20-Protesten in Hamburg 2017 beobachtet werden. Aus aller Welt kamen meist junge Menschen in die Hansestadt geströmt, sie wollten feiern, protestieren und auch diskutieren. Auf unzähligen Panels sollten Wege aus der Krise erörtert werden. Wie dem Kapitalismus entkommen, wie ihn vielleicht menschlicher gestalten? Wie die kaum mehr bewältigbaren ökologischen Probleme eindämmen und wie eine neue globale Öffentlichkeit errichten, in der jedes Menschenleben gleich viel wiegt? Also: gemeinsames Reden über eine bessere Welt.
Untergang der Sozialdemokratie
Der Ball lag für die Hamburger SPD auf dem Elfmeterpunkt. Oft war es in den letzten 150 Jahren die Sozialdemokratie gewesen, der es gelang, den linken Aufbruch zu institutionalisieren und in ein verbessertes Gemeinwesen zu integrieren. »Den Menschen zuhören, ihre Sorgen verstehen« und solches Zeug, das in jeder Wahlkampfbroschüre steht, muss man dann halt auch machen. Aber doch nicht mit der Pfeffersack-SPD. Die hatte ganz anderes im Sinn. Es hatte sich zum G20-Gipfel eine Riege aus Demagogen, Despoten und ausgewiesenen Mördern angesagt und denen wollte man schön Männchen machen. Alle sollten die neu gebaute »Elphie« bewundern, das Monster aus dem Korruptionssumpf. Zehnmal so lange Bauzeit, zehnmal so hoher Preis. So geht Bauen in der BRD. Es waren alles öffentliche Gelder, die da im Hafenschlamm versanken, und die Hamburger Stadtregierung bewies, dass ihr kein kasachischer Oligarch was vormacht, wenn es um Enteignung der Bevölkerung geht. Heute steht die Bude meistens leer, manchmal tritt Rolf Zuckowski auf (kein böses Wort über den Mann, aber braucht der eine Philharmonie?) und eine Konferenz mit Ganoven aus aller Welt war da eine feine Gelegenheit, schöne Bilder für die Immobilie und die Stadt zu schießen.
Da haben dann diejenigen auf der Straße, die das irgendwie doof fanden, nicht mehr mit aufs Foto gepasst. Deswegen eilte man der kritischen Öffentlichkeit entgegen und zwar mit dutzenden Wasserwerfern. Alles, um eine riesige Bannmeile zu verteidigen, die nötig war, um den VIP-Gästen die kleinste Unannehmlichkeit zu ersparen. »Wir können Sicherheit«, ließ man in Bildzeitungsdeutsch verlauten und war es ein Wunder, dass die Stimmung kippte? Nach den Riots, den ganzen kaputten Autos und Ladenlokalen bemühte sich die SPD nach Kräften, und manchmal unter Preisgabe rechtsstaatlicher Prinzipien, eine ganze Szene linker Aktivist*innen zu kriminalisieren. Das Wunder, dass die alte Tante jetzt keine Wahl mehr gewinnt, wäre für Willi Brandt (z. B.) keines gewesen, der wusste noch, dass es linke Kräfte einzubinden gilt. Tja, irgendwie schade. Jetzt ist die SPD, insbesondere die hanseatische, die fünfte oder sechste rechtsautoritäre Partei in Deutschland und versucht den eigenen Untergang schönzureden.
DVD-Release im Rahmen von Salon skug
Also irgendwie logisch, dass Slavoj Žižek not amused ist. Überall auf Erden rutscht es gewaltig nach rechts und das ist letztlich nur möglich, weil weite Teile des traditionell linken Spektrums sich anscheinend aufgegeben haben. Brasilien, USA, Polen, Ungarn, Italien, Deutschland, Österreich: überall werden gesellschaftliche Mehrheiten geschmiedet, denen an Demokratie nichts mehr zu liegen scheint. Denn eine »illiberale« Demokratie ist keine mehr. Mit dieser Entwicklung geht immer die Aufblähung von Polizei und Militärapparat einher und die langen halt gerne auch mal zu. Wen das (und manches andere) wurmt, die oder der komme bitte am 7. November um 21:30 Uhr zum Salon skug ins Wiener AU. Dort wird Regisseur Lars Kollros* unserem Chefredakteur Frank Jödicke anlässlich des DVD-Releases des Films (nach der von skug präsentierten Wien-Premiere im Mai dieses Jahres, nachzulesen hier und hier) abermals Rede und Antwort stehen und erneut unter Beweis stellen, welch sorgfältiger Beobachter der Hamburger Verhältnisse er war und ist. Die Arbeit an dem Film »Festival der Demokratie« hat ihn und Co-Regisseurin und Kamerafrau Alexandra Zaitseva zu einer Art Chronisten des rechtsstaatlichen Wandels in Deutschland gemacht.
Musikalische Unterstützung erhalten wir von den Post-Punk-LokalmatadorInnen Crystal Soda Cream mit Philipp Forthuber an der E-Gitarre, Sebastian Ploier am Bass und Theresa Adamski am Schlagzeug, für das Rahmenprogramm sorgt wie immer die skug DJ-Line, diesmal mit brrrnje, Mio & Crème brûlée, und wer will, kann sich vorher zur Lesung von Günther Keip bei Buch im Beisl einfinden. Der Eintritt ist wie immer frei(e Spende) und wir freuen uns auf euer Kommen!
Link: https://www.facebook.com/Festival-der-Demokratie-1338039822984775/