Das wird man wohl noch sagen dürfen, sagt man immer dann, wenn man eigentlich Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention meint: »Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung.« Das ist ein ziemlich schlichter Satz. Man darf sagen, was man denkt. Sofern man sich dabei an ein paar Regeln, wie zum Beispiel die Menschenwürde, hält.
Heute sagen alle immer irgendwas: linken Blödsinn, rechten Blödsinn, einfach nur normalen Blödsinn und manchmal auch nur halbwegs ohne Blödsinn. Bekommen jedenfalls alle ihre Bühne. Das ist gut und zeigt das demokratisierende Potenzial von, sagen wir: TikTok. Dort darf dann jemand erklären, wie man einen Reifen wechselt, sich Mascara ins Gesicht schmiert oder das Palästinensertuch fürs Protestcamp bindet.
Ein Zeichen von Meinungsfreiheit ist, wenn andere dagegen, also nicht einer Meinung sind. Früher hätte man an der Stelle den Säbel ausgepackt. Irgendwann hat man sich auf nachhaltigere Methoden geeinigt: Du sagst, was dir nicht passt. Ich sage, warum es mir nicht passt, dass es dir nicht passt. Und immer so weiter. Am Ende liegt man sich in den Armen oder nicht. Jedenfalls hat man Gebrauch gemacht von seiner Meinungsfreiheit – und damit von Demokratie.
Den Blickwinkel verändern
Das passt nicht allen. Manche verwechseln ihre Meinung mit Menschenwürde, andere untergraben sie mit ihrem Moralkompass. Statt zu streiten, kommt es zur modernen Steinigung. Vorträge werden abgesagt, Gäste ausgeladen, die Bühne entzogen. Weil man freilich gerne diskutiert, sich aber noch lieber auf die Schulter klopft.
Das mag die Demokratie nicht. Deshalb sieht man sie abwechselnd »unter Beschuss«, »in Gefahr« und »unter Druck«. Dass selbst die nächste Generation nur noch semi Bock drauf hat, ist auch keine Überraschung. Wer wieder mal doomscrollend am Häusl den Tag verbracht hat, riskiert nicht nur Hämorrhoiden, sondern auch die eigene Meinungsfreiheit.
Weil man immer erst merkt, wie gut es einem geht, wenn man sieht, wie schlecht es andere haben, setzen wir beim kommenden skug Talk auf internationale Perspektiven. Gjorgij Janevski ist Kulturarbeiter aus Nordmazedonien. Er arbeitet für Kanal 103, ein Community-Radio in Skopje, das vor der nordmazedonischen Unabhängigkeit 1991 entstand – und heute illegal sendet. Neben ihm sitzt Vid Bešter aus Slowenien. Er arbeitet als freier Journalist und schreibt unter anderem zu medienpolitischer Unterdrückung in seinem Land. Radio Orange 94.0 überträgt die Diskussion live ab 18:00 Uhr.
Toxic, Boom, Moralia!
Vor und nach der Diskussion gibt es jeweils Konzerte im Dohnal-Garten. Der hervorragende Enno Lingg samt Boom Boom Mt. Orchestra spielt neben den großartigen Toxic Violin. Außerdem provoziert das Kunstprojekt Minibar Moralia vermehrt Schnapsideen. Wie das aussehen wird? Blickwurf zu unserem letztjährigen Sommer-Salon auf Rädern bei der Dohnal! Und hier nochmal das diesjährige Programm zum Mitschreiben:
16:30 Enno Lingg & Boom Boom Mt. Orchestra
18:00 skug Talk »Abrissbude Demokratie«
19:30 Toxic Violin
Der Salon skug wird gefördert von Stadt Wien Kultur. Wie bei jedem Salon skug gilt: Freie Spende, frohe Leut! Der Dohnal-Garten befindet sich am Merkurweg 15, Wien Penzing. Er ist von der U4-Station Hütteldorf gut erreichbar und barrierearm zugänglich. Die Toiletten sind jedoch nicht rollstuhlgeeignet. Wenn ihr Fragen habt, meldet euch unter salon@skug.at.