Fred Nicolaus hatte während der Aufnahme zu seinem selbstbetitelten Debüt als Golden Suits nicht bloß mit dem üblichen gebrochenen Herzen zu kämpfen. Sondern auch mit einer Rattenplage in seinem Brooklyner Apartement. Ich weiß, wie eine Rattenplage ist. Ich hatte einmal eine Rattenplage, in einem Marburger Altbau. Rattenplage heißt, nachts wachzuwerden von komischem Rascheln, und dann sitzt eine fette, fiese Ratte auf deinem Kopfkissen. Heißt, zu entscheiden, dass die Lebendfallen einfach nicht taugen, und dann nach langer, langer Nacht mit einem sich schon ins Dröhnen einfindenden Schädel ins Wohnzimmer zu kommen und einen Kadaver mit sauber zerschmettertem ebensolchen in der als »schmerzfrei« vermarkteten Genickbruchfalle zu finden. Dann zu entscheiden, dass Ethik und Rattenplage wohl einfach nicht zusammenpassen, und schlussendlich doch das böse Gift einsetzen, um dann wochenlang das Kratzen qualvoll verendender Ratten in den Wänden und Decken zu hören. Rattenplagen beschwören Bilder herauf, die man lieber nicht vor Augen hat. Ratteninvasionen klingen wie die Musik des Erich Zann. Und Fred Nicolaus? Der macht ein wunderschönes, warmes Folkalbum, das sich in die lange amerikanische Tradition von Randy Newman und Van Dyke Parks bis Death Cab For Cutie und Grizzly Bear stellt.
Mit letzteren ist Nicolaus ohnehin lange freundschaftlich verbunden, mit Daniel Rossen auch über das großartige Duo Department of Eagles, dessen »In Ear Park« zu den vergessenen Perlen des Jahres 2008 gehört, mit Songs, die zugleich zeitlos schlichter Pop und hochkomplex strukturiert waren, immer die Vorbilder aus den 1960ern und frühen 1970ern kommentierend. Golden Suits führt diesen Weg fort, lässt Sonnenfluten und Nachtblau durch die Töne scheinen, immer etwas melancholisch, im Gestern nach Antworten suchen. Im klassischen amerikanischen Indie-Rock des Openers wird ein Sommernachmittag im Jahr 1999 beschworen. Es geht um Liebe und Freundschaft, um Vergeben und Verabschieden, um das ganz große, das die kleinen Bilder noch immer am besten beschreiben können, wenn der Sound sich auch nicht davor fürchtet, groß zu werden. Dann sorgen Geigen und süffige Harmonien für zusammengezogene Herzen. Geflochten ist der Songreigen lose um Motive aus Kurzgeschichten von John Cheever, einem Chronisten des amerikanischen Suburbia der 1950er und 1960er Jahre, der auch im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahren zunehmend wiederentdeckt wird. Cheever verhandelte bissig unterdrückte sexuelle Identitäten und Alkoholismus, die bekanntlich hinter blütenweißen Fassaden besonders fruchtbar sprießen. Gut so. Gut auch die Platte. Sehr gut. Und gut auch zuletzt, dass ich nach den zehn betörenden Songs auch wieder die Bilder los bin, die die nicht ganz so nostalgische, nicht wirklich in sehnsüchtelndes Sepia getauchte Erinnerung an meinem Sommer mit Herr und Frau Ratte beschworen hat. Sie waren überall. Unfassbar.