Das (Cyber-)R&B-Genre erwies sich auch für die Wiederkehr des Gangsta-Rap als ein vertrackt-innovativer Soundladen, bei dem 50 Cent, G-Unit & Co. gern auch mal sonische Einkäufe tätigten. Die teilweise Porösität zu HipHop dürfte es Snoop Dogg (und Gangsta-Rap allgemein) aufgrund verwischter Abgrenzungen eher schwer machen, spezifisch weibliche Soundwelten des R&B auszuforschen und, wie einst bei P-Funk, mit misogynen Lyrics zu hijacken. Dafür wird auf »R&G« erneut eine auf »Can U Control Yo Hoe« ziemlich gruselig ausgefallene Vereinnahmung der Parliament-Soundästhetik vorgenommen (als der fatalere Schocker entpuppt sich aber der dreiste Tränendrücker »I’m Threw Witchu«, in dem der Pimp Daz solch entwaffnenden Soul-Schmalz auffährt, dass die ausgebeutete und sitzengelassene Frau womöglich noch Schuldgefühle wegen dem Schuft entwickeln könnte). Andererseits weist unter den HipHop-Jams »The Bidness« genial darauf hin, wie virtuelle Gangsta-Lebensaspekte aussehen können: um ein Blaxploitation-Funk-Szenario mit Stop&Go-Cuts unter Kontrolle bzw. sich bei Polizeiverfolgungen per digitalisiertem Break/Scratch-Anhalter in subtropische Electro-Gefilde in Sicherheit zu bringen. Das übertrifft nur noch der Billboard-No.1-Hit »Drop It Like It’s Hot«, Fortführung der spröden Klonforschungen der Neptunes. Als Tänzer habe ich es bei den multiplen T-1000-Verflüssigungen aber schon schwer, anlässlich Pharrells Zote »That’s whiter than what’s spillin‘ down your throat« nicht abrupt in den versubjektivierten Festkörperzustand zurückzukehren. Zwar muss sich Pharrells Verhältnis gegenüber den Ladies ein paar Oktaven höher bei den Falsetto-Anweisungen, die Kleider zu wechseln und auf den Fashion-Catwalk zu gehen (wozu Naomi Campbell in Jay-Zs »Change Clothes«-Video mit anderen Models lipsyncht und sich sicher nostalgisch an ihre Rolle als Drag Mannequin für George Michaels vergleichsweise maskuline Gospelstimme im »Freedom«-Clip zurückerinnert haben dürfte) nicht unbedingt durchgehend ändern (vgl. »Frontin«), aber zumindest bei der süßesten Liebeserklärung 2003 konnte er nicht nur Snoop Dogg, der 2001 den Kapitaleinstieg von G-Rappern in die Pornoindustrie salonfähig machte, mitreißen. Um eine Augenzeugin zu zitieren: »I swear, when Snoop and Pharrell’s »Beautiful« came out, crime dropped to an all-time low in South Central L.A. Gangstas were seen all over town crooning like bitches. They dropped their gats and bought floral arrangements for their ‚hos« (Heidi Sigmund Cuda). Die überschwänglichen Electrofunk-Holidays werden auch auf »R&G« mit u.a. Justin Timberlake an den Falsett-Vocals fortgesetzt und werten das überladene Album gehörig auf. Als weitere lichtblickbringende, teilweise nur als Sample anwesende Gäste seien noch Bootsy Collins, Nelly und Curtis Mayfield genannt.
Wo ist aber der schwarze Humor aus seiner MTV-Show Doggy Fizzle Televizzle geblieben? Zwar mag das selbserteilte »Masterpiece«-Prädikat bei einem Gutteil der Musik schon hinkommen, aber Snoop Doggs in der Sendung gezeigte (durch Vorzensur stimulierte?) selbstreflexive Fähigkeit, die Gangster-/Pimp-Glorifizierung im weiß-männlich-(post-)adoleszenten Rezeptionsraster zu persifilieren, reduziert sich auf »R&G« nur auf ein everybody’s Gangsta-Darling-Posertum mit vielen unnötigen provokanten Ausreißern. Dass die Kulturrelativismus-Argumente in deutschsprachigen Musikmedien bei den Sexismen im G-Rap immer weniger aufgebracht werden können, zeigt auch der Umstand, dass mit dem Fall »R&G« erstmals in der Geschichte des Zündfunks (Bayern2Radio) ein »CD der Woche«-Titel aberkannt wurde.