© Elsa Logar, Danilo Katz
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Raben-Nazis erwachen zum Leben

Im Dschungel Wien wurde am 18. Mai 2024 das slowenische Theaterstück »Mrličožerec« (»Der Leichenfresser«) von Lutke Mladje KDZ aufgeführt. Für das gruselige Puppentheater wurden statt Bartgeierfiguren Raben verwendet.

Diese ernsten Gesichter, die reglosen Mienen. Junge Frauen, ganz in Schwarz gekleidet, mit schwarzen Handschuhen, führen Rabenfiguren. Voll konzentriert. Diese Puppen sind nicht wie Marionetten an Fäden befestigt, sondern werden ganz offen mit der Hand geführt. Teils von zwei Frauen, inklusive kreisender Verrenkungen, die elegant gelöst werden. Im slowenischen Stück »Mrličožerec« (»Der Leichenfresser«), in der Regie von Ana Grilc, spielen schwarze Raben die Nazis. Der Ober-Nazi, der Großvater, trägt eine schwarze Lederjacke. Das Stück tourte bereits in Ljubljana und Klagenfurt/Celovec. In Kärnten/Koroska passierte dann das Unglück: Nach der Aufführung wurde genau die Kiste mit den Handfiguren stehengelassen. Die Theatergruppe kam erst gegen 17:00 Uhr am Spieltag im Dschungel Wien drauf, dass ihr die wesentlichsten Bestandteile des Stücks fehlten. Und dass es bis zum Beginn der Vorstellung um 19:30 Uhr nicht möglich sein würde, die Kiste nach Wien zu bringen. Also gingen ein paar der jungen Frauen flott einkaufen, andere suchten im Fundus des Jugendtheaters nach Möglichkeiten. Dann ging das Handwerken los! Ursprünglich wurde eine hellere Bartgeierfigur verwendet, denn diese sind die echten »Leichenfresser«.

© Elsa Logar, Danilo Katz

Ein dunkles Gruseln

Die mobilen Kulissen, ähnlich alten aufstellbaren Kasperltheatern, mit verdrehbaren Augen und beweglichem Mund, waren pünktlich angekommen. In »Mrličožerec« wird auf Slowenisch geredet, es gibt teils lange Untertitel, die auf Deutsch hinten an die Wand projiziert werden. Nach einer Rätselphase über das einstudierte Bewegungsorchester, die vielen Auftritte und Abgänge der Frauen, ereilt einen das dunkle Gruseln über den Raben-Nazi-Opa. Die Figur erwacht zum Leben. Es klingt seltsam, Nazis auf Slowenisch zu hören – doch es geht auch um slowenische Mittäter, um solche, die »zu den Deutschen wechselten«, warum auch immer. Eine Puppenspielerin, die bei der Puppentheatergruppe Lutke Mladje KDZ von Anfang an dabei war, spricht in ihrer Einleitung von »slowenischen Tätern«. »Slowenische Opfer« ruft wer aus dem Publikum dazwischen. »Opfer und Täter«, nickt sie und redet weiter. »Die Mittäter und die, die Widerstand leisteten – oft ging ein Riss durch die Familien«, sagt eine Kärntner Slowenin später. In ihrer Familie gibt es eine Art selbstgebastelte Tafel, auf der um alle gleichzeitig getrauert wird, die im Zweiten Weltkrieg den Tod fanden – egal auf welcher Seite. Ihre Schwester hat gerade das Buch über die Partisanin Jelka wieder gelesen: »Der Mann von Jelka hat für die Deutschen gekämpft! Jelka war inhaftiert und ihre Tochter hat auf der Gendarmerie gelogen, dass der Vater gefallen sei und man daher die Mutter freilassen müsse. Jelka kam im Zweifel frei, weil ja der Mann für das Vaterland gestorben sei.«

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Die traurige Lipa

Im Stück kommt ein ehemals verbotenes Lied über den Baum Linde vor – die slowenische Lipa, eine Art Symbol oder Wahrzeichen. (Anm.: Als einmal ein Slowen*innenvertreter neben Jörg Haider, der eine deutsche Eiche pflanzte, eine Lipa setzte, wurde dem Mann von progressiveren Leuten das Büro mit Graffiti vollgesprüht.) Die frisch gebaute Baumfigur Lipa hat große Augen und schaut traurig drein. Das Stück begleitet eine Zitherspielerin, mit liegender Zither, die in der slowenischen Musikschule in Bleiburg spielen gelernt hat. Da der echte Schlagzeuger mit seinem echten Schlagzeug heute fehlt, improvisiert ein großer junger Mann mit Becken und anderen Teilen eines Schlagzeugs. Super klingt das. »Dabei konnten wir nicht einmal einen Probedurchgang machen, wegen der neuen Puppen«, lacht er. Am Ende singen drei junge Frauen ein wunderschönes Lied über die Partisanin Jelka. Das Lied heißt »Trije rdeči žvižgi« (»Drei rote Pfiffe«) und stammt im Original von den Schmetterlingen. Das Lied und das Stück geben Hoffnung gegen all die Leichenfresser der Welt. 

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Link: https://www.instagram.com/lutkemladje/ 

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