Das Grundproblem jeder MusikjournalistIn liegt darin, auch nur annähernd jene enorme Energie in Sprache zu verwandeln, die uns anfliegt, wenn wir gute Musik hören. Philipp LʼHeritier konnte das. Dank seines detailreichen Wissens gelang es ihm die – wie er es selbst ausdrückte – »wunderlichen Referenzgewitter« gewisser Popphänomene mittels schlüssiger Urteile zu würdigen und in einen transparenten Kontext einzufügen. Was ihm da gelang, war zuweilen eine »Kritik als Kunst«.
Gemeinsame Jahre mit skug
Etwa zeitgleich fingen Philipp LʼHeritier und sein Freund Florian Obkircher in den Nullerjahren an, im skug zu schreiben. Philipp lebte seinen Enthusiasmus nicht nur als DJ sondern auch als Partyveranstalter aus. Die DJ-Gigs von LʼHeritier/Obkircher als TechnʼnʼRoll-Dreamteam für skug-presents-Konzerte machten besonders großen Spaß. Etwa als Backing für die Freakouts des Japaners Miss Hawaii in Wiener Venues oder für 15-Jahre-skug-Partys im Bastard/Berlin und im Kunstverein Wolfsburg im Oktober 2005. Keine Frage, die beiden zusammen, aber auch Philipp allein, konnten den Dancefloor richtig rocken!
Vermächtnis
Philipp betonte wie wichtig die Schreibwerkstatt skug für ihn als Einstiegshilfe war. Er verfasste zahlreiche Reviews und Artikel für die skug-Printausgabe, wo sein kritischer Scharfsinn und sein Humor stets durchschimmerten. In guter Erinnerung ist etwa seine großflächig assoziierende Titelstory über Nicki Minaj in skug #90, 4–6/2012. Sein letzter genialischer Beitrag für skug erschien in skug #102, 4–6/2015: »Fluchtpunkt Realität: D’Angelo und Kendrick Lamar« anlässlich deren prägender Alben »Black Messiah« und »To Pimp A Butterfly«. Dieser Text darf als ein wunderbares Vermächtnis von Philipp gelten:
www.skug.at/fluchtpunkt-realitaet-dangelo-und-kendrick-lamar/
FM4 & Printmedien
Philipp hatte den verwegenen Plan vom Musikjournalismus leben zu können und es glückte ihm. Das geschriebene Wort erwies sich als Philipps größte Stärke. Er begann für verschiedenste Medien zu publizieren von »The Gap«, »Groove« und »Spex« bis hin zu Tageszeitungen wie »Die Presse« oder »Der Standard«. Ein Ankerpunkt war seine Arbeit für den Radiosender FM4, wo Philipp auch seinem zweiten Faible, den Serien, nachspüren konnte. Ein wöchentliches Highlight war im Radio seine Rubrik »Der Song zum Sonntag«, den er mit selbst gesprochenem Text vortrug. In einer Mutation erschien dieser auch für »Die Presse« am Sonntag, als »Song der Woche«, den Philipp wöchentlich gemeinsam mit Thomas Kramar kürte. Unendlich traurig stimmt der letzte, für den 10. Dezember 2017 ausgewählte Song. »Tonya Harding« stammt vom Detroiter Musiker Sufjan Stevens, der über die US-Eiskunstläuferin »eine Hymne für ein kaputtgegangenes Symbol des kaputten amerikanischen Traums geschrieben hat, voller Herzblut.«:
http://fm4.orf.at/stories/2883133/
Voll ebensolchen Herzbluts war auch die selbst mit den melancholischsten Prädikaten gar nicht genug zu würdigende Schreibe Philipp L‘Heritiers.
R.I.P. Philipp!