Pharoah Sanders © Oliver Abels (SBT), Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Pharoah Sanders © Oliver Abels (SBT), Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Pharoah Sanders (1940–2022)

Ein kurzer Nachruf auf einen der ganz Großen und gleichzeitig zugänglichsten Avantgardisten des Jazz.

Pharoah Sanders, Wegbegleiter von John und Alice Coltrane, die Stimme des Spiritual Jazz schlechthin, Bandleader und bis heute einflussreicher Musiker, starb am 24. September 2022 in Los Angeles im Alter von 81 Jahren. Die musikalische Karriere des Sopran- und Tenorsaxofonisten fand ihren Anfang mit keinem Geringeren als John Coltrane, der ihn für seine beiden bereits äußerst experimentellen Alben »Ascension« und »Meditations« (beide 1966 erschienen) verpflichtete. Mit »Tauhid« (1967) begann sein zehnjähriges Hoch bei Impulse, gefolgt von »Karma (1969), »Deaf Dumb Blind (Summun Bukmun Umyun)« (1970), »Love in Us All« (1977) u.v.m.

Sanders spielte u. a. mit Don Cherry, Ornette Coleman und Albert Ayler. Ganz zu Beginn aber traf er auf Sun Ra. Wie wichtig dieses Treffen in den 1960ern waren, lässt sich nur vermuten. Während Sun Ra mit seinem Arkestra den Space als letzten Zufluchtsraum für die Schwarze Community anpeilte, blieb Sanders, von Sun Ra zum »Pharoah« erkoren, doch relativ irdisch und vertraute auf die universale Liebe und den Masterplan Gottes. Statt mit Raumschiffen die Erde zu verlassen, suchte er Inspiration und Zuflucht im Islam und afrikanischen, spirituellen Strömungen, die für seinen »Spiritual Jazz« wesentlich waren.

Pharoah Sanders © Oliver Abels (SBT), Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Das hörte man auch in seiner Musik, den lieblichen Melodien und den warmen, bunten Klängen von jemandem, der bloß von der Liebe Gottes auf Erden erzählt. In späteren Jahren wurden R&B- oder Bop-Einflüsse in den Sanders-Kosmos eingewoben, 1977/1978 sogar Disco. Schwierige Zeiten waren das und erst in den 1990er-Jahren sorgten flockige Produktionen von Bill Laswell für ein Comeback: »Save Our Children« und »Message from Home«. Aus letzterem gemeindet »Our Roots Began in Africa« ein klein wenig auch Weltmusik ein.

Auf Sanders Musik als Heilversprechen war insbesondere in seinen in langen ekstatischen Bögen aufgebauten Live-Auftritten Verlass. Sein letztes Konzert in Österreich spielte er 2013 im Porgy & Bess, das, nach einer Krankheit bereits einmal verschoben, einen etwas angeschlagenen Sanders zeigte, dessen Aura aber nach wie vor raumeinnehmend war. Einen letzten großen Wurf landete er 2021 mit der Veröffentlichung von »Promises«, der Zusammenarbeit mit dem House/Nu Jazz/IDM-Musiker Floating Points und dem London Symphony Orchestra, das wiederum an seine Zusammenarbeit mit Alice Coltrane gemahnt, 1971 auf »Journey in Satchidananda«, als alles gerade richtig anfing.

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Text
Lutz Vössing

Veröffentlichung
27.09.2022

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