Ich könnte es mir leicht und Leser*innen diesen Konsumhinweis vor allem damit schmackhaft machen, dass ich auf historische Vorbilder der Musik von Phantom Horse verweise. Alben wie »Deluxe« von Harmonia, »Sowieso« von Cluster oder Hans-Joachim Roedelius’ »Selbstportrait«-Reihe werfen eindeutig ihren langen Schatten auf nicht nur dieses Album von Phantom Horse. Zu ergänzen wäre dann nur noch eine ebenso diffuse wie geschmackvolle Genre-Bezeichnung – sagen wir mal »krautige Elektronik« – und schon wäre der Zielgruppe (ich hoffe sie existiert außer meiner Social-Media-Blase) Genüge getan. Wem also die genannten Klassiker des Krautrock nicht fremd sind und wer mit Pionier*innen elektronischer Musik wie Suzanne Ciani, JD Emmanuel, Wendy Carlos, Tangerine Dream, Ariel Kalma und Emerald Web oder zeitgenössischen Vertreter*innen im musikalischen Underground wie DSR Lines, Pulse Emitter oder Norm Chambers/Panabrite vertraut ist, dem oder der muss ich hier nur dezent mit dem Zaunpfahl winken – alles klar, ihr wisst Bescheid. Leser*innen, die sich, vom (vermeintlich exklusiven) Insiderwissen mehr oder minder angewidert, bereits nach diesen wenigen Zeilen abwenden wollen, rufe ich hingegen zu: Halt! Stopp! Nicht so schnell den analogen Synthesizer in den Kabelsalat werfen! Fangen wir noch mal von vorne an. Versöhnlicher gestimmt und dem sogenannten Mainstream zugeneigt, frage ich rhetorisch: Wer hat nicht »Stranger Things« gesehen? Eben! Und hat nicht der Soundtrack zu dieser Serie einige Aufmerksamkeit erregt? Auch in den Ohren jener, die nicht bereits seit 1968 »Switched on Bach« sind? Ja, und weil dem so ist, hier der Versuch, die Musik von Phantom Horse jenseits von Szene-Talk und dem vorschnellen Vorwurf der Retromanie zu beschreiben. Aber wie? Zunächst vielleicht so: Die Musik ist unheimlich zugänglich. Unheimlich durchaus im doppelten – auch cineastischen – Sinne, und da komme ich doch nicht umhin, schon wieder einen weiteren Namen fallen zu lassen, den von John Carpenter nämlich. »Escape from New York«/»Die Klapperschlange« usw. – elektronische Filmmusik, den ins Bild gesetzten finsteren Dystopien kongeniale Klangflächen. Eine Referenz mehr. Aber zurück zum Versuch, die Musik selbst zu beschreiben. »Zugänglich« war die Vokabel, und gleich habe ich mir einen Widerspruch zu den doch eher lebensfeindlichen Bilderwelten Carpenters aufgehalst – da passt der Hinweis auf die friedlich bekifften Kraut-Elektroniker doch wesentlich besser, siehe oben. Aber immer noch kein Wort zur Musik jenseits solcher sich – für Insider*innen – immer schon selbsterklärenden Verweise. Ist das so schwer oder bin ich mittlerweile zu verblendet und unfähig, um unter Absehung anderer Platten auf die von Phantom Horse hinzuweisen? Ich versuch’s noch mal: Phantom Horse machen mit Hilfe von (nicht nur analogen) Synthesizern und weiteren elektronischen Geräten instrumentale Musik, die sich dadurch auszeichnet, ebenso wohlstrukturiert wie – ich sagte es bereits – zugänglich zu sein. Ohne den investierten Aufwand, der zweifelsohne in dieser Musik steckt, schmälern zu wollen, ließe sich sagen: »Mehr Null« ist ein idealer Begleiter für sonntägliche Spaziergänge durch den Garten im Winter oder schwarzen Tee auf der Couch im Wintergarten. Hier liegt in der Ruhe jede Menge Kraft. Musik, die eine freundliche Zuversicht vermittelt, Musik, die wärmt. Musik, die eine gewisse Beschaulichkeit, Müßiggang und Entschleunigung ermöglicht, ohne dass gleich – zur Beruhigung des schlechten Gewissens und ob des Verdachts der Faulheit – die Yoga-Matte ausgerollt werden muss. Wisst ihr, was ich meine? Himmelherrgott noch mal, ihr wisst doch alle ganz genau, worauf ich hinauswill! Also quält mich nicht länger und tut euch was Gutes.
Phantom Horse
»Mehr Null«
Umor Rex
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