© Elsa Logar
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Peršmanhof: »Damit das Slowenische ein Zuhause hat«

Es ist eine große Gemeinheit, junge Leute einzubremsen, die sich engagiert um das Gedenken an slowenische Opfer des Nationalsozialismus bemühen. Und mutig versuchen, sich mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

»Wir sind jetzt viel zusammen und bauen uns gegenseitig auf. Es gibt gerade sehr engen Austausch und Zusammenhalt mit dem Verein Društvo Peršmanhof, dem Verband der Partisaninnen und Partisanen und uns vom Klub Slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien«, erzählt eine junge Frau, die bei dem eskalierten Polizeieinsatz in der Gedenkstätte und dem Museum am Kärntner Peršmanhof am 27. Juli 2025 dabei war, am Telefon. »Viele sind wütend und es werden Konsequenzen gefordert. Die Hoffnung ist, dass diese ganzen Vorgänge dazu führen, dass man sich zum Antifaschismus bekennt!«, meint sie, die sich hier Sava Ivnik nennen möchte. »Keine Kriminalisierung des Antifaschismus! Antifaschismus ist keine Straftat und darf auch keine werden!«, steht dann auch auf einem Flugblatt bei der lauten Demonstration einige Tage später vor dem Innenministerium in der Wiener Herrengasse. »Finger weg vom Peršmanhof!«

Die vierte Generation nach dem Nationalsozialismus engagiert sich sehr, entdeckt voll Freude und unruhiger Energie ihre slowenischen Wurzeln. Diese jungen Leute erlebten noch ihre Großeltern mit, die in der Nazizeit Kinder waren und als Slowen*innen existenzielle Probleme bekamen. »Deine Oma hat im Alter und in der Demenz nur noch Slowenisch geredet, kein Deutsch mehr – welchen Bezug hattest du als Kind zur slowenischen Sprache?« »Als Kind hatte ich sehr wenig Bezug zur Sprache, sie war für mich sehr weit weg. Ich habe eine große Distanz zu meinen Großeltern gespürt, auch wegen der Sprache. Die beiden unterhielten sich immer auf Slowenisch. Ich konnte nur einzelne Sätze und ein Gedicht aufsagen.« Die Mutter hatte ihrer Tochter nur wenig Slowenisch weitergegeben. Trotzdem begann die junge Frau Jahre später, intensiv zu suchen. Auf eigene Faust quasi.

Kein Nachholen möglich

»Du hast zeitweise in Ljubljana studiert, warst jetzt schon öfter auf dem Peršmanhof – hast du das Gefühl, du willst etwas nachholen, was du als Kind verpasst hast, aber für dein Leben brauchst? Deine Mutter verließ ja den Bauernhof an der Grenze und ging nach Wien?« Sava überlegt: »Ob ich Erfahrungen nachholen kann, weiß ich nicht. Ich merke schon, dass ich einen anderen Weg habe als viele Freundinnen und Freunde, die in Koroška aufgewachsen sind. Momentan habe ich das Gefühl, mehr in Kärnten verankert zu sein. Aber aufholen geht nicht.« Beide Uropas der jungen Frau galten den Nazis als »Nationalslowenen« und daher als »sture Charaktere«. Der eine hatte Tabak in einem doppelten Fassboden versteckt, die Partisanen wussten das und kamen sich welchen holen. Dafür wurde der Uropa in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, denn einer der Partisanen war als Verräter zu den Nazis gegangen. 

Aus dem KZ wurde der Uropa aber, soweit der momentane Wissensstand, nach ein paar Wochen entlassen und durfte nach Hause. (Eventuell war es sinnlos, einen Bergbauern, der an Kälte gewöhnt ist, mit den Dachauer Unterkühlungsexperimenten zu quälen.) »Mein Vater fror aber sein Leben lang. Er wurde niemals wieder zu dem Menschen, der er vor Dachau war«, erzählte die Oma, die als Mädchen unter dem starken »Schaden« ihres Vaters zu leiden hatte, ihren Enkelkindern. »In Dachau hat er im Wasser stehen müssen. Wie er wiedergekommen ist, hat er schon anders ausgesehen. Er hat dann viel getrunken.« In der Familie hielt sich über Generationen der Spruch: »Hier raucht es wie in Dachau«, wenn es beim Heu in die Tenne Hinaufwerfen so sehr staubte. Lange Zeit wussten die Nachfahr*innen nicht, was dieses ominöse »v Dachauv« (ausgesprochen: »u Dochau-u«) bedeuten soll. 

Eigenständig auf der Suche

»Es zieht mich sehr hierher, nach Koroška«, sagt Sava am Telefon. »Ich fühle mich immer mehr verbunden mit dem Ort und der Kärntner slowenischen Minderheit. Ich sehe auch, was und wie viel es hier zu tun gibt! Auch landwirtschaftliche Arbeit genieße ich sehr.« Sehr lange bleibt eine andere junge Frau still, als die Frage gestellt wird, wann und wie sie zum ersten Mal vom Holocaust und der Vertreibung der Slowen*innen gehört hat. »Der Opa hat mit mir Slowenisch geredet, aber eher harsch und viele Schimpfwörter. Tiho bodi! Sei ruhig! Die Oma tröstete mich als Kind mit slowenischen Liedern und Gebeten1.« Und sie, die sich hier Urška Gora nennen möchte, spricht ein Gebet ihrer Oma nach: »Angelček, Angelček« – »Engelchen, Engelchen«. Nach der ersten Zeile kommt sie ins Stocken. 

»Ich habe mir später alles über die Kärntner-slowenische Rolle im Nationalsozialismus selber beigebracht, vorher war Slowenisch für mich nur eine Sprache. Ich wusste nichts vom Kontext – wie groß das Ganze war.« Nach weiteren Überlegungen meint Urška, dass sie doch schon früher von den Aussiedelungen wusste, denn »der Hof von der Oma sollte ebenfalls ausgesiedelt werden, aber dann war der Krieg vorbei. Meine beiden Opas standen als Bauern auf der Liste der Nazis2, der eine als Jugoslawe, der andere als sogenannter Nationalslowene.« Ihr Vater redete kaum Slowenisch mit ihr, obwohl er erst in der Schule Deutsch gelernt hatte. Urška lernte in der Volksschule »sehr distanziert« etwas Slowenisch, »aber in der Hauptschule in Lavamünd herrschte so ein Slowenenhass, dass wir uns ganz schnell abgewöhnten, Slowenisch zu reden.«

Geschichtsaufarbeitung

Urška arbeitet seit Jahren als Vermittlerin am Peršmanhof. Bei den Gedenkfeiern ist sie immer dabei. »Wir zeigen die einzige Dauerausstellung in Kärnten, die sich mit dem Widerstand der Partisaninnen und Partisanen beschäftigt. In der Nacht ist es aber schon manchmal gruselig am Peršmanhof. In der Nacht mache ich die Tür zur Ausstellung zu. Geschlossene Türen sind mir wichtig.« Sie selbst würde am Peršmanhof arbeiten, damit »das Slowenische ein Zuhause hat«. Aber wie geht es der jungen Frau an einem einsamen Ort in den Bergen, an dem so viele Menschen, auch Kinder umgebracht wurden? »Es ist schon eine Mutprobe. Eine Freundin sagte einmal, man spürt am Hof, dass etwas da ist – aber es ist nicht böse. So fühle ich auch. Es ist schon etwas da, aber es tut mir nichts3 

Drei Kinder überlebten den Angriff der SS-Leute, wobei Ana Sadovnik sogar bis 2008 am Peršmanhof lebte. Amalia Sadovnik ist bis heute manchmal Zeitzeugin. »Der Prozess gegen die Täter fand damals noch unter britischer Besatzung statt. Auf Deutsch, obwohl die Kinder nur Slowenisch sprachen, deswegen gab es viele Missverständnisse. Die Dolmetscherin vor Gericht war eine erst 17-jährige Nachbarin. Die Kinder erhielten nie psychologische Betreuung.« 

Kein Respekt vor dem Ort

Und nun, in einer anderen Zeit und in einem anderen Gesellschaftssystem, sind erneut Männer in Uniformen und mit Waffen auf dem Peršmanhof: »Die Polizisten wirkten so, als ob sie eine Mission hätten«, schätzt Urška den Einsatz ein, der ja tagelang vorbereitet worden war. »An einem Gedenkort erwartet man nicht so eine Aggression und Gewalt. Ich habe das Ganze emotional noch nicht gecheckt, denn am Sonntag war der Einsatz, am Montag war eine große Jugendlichen-Organisation da und am Dienstag gab es eine Führung für hundert Personen! Die Szene mit dem Polizisten, der die Hand an der Waffe hat und herumschreit, werde ich so schnell nicht vergessen. Zwei Leute wurden verletzt. Es gab keinen Respekt vor dem Ort.«

Die Gesellschaft sollte wirklich den Mut und die Kraft dieser jungen Leute anerkennen, die diesen früher gruseligen Ort in eine Gedenkstätte und ein Museum verwandelten. Der vierten Generation nach der Nazi-Verfolgung  braucht niemand den Schneid abzukaufen! Vor allen Dingen niemand, der selber in der Gegend aufgewachsen ist und sich eher noch nicht mit seiner eigenen Familiengeschichte beschäftigt hat.

1 Omas Gebet, auf Kärntnerisch Slowenisch aufgeschrieben:

Angelček, Angelček,
ti si pa muij,
jaz sem pa tvuij.
Zdaj gram počivat in spat
pusti mi zdrava grustat.

2 Zur Liste der Nazis siehe das Buch: Marija Wakounig, David Ressmann, Simon Urban (Hrsg.): »Spurensuche zwischen den Zeilen. Zum Schicksal der Kärntner Slowen*innen im 20. Jahrhundert«. Hermagoras Verlag, 2025.

3 Die Autorin übernachtete vor Jahrzehnten im Zuge einer Veranstaltung am Dachboden des Peršmanhof und tat die ganze Nacht kein Auge zu, weil die am Hof lebende Überlebende des Nazi-Massakers immer wieder laut schrie. Die Arme litt an extremen Alpträumen. Am nächsten Tag trank die Autorin mit dem Sohn der Partisanin Jelka Schnaps aus seinem Flachmann und die Farben der Landschaft wurden plötzlich ganz intensiv. Beide kamen dann nur sehr langsam den Berg hinauf.

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