park jiha
Park Jiha

»All Living Things«

Glitterbeat

Park Jiha ist eine koreanische Komponistin, »All Living Things« ihr viertes Album und das erste, von dem ich Kenntnis nehme. Die minimalistischen Kompositionen, gespielt auf verschiedenen akustischen Instrumenten und erweitert um elektronische Elemente, sind sorgfältig ineinander verwoben und zartgliedrig in der Erscheinung. In Genrebegriffe gefasst, changiert die Musik zwischen Ambient und Modern Classical Music, sie erinnert mich hier und da an den freundlichen, manchmal vielleicht ein wenig süßlichen musikalischen Minimalismus von Michael Nyman oder die kargen Klangwelten von Richard Skelton – aber ich gebe zu, im weiten Feld der angesprochenen Genres stehe ich ziemlich verloren herum, will sagen: Ich kenne eine ganze Menge möglicher zu nennender Referenzen nicht. Aber darin liegt ja die Chance, einfach mal nur zuzuhören. Und das habe ich dann auch getan, und es hat sich gelohnt. Die Musik von Park Jiha eignet sich zur unvoreingenommenen Begegnung ganz wunderbar. Sich auf die zugänglichen und sich langsam entwickelnden Kompositionen einzulassen, fällt nicht schwer, sie sind der Geste nach freundlich und einladend gestimmt, überfordern nicht. Von den handwerklichen Mühen und Abstraktionsleistungen, die diesen musikalischen Arbeiten zugrunde liegen, spürt man während ihres Genusses nichts. Elegant schmeichelt sich jeder Ton in den Gehörgängen ein. Das klingt so hingeschrieben schon fast nach der Art lobender Kritik, die eigentlich nur freundlich verbrämt zum Ausdruck bringt, dass »nett« die kleine Schwester von »Scheiße« ist, aber so möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht verstanden werden. Ich fremdele tatsächlich ein wenig mit der expliziten Schönheit dieser Kompositionen, vergegenwärtige mir aber gleichzeitig das zugrundeliegende Konzept des Albums, das sich um die Kostbarkeit allen Lebens und dessen vielgestaltige Entfaltungs- und Erscheinungsweisen dreht. Die Musik will sagen: Schau dich um, höre hin, höre zu, die Welt ist schön. Natürlich laufe ich Gefahr, dies zu vergessen oder gar abzulehnen, wenn ich täglich medial mit der Ignoranz, Rücksichtslosigkeit und Selbstgerechtigkeit politischer Entscheidungsträger*innen und global drohenden Unheils konfrontiert werde. Da kann die Musik von Park Jiha in ihrem versöhnlichen Charakter mitunter wirken wie eine beschwichtigende Geste, eine Einladung, ins Achtsamkeitsseminar statt auf die Barrikaden zu gehen – aber ich meine zu wissen, dass es beides braucht, und insofern ist mir Park Jihas »All Living Things« sehr willkommen. Das schließt ja nicht aus, dass ich bei Bedarf und eingedenk der Ungerechtigkeiten und Hässlichkeit, die mir täglich auch vor Augen stehen, anschließend Napalm Death auflege. 

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Text
Holger Adam

Veröffentlichung
24.03.2025

Schlagwörter

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