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Orcutt Shelley Miller

»Orcutt Shelley Miller«

Silver Current Records

Zebulon, Los Angeles, 13. April 2024: Die Altherrenmannschaft hatte sich Gitarre und Bass umgeschnallt und die Felle neu bespannt und trat zum Leistungstest an. Bill Orcutt (früher Harry Pussy), Ethan Miller (früher Comets on Fire) und Steve Shelley (früher Sonic Youth) spielten als klassisches Power-Trio Jam-Rock, der seinen Bestandteilen nach natürlich an die Bands erinnert, in denen die Underground-Silberrücken früher aktiv waren. Früher, ja früher … Die Zeiten für ausufernden instrumentalen Indie-Noise-Rock, souverän und leidenschaftlich rausgelärmt, sind vielleicht nicht vorbei, aber die Zielgruppe wird auch nicht jünger – und die gemeinsame Erfahrung des partiellen Hörverlusts schweißt zusammen. Fünf Tracks versammelt die vorliegende Live-Aufnahme, die haben alle irgendwelche Titel und ob der erste, »A Star Is Born«, an Kris Kristofferson und Barbara Streisand erinnern will, ich weiß es nicht, merke es aber an, weil vor allem Bill Orcutt ja für ganz gute Gags bekannt ist, wenn es um die sinnfällige Betitelung experimentell-instrumentaler Musik geht. Legendär: »Why Does Everybody Love Free Music But Nobody Loves Free People?« oder, noch pointierter: »An Account Of The Crimes Of Peter Thiel And His Subsequent Arrest, Trial And Execution«. Humor hat er, der Bill. Im Trio mit Ethan Miller und Steve Shelley lässt er es aber auch etwas ruhiger angehen, als man es gewohnt sein kann, wenn man ihm schon länger folgt. Es geht bisweilen recht stimmungsvoll zur Sache, Westcoast-Psychedelia und Erinnerungen an den britischen Blues der 1960er-Jahre scheinen hier und da durchs ausgefranste Klangkleid. Am ehesten hätte ich also in der Benennung der Live-Jams Zitate oder Variationen von Titeln der Jeff Beck Group, von Cream oder John Mayall & The Blues Breakers erwartet – aber vielleicht habe ich auch den einen oder anderen Kalauer gar nicht entdeckt, ich weiß ja auch nicht alles. Das wäre ja noch schöner. Schön ist aber so oder so die vorliegende Live-Aufnahme, weil sie so angenehm die Atmosphäre einzufangen weiß, die herrscht, wenn man sich an einem Samstagabend entspannt auf den Weg macht, alleine oder mit mehreren, um sich in einem angenehm angeschmutzten Schuppen eine Band anzuschauen. Ein kaltes Getränk der eigenen Wahl dazu (oder zwei, drei), rumstehen, sachte zur Musik mit dem Kopf nicken und nicht den leisesten Gedanken an irgendetwas anderes verschwenden. Diese Vorstellung mag dir vielleicht langweilig erscheinen, ist okay, du kannst ja woanders hingehen. Wir wollen hier aber weiter zuhören. Kannst auch bleiben, aber dann halt den Schnabel und quatsch nicht dazwischen, während wir uns mit der Band dem Moment hingeben, auf dass er nie vergehen möge. Aber auch das hingebungsvoll zusammengelärmte Live-Set von Steve Shelley, Ethan Miller und Bill Orcutt endet nach etwa vierzig Minuten, Applaus, das Licht geht an, und idealerweise, der Abend ist noch jung, steht die Frage im Raum, ob und wo man noch einen Absacker zu sich nimmt – und dann geht’s wieder nach Hause. Frei nach Harald Juhnke: »Keine Termine und leicht einen sitzen«, herrlich.

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