© Benjamin Palme
© Benjamin Palme

Off_Script – Zwischenbilanz nach einem halben Jahr

Die Off-Script Schreibwerkstatt, unser zweijähriges Erasmus+-Projekt, läuft nun ein halbes Jahr. Angesichts dessen wagen wir eine kritische Selbstreflexion und berichten über tolle Kooperationen und intergenerationale Herausforderungen.

Euer Off_Script Team hat sich fleißig durch das erste halbe Jahr geschrieben und will einmal mehr eine kurze Zwischenbilanz ziehen. Vier Workshops in Wien und zwei in den Bundesländern haben wir bereits hinter uns und wieder einiges dazugelernt. Nicht nur wurden wir mit kreativen Geschichten und schreiberischem Willen überschwemmt, wir mussten gleichzeitig erkennen, dass sich zwei Jahre nach »untergründlich divers« auch Dinge wie KI, Teilhabe und das Bedürfnis nach Authentizität verändert haben. Hier fünf Learnings, die wir als Schreibwerkstatt in Zeiten autogenerierter Schreibmacherei und Ja-vielleicht-komme-ich-eh-Mentalität gesammelt haben:

1. Kooperation ist alles!

Wir hatten bereits die wunderbare Möglichkeit, dank des Demokratie Repair Cafés Schreibwerkstätten in Feldkirch und Salzburg durchzuführen – nachdem auch Workshops in Bundesländern ein integraler Teil des neuen Projekts sind. Da es sich dabei um Happenings im öffentlichen Raum handelte, war auch der Output entsprechend vielfältig. Beiden Terminen war jedoch eines gemeinsam: Durch die Zusammenarbeit verschiedener Organisationen kann etwas Größeres entstehen. Besonders bei der Schreibwerkstatt in Feldkirch – mit einer Rekordzahl von fast 20 Teilnehmer*innen – haben wir diese Wirkung stark gespürt. Am Vormittag wurden durch das Demokratie Repair Café aktuelle, von den Teilnehmer*innen eingebrachte Themen mit Schwerpunkt Demokratie diskutiert; am Nachmittag konnten sie ihre Gedanken in Textform fassen. Das Fazit: Wir wollen mehr davon. Da uns noch einige Workshops in den Bundesländern bevorstehen, hier unser Appell: Wenn jemand Interesse an einer Kooperation hat, die für beide Seiten fruchtbar ist – we are all here for it.

Workshop in Feldkirch und Salzburg mit dem Demokratie Repair Café

2. ChatGPT hat den Willen zum eigenen Schreiben beeinflusst 

Der erste Punkt ist vielleicht nur ein hypothetischer, aber Fakt ist: Als wir vor über zweieinhalb Jahren unsere Schreibwerkstatt gründeten (damals noch als »untergründlich divers«), waren unsere Workshops – trotz minimaler Reichweite – von Anfang an gut besucht. Obwohl wir dieses Jahr mit deutlich mehr Vorbereitung, größerem Standing und vor allem ausgearbeiteten Workshop-Konzepten in die »Saison« gestartet sind, war es ernüchternd, zu sehen, dass sich unsere Teilnehmer*innenzahl stark reduziert hat. Es lag jedoch nicht an den großartigen, motivierten Teilnehmer*innen, die da waren – jede Einheit war lehrreich. Die Frage bleibt also: Woran liegt es? Eine erste Theorie wäre ein Überangebot an Workshops, aber das gab es vermutlich schon damals. Eine zweite, natürlich grobe Hypothese: ChatGPT & Co. haben unsere Sicht auf den Wert des eigenen Schreibens verändert. Als interdisziplinäres Team aus Journalist*innen und Schreibdidaktiker*innen spüren wir diesen Trend auch in unserer Arbeit. Unser erstes Learning lautet also: Wir müssen diese Entwicklungen ernstnehmen und ihnen Raum in unseren Workshops geben. KI pauschal zu verteufeln, bringt uns nicht weiter – ihr einfach zu verfallen, aber ebenso wenig. Die Konsequenz: Wir werden unter anderem auch einen eigens konzipierten Workshop zu KI gestalten – möglicherweise sogar mit einem*einer Expert*in auf diesem Gebiet.

3. Qualität ist nicht Quantität

Wir bieten unsere Workshops bewusst kostenfrei an – nicht zuletzt dank der großartigen EU-Förderung, die uns das ermöglicht. Das war uns wichtig, denn da draußen gibt es ohnehin genug teure Schreibtrainings für »Amateure« und »Profis«. Unser Prinzip lautet daher: Verbindlichkeit entsteht durch Vertrauen, nicht durch Teilnahmegebühren. Im Orkus des Internets ist man als kleiner Verein dabei leider ein bisschen verloren: Sichtbarkeit kostet Aufmerksamkeit, Reichweite hängt von Algorithmen ab und selbst gute Inhalte gehen schnell unter. Das wirft für uns die Frage auf: Was bedeutet Verbindlichkeit heute überhaupt noch? Natürlich ist uns Qualität wichtiger als Quantität – ein intensiver Workshop mit zwei engagierten Menschen kann wertvoller sein als einer mit zwanzig halb abgelenkten. Aber manchmal wünschen wir uns trotzdem ein bisschen mehr Fülle: nicht, um Zahlen zu steigern, sondern um die kollektive Energie zu spüren, die entsteht, wenn viele Menschen gleichzeitig schreiben, denken und sich gegenseitig inspirieren. Wie also können wir niederschwellig arbeiten, ohne unsere Prinzipien zu verlieren – ohne uns Mechanismen zu beugen, die in Wahrheit das Gegenteil von Niederschwelligkeit darstellen? Vielleicht braucht es gerade jetzt neue Formen von Teilhabe: analoge Räume, in denen Begegnung wieder mehr zählt als Reichweite. Vielleicht wächst das Bedürfnis nach echten Momenten, sobald die digitale Übersättigung ihren Höhepunkt erreicht hat.

Workshops in Wien an verschiedenen Standorten

4. Schreiben ist intergenerational

Unsere Workshops haben zwar einen klaren Fokus auf die Förderung junger Stimmen – trotzdem fällt uns immer wieder auf, dass Schreiben ein zutiefst intergenerationales Bedürfnis ist. Geschichten, Perspektiven und Erfahrungen sind kein Privileg einer Altersgruppe, sondern entstehen im Austausch zwischen Generationen. Gerade in Gruppen, in denen Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten, Sprachen und Zeiterfahrungen zusammenkommen, entsteht eine besondere Dynamik: Jüngere bringen oft den Mut zum Experiment mit, Ältere die Ruhe und das Vertrauen in den eigenen Ausdruck. Die einen lernen, wie befreiend es ist, ohne Angst zu schreiben; die anderen, dass auch Unsicherheit produktiv sein kann. In einer Gesellschaft, die Alterskohorten zunehmend voneinander trennt – sei das digital, sozial oder räumlich – ist gemeinsames Schreiben vielleicht eines der wenigen Felder, wo echter Dialog noch möglich ist. Für uns bedeutet das: Generationenübergreifendes Arbeiten ist kein Zufallsprodukt, sondern ein Mehrwert. 

5. Warum wir die eigene Schreibstimme vielleicht mehr denn je brauchen

Wir verstehen uns als Verfechter*innen der Demokratie und gerade in einer Zeit zwischen KI-generiertem Kulturmüll und einem Internet, das zunehmend nach den Maßstäben einiger weniger, autoritär agierender Player funktioniert, halten wir den Zugang zur eigenen Stimme für essenzieller denn je. Natürlich muss sich diese Stimme nicht zwingend schriftlich ausdrücken. Doch selbst wenn Schreiben nicht das bevorzugte Ausdrucksmittel ist, glauben wir, dass man durch Schreiben seine Stimme formen und hörbar machen kann. Es ist wichtig, dass wir als Menschen nicht verklingen. Wenn wir lernen, Zugang zu dieser Stimme zu finden – gerade in einer Zeit, in der sie durch den Äther der ewigen Wiederholbarkeit nivelliert zu werden droht – dann gewinnen wir Macht. Macht über unsere Agenden, über unsere Ziele und über die Wünsche, die unsere Zukunft formen. 

© Benjamin Palme

Die nächsten Schreibwerkstätten 

  • 12. November 2025: »Pitch perfect – Wie funktionieren Pitches?«; gemeinsam mit Journalist und Experte Christoph Benkeser; von 18:00 bis 20:00 Uhr im GB*Stadtteilbüro, Haberlgasse 76, 1160 Wien
  • 17. Dezember 2025: »10/10 – Zehn Tipps für Rezensionen«; von 18:00 bis 20:00 Uhr im Seminarraum Radio Orange 94.0, Klosterneuburgerstraße 1, 1200

Möchtest du an einem Workshop teilnehmen oder hast Fragen? Melde dich unter: schreibwerkstatt@skug.at. Du willst über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden bleiben? Folge uns auf: www.instagram.com/off_script_schreibwerkstatt/.

Von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen der Autor*innen und spiegeln nicht zwingend die der Europäischen Union oder der OeAD-GmbH wider. Weder die Europäische Union noch die OeAD-GmbH können dafür verantwortlich gemacht werden.

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