Mouse On Mars, namentlich Andi Toma und Jan St. Werner, drehen, schrauben und stöpseln nun auch schon seit 30 Jahren an elektronischer Ausrüstung herum. Mit ihrer Musik haben sie von Anfang an weit über die Grenzen ihrer rheinischen Heimat hinaus Aufmerksamkeit erregt, das Debütalbum erschien damals beim englischen Label Too Pure und zuletzt wurden sie von Thrill Jockey verlegt, dem schon eher etwas größeren amerikanischen Indie-Label. Zur Veröffentlichung von »Bilk« sind sie nach Hause gekommen, zum Kölner Label Sonig, das fast vor allem deshalb gegründet wurde, um die Musik von Mouse On Mars nach dem Weggang von Too Pure zu veröffentlichen. Die Mehrzahl aller Studioalben des Duos erschien auf Sonig. Zum Jubiläum, und wer weiß aus welchen in Zukunft bedeutsamen Gründen noch, haben Mouse On Mars mit »Bilk« (bereits im letzten Quartal 2023) eine ihrer frühesten Arbeiten überhaupt veröffentlicht. Ursprünglich 1994 als Radiobeitrag in Finnland gesendet und dann archiviert, beinhaltet »Bilk« eine durchgehende (und hier auf zwei LP-Seiten verteilte) Audio-Collage, bestehend aus allerlei elektronischen Instrumenten und Effekten und spärlich eingesetzten Field-Recordings. Im Resultat entfaltet sich die detailreiche Komposition ohne Eile und zeigt eine auf exaltierte Posen verzichtende und eher nach Klängen forschende denn club-taugliche Seite von Mouse On Mars. Im Werk des Duos mangelt es durchaus nicht an Musik für den Dancefloor, aber »Bilk« zielt eher auf den Kopf statt auf die Beine. Als historische Vorbilder fallen mir da immer schnell Cluster ein (die pulsierende Rhythmik, das wimmelnde, sachte drängelnde Piepsen, Summen, Brummen und Knistern), nur, Krautrock-Veteranen ins Feld zu führen geht zwar immer (irgendwie), ist aber (oft), wenn nicht ganz falsch, so doch mindestens irreführend. Weil, es ist ja einiges in den letzten 50 Jahren passiert und auch nicht spurlos an Mouse On Mars vorbeigegangen. So erinnert mich die Musik auf »Bilk« auch an Black Dice oder Black to Comm oder manche Aufnahmen von Jan Jelinek – aber diese Bands und Projekte sind nach »Bilk« entstanden. Sie können nur in der Logik des Algorithmus eines Streaming-Dienstes als ahistorische Referenz dienen: »Menschen, die Mouse On Mars mögen, mögen auch …« Mit Blick auf das weite Feld der sogenannten Leftfield-Electronica der frühen bis mittleren 1990er-Jahre (der Entstehungszeitraum von »Bilk«) und darüber hinaus muss ich allerdings zugeben, ich habe da nicht wenige blinde Flecken; frag’ mich nicht nach Autechres »Amber«, auch aus dem Jahr 1994, und ich hatte auch nie ein »De:Bug«-Abo, später. Aber sei’s drum bzw. ist das auch egal, weil »Bilk« ist so oder so eine sehr schöne Platte: Wenn man Mouse On Mars mag oder entdecken will, kann man hier quasi vorne anfangen. Und wenn man ohnehin immer auf der Suche nach kluger experimenteller elektronischer Musik ist, dann ist man mit »Bilk« auch bestens versorgt.
Mouse On Mars
»Bilk«
Sonig
Unterstütze uns mit deiner Spende
skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!