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Matana Roberts

»Coin Coin Chapter Four: Memphis«

Constellation Records

Selten, dass ein Album vom Anfang bis zu den Schlussakkorden dermaßen mitreißt. Die in Chicagos South Side aufgewachsene, in Brooklyn lebende Ausnahmemusikerin Matana Roberts hebt an mit »Jewels of the sky: inscription«, einer Art freiem Free-Jazz-Gebet, das in ein Schlüsselstück der auf zwölf Kapitel angelegten »Coin Coin«-Serie mündet: »As far as eyes can see«, das bereits die Schlüsselzeile »Run baby run, run like the wind« enthält. Diese kehrt als Leitfaden wieder, etwa nach orgiastischen Free-Improv-Bläserkakophonien, in die Gitarren und Bass reinfunken, dass es eine helle Freude ist. Es braucht diese befreienden Ausbrüche, um mit der Geschichte der afroamerikanischen Vorfahren fertig zu werden. Dieser Historie geht Matana Roberts eindringlich nach und dazu hat sie die 12-teilige Albumserie nach Marie Thérèse Coincoin getauft. Einer Sklavin, die 1742–1816 in der damals französischen und danach spanischen Kolonie Louisiana lebte und nach ihrer Freilassung als Geschäftsfrau eine Community für befreite Sklaven mit aufbauen half. Roberts Oma rief die kleine Matana Coin Coin, was in »Trail of the smiling sphinx« lebhaft spürbar wird. »I am a child of the wind, even daddy said so / We used to race and I would always win / And he’d say ›Run baby run, run like the wind, that’s it, the wind‹ / Memory is a most unusual thing…« Erinnern ist eine äußerst schwierige Angelegenheit, insbesondere wenn lebensbedrohende Wunden der Unterdrückung beiseitegeschoben werden müssen, um die Gegenwart ertragen zu können. Doch Matana Roberts tut sich das an, sucht nach der leidvollen Wahrheit. Als »Child oft he wind« erzählt Roberts eine brutale Kindheit im rassistischen Amerika, wo Ku-Klux-Klan-Mitglieder Vorfahren ermordeten. Spoken word mündet in Gesang. Coin Coin läuft so schnell wie der Wind, rennt davon vor den mordenden weißen Herrenmenschen. Da braucht es Heilung, etwa in Form von »Her mighty waters run«, einer brillanten, Herz und Seele rührenden Mischung aus Work- und Gospelsong. Damit wird Kraft geschöpft für die gar rockende, rebellische Selbstermächtigung »Raise yourself up«. Schlussendlich leuchten die Sterne über Memphis, astraler, kosmischer Jazz vermengt sich mit Roberts ayleresken, glasklar freien Saxophonschreien zum furios-spirituellen Outro »How bright they shine«. »Coin Coin Chapter Four: Memphis« ist erhebend, mächtig, befreiend! Das Album des Jahres 2019!

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