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»Less is more« or »Less is a bore« – Ludwig Mies van der Rohe (1886 Aachen – 1969 Chicago)

In den 60er Jahren, als die Kritik an der klassischen, modernen Architektur einsetzte, erlaubte sich ein gewisser Robert Venturi das im Titel erwähnte »Wortspiel«. Sein damals postuliertes Credo, dass die zu dieser Zeit von Stararchitekten und Designern formulierte »stinklangweilige« Baukunst anders aussehen sollte, ist längst widerlegt.

Das Grundprinzip von Mies van der Rohe liegt in der Betonung der Einfachheit, der
Sorgfalt um das Detail, die Proportion und genaue Auswahl des Materials. Kaum jemand anderer (würde man Le Courbusier, Frank Lloyd Wright etc. kurzfristig beiseite stellen) hat sich mit den Entwürfen so sorgfältig und konsequent auseinandergesetzt wie der 1886 in Aachen geborene Mies van der Rohe.

Mies baute von 1907-1919 zahlreiche Wohnhäuser unter dem Einfluss Karl Friedrich Schinkels, Henrik Petrus Berlages und Peter Behrens, bis er anschließend mit einer Reihe von Entwürfen für Wohn- und Hochhäuser und danach für Möbel völlig überraschte. Diese bislang unbekannte Art, Architektur mit neuen, bisher im Wohnbereich kaum genützten Materialien darzustellen, war ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der modernen Architektur. Sowohl das Glas und Stahlrohr für die Architektur als auch das Metallmöbel war seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Doch beschränkte sich das Vorhandensein von Stahlmöbeln auf Orte wie den Garten, Caféterrassen, Krankenhäuser, Kasernen. Im Wohnzimmer der 20er Jahre hat man selten die Möglichkeit gehabt, solche Objekte aus Stahlrohr zu besichtigen. Dies löste heftige Kritiken aus, aber auch zahlreiches Interesse, Offenheit und unentdeckte Liebe zum Metall. Man spricht hier von den Ambitionen der modernen Architektur, die damals nach neuen Materialien suchte, die alle Kriterien für eine industrielle Massenproduktion erfüllt hatten. Die intensivste Zeit der Möbelentwürfe von Mies van der Rohe war von 1927-1931. In diesen vier Jahren entstanden die einflussreichsten Werke der Moderne: der Barcelonasessel, der Freischwinger, für die Villa Tugendhat in Brno der Stuhl und Sessel Tugendhat. Die Eleganz dieser Möbel und Gebäude beruht jedoch nicht lediglich auf der Verwendung exklusiver Materialien, es ist das Ergebnis einer sorgfältigen Proportionierung und Detailarbeit des Architekten. Hier sollte man erwähnen, dass Lilli Reich, selbst Architektin und langjährige Lebenspartnerin von Mies van der Rohe, eine große Rolle in der Auswahl der Details für so manche (innenarchitektonische) Einzelheiten beigetragen hat.

Doch Architektur ist manchmal schwer zu verstehen, besonders dann, wenn sie sozial schwer vertretbar ist. Mies van der Rohe war mit Sicherheit ein großer Ästhet, sicherlich aber nicht jemand, der sich nur für soziale Bauten hergeben würde, selbst wenn er öfters in seinen Arbeiten von einer Naturverbundenheit gesprochen hatte. Muss man das überhaupt? Kann man nicht einfach beim Schönen bleiben? Was wohl einer näheren Erläuterung bedürfte und auch in der Ausstellung nachvollzogen werden kann:

Mies van der Rohes Bauten gelten für viele als wahre Kunstwerke, doch es gibt auch einen Kernpunkt der Kritik. Besonders nach der Fertigstellung der Villa Tugendhat in Brno, die zu einem der wichtigsten Wohnhäuser im Schaffen von Mies van der Rohe zählt, hat man dem Architekten vorgeworfen, dass die Pathetik dieser Räume zu einem Ausstellungswohnen zwingt und das persönliche Leben erdrückt. Doch Grete Tugendhat ersetzte als Gegenkritik das Wort »erdrückend« mit »Freiheit«, schließlich wusste sie und ihr Mann Fritz Tugendhat als Bauauftraggeber am besten, wie bewohnbar ihre Villa in Wirklichkeit war. Ludwig Mies van der Rohe, der 1969 in Chicago verstarb, zählt heute zu den wichtigsten Architekten und
Möbeldesignern.

Die Ausstellung »Mies van der Rohe – Möbel und Bauten in Stuttgart, Barcelona, Brno« ist eine Exhibition des Vitra Design Museums in Zusammenarbeit mit dem Weißenhofinstitut Stuttgart und dem Fundatio Mies van der Rohe, Barcelona. Die Besonderheit dieser Ausstellung ist, dass sie an den Originalschauplätzen gezeigt wird, für die Mies van der Rohe seine berühmten Möbel entwarf – in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, im Barcelona Pavillon und in der Villa Tugendhat in Brno. Stationen sind: Stuttgart, Mailand, Brüssel, Weil am Rhein, Glasgow, Delmenhorst, Brno, Leipzig sowie Wien.

Ort: Kaiserliches Hofmobiliendepot, Mariahilfer Straße 88, 1070 Wien. Noch bis 15. Dezember.
Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 18.00 Uhr, Tel.: 01-5243357.
e-mail: info@hofmobiliendepot.at.
Homepage: www.hofmobiliendepot.at

Zur Ausstellung erschien ein eigener Katalog über die Möbel und Fotos aus der Villa Tugendhat: »Wohnen in Mies van der Rohes Villa Tugendhat, fotografiert von Fritz Tugendhat 1930-1938« (Verlag: Publikationsreihe MMD- Museen des Mobiliendepots, Band 14). Weiters ist der Katalog des Vitra Design Museums erhältlich: »Mies van der Rohe – Möbel und Bauten in Stuttgart, Barcelona, Brno« (Verlag: Vitra Design Museum).

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Text
M. B.

Veröffentlichung
02.12.2002

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