Wilfried (mit Hut) bei der »Gut Lack«-CD-Präsentation © Monkey Music
Wilfried (mit Hut) bei der »Gut Lack«-CD-Präsentation © Monkey Music

Lauf, alter Hase, lauf

Mit Wilfried Scheutz, gemeinhin als Wilfried bekannt, ist ein bunter Paradiesvogel der österreichischen Popmusik für immer abgetreten. Am Abend des 16. Juli 2017 ist er seinem Krebsleiden erlegen. Das gerade erst erschienene Album »Gut Lack« zeigt Wilfried trotz gesundheitlicher Einschränkungen als großartigen, nie larmoyanten Songwriter auf der Höhe seiner Schaffenskraft.

Zum Glück musste er das nicht mehr lesen: »Österreichischer Schlagersänger Wilfried gestorben« berichtete die Deutsche Presseagentur dieser Tage, und wenn Wilfried sicher kein überempfindlicher Mann war, das hätte ihn zu Recht gestört. Dabei umfasst das musikalische Werk des 1950 im oberösterreichischen Bad Goisern zur Welt Gekommenen alle nur erdenklichen musikalischen Stile, einen hat er sogar nachweislich erfunden: die Anfang der 1970er noch unbeholfen Alpenrock genannte Kreuzung traditioneller Volksmusik mit für damalige Verhältnisse härteren Rocksounds, womit er die Fährte für die sogenannte Neue Volxmusik (Hubert von Goisern, Broadlahn etc.) legte. Aktuell ist diese popmusikalische Entwicklungslinie mit dem sich als Volks RockʼnʼRoller bezeichnenden Andreas Gabalier trotz enormen kommerziellen Erfolgs inklusive Heimattümelei künstlerisch an einem Tiefpunkt angelangt.

Schnelle Erfolge
1973 gelang es Wilfried mit »Mary, Oh Mary« und dem Alltime-Austro-Klassiker »Ziwui Ziwui« (in dem zum ersten und vermutlich auch letzten Mal der »Zechenkas« einen Rocktext aufwertete), die vordersten Ränge der Charts zu okkupieren. Davor war allerdings schon der funkige Song »SʼKatherl« in den Landdiscos zum Undergroundhit geworden. Der Mann hatte also von Anfang an ein Händchen für Songs, die nicht nur gut sind, sondern noch dazu gut ankommen. Mit dem verrockten »Kufsteinlied« – man kann sich das heute kaum noch vorstellen – wurde er für Jahre in Kufstein zur persona non grata. In Graz, wo Wilfried Englisch und Französisch inskribiert hatte, war er kurzzeitig Sänger der noch total unbekannten EAV, bog aber bald wieder in Richtung New Wave österreichischer Prägung ab und produzierte mit Robert Ponger zwei Alben, die mit »Telephone Terror« oder »In The Middle Of The Night« auch kleinere Hits lieferten. Und nachdem ein Wilfried sich nicht allzu lange mit dem selben Stoff beschäftigen wollte, wurde er bewusst weniger trendy und erschuf in dieser Phase grandiose Stücke wie »Orange«, »Lauf, Hase, lauf« und »Laß mi bei Dir sein«, die dieses österreichische Musikchamäleon stärker von seiner ruhigen, nachdenklichen Seite zeigen. Ohne das Unwort Rampensau kommt man ja im Zusammenhang mit Wilfried kaum aus, was ihn auch nicht weiter störte, bedeutet es doch nichts anderes, als dass jemand eine gute Performance abliefert.

Songcontest Dublin
Zu Wilfrieds sicher unangenehmsten Erfahrungen zählte die Teilnahme am Eurovision Song Contest 1988, bei dem er als klare Fehlbesetzung mit der Schnulze »Lisa Mona Lisa« den letzten Platz mit null Punkten einfuhr. Sinngemäß sprach Wilfried in einem noch vor Kurzem geführten Interview davon, dass es zu dieser Zeit der Waldheim-Affäre in Dublin zu einem völlig unverhältnismäßigen Österreich(er)-Bashing gekommen sei und er das Gefühl hatte, für etwas bestraft zu werden, mit dem er nicht das Geringste zu tun hatte. Für seine musikalische Laufbahn erwies sich dieser Auftritt vor dem zahlenmäßig mit Abstand größten Publikum, das er je hatte, als ziemliche Bremse, Wilfried-Witze kursierten zeitweise auch in Österreich. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass das bei einem vom Wesen her sensiblen, ruhigen Menschen, wie Wilfried einer war, keine Spuren hinterlassen hat. In fast schon journalistischer Manier veröffentlichte er als erste Single nach Dublin das Stück »Gratuliere Österreich«. Dankend nahm er in weiterer Folge auch zur Konsolidierung der Finanzen Schauspielrollen in leichteren Filmproduktionen und Sommertheatern an, immer jedoch ohne sich dabei verbiegen zu müssen, denn einer, der sich für Geld verbiegt, war Wilfried nie. Bis 1996 veröffentlichte er weiter gut eine Handvoll Platten, an seine großen Erfolge konnte er damit aber nicht anschließen. Kurzerhand gründete er das A-cappella-Quartett 4Xang, mit dessen Mischung aus Volksmusik, Blues und Jazz er 15 Jahre lang erfolgreich die österreichischen Bühnenwirtshäuser unsicher machte.

Comeback mit »Tralalala«
Nach dem 4Xang begann Wilfried verstärkt mit seinem Sohn Hanibal, der als Kontrabassist von 5/8erl in Ehrʼn selbst ein bekannter Musiker ist, zusammenzuarbeiten. Für sein Comeback mit Band in Rockbesetzung ließ er sich von Hanibal eine junge Band zusammenstellen. Das Ergebnis ist mit »Tralalala« (2012) eines der besten seiner nicht wenige Alben umfassenden Discographie. Ein gereifter und doch auch immer schlitzohrig blödelnder Sänger trifft dabei auf eine junge Band, die mit überwältigender Spielfreude und dem Know-how am Puls der Zeit das Songwriting knietief im Blues erdet. Das Eröffnungsstück »Wieder da«, mit dem Wilfried in Folge alle seine Konzerte eröffnete, lässt klar erkennen: Mit diesem Mann ist noch schwer zu rechnen, und das soll kein Seitenhieb auf seine vermehrte Leibesfülle sein. Erst vor einem Monat erschien (wieder mit tatkräftiger Unterstützung von Sohn Hanibal produziert) das Nachfolgealbum »Gut Lack«, das in karger Instrumentierung einen Wilfried zu Gehör bringt, der über sein nahendes Ende Bescheid weiß. WILFRIED-Gut Lack-Cover-72dpi_1.jpgSelbst angesichts des Todes verlor er aber nicht seine scharfe Kritikfähigkeit (»Trottel«) und kann einem mit »Was wird?« immer noch die Tränen in die Augen treiben.

Wilfried Scheutz – Antiheld
»Warum macht man das alles eigentlich?«, fragt Wilfried mehr sich selbst als den Interviewer in der schönen Kurzdoku »Wilfried Scheutz – Antiheld« von Tristan Zahornicky aus dem Jahr 2014. »Es geht darum, dass es mitten im Lied ab und zu einem Moment gibt, in dem die Zeit stehen bleibt im Raum (…) Das hat man irgendwann einmal erlebt und dann will man es immer wieder erleben.« Vergangenen Sonntag ist für diesen im besten Sinne lustigen, gescheiten, großen Künstler die Zeit für immer stehen geblieben.

Wilfried: »Gut Lack« (Monkeymusic/Rough Trade)

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen